Nächste Schlappe in NRW

Raus aus den Rathäusern

Ob Heine da noch helfen kann? "Schlaget die Trommel und fürchtet euch nicht", appellierte Ministerpräsident Wolfgang Clement mit den Worten des Düsseldorfer Dichters letzte Woche an die nordrhein-westfälischen Genossen. "Schießt keine Eigentore mehr, bitte!" Der "gute Ruf, das Ansehen und die Ehre der ältesten Volkspartei dieser Republik" stünden auf dem Spiel.

Es hat nichts geholfen. Ende letzter Woche erwischte es erneut einen Kommunal-Sozi. Diesmal in Gladbeck. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende in der kleinen Ruhrpott-Stadt, Karl Weihrauch, hatte sich günstig eine Wohnung besorgt. Bei der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (GWG) der Stadt, deren Vorsitzender er war. Jetzt ist er zurückgetreten, sein Fraktionsamt läßt er ruhen. Dumm gelaufen.

Wie so vieles in den letzten Monaten. Bei den Genossen an Rhein und Ruhr herrscht Panikstimmung. Der SPD droht bei den Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland am 12. September ein Debakel. Verluste von über sieben Prozent werden den Sozialdemokraten prognostiziert.

In Köln hat die SPD bereits verloren. Nach 43 Jahren wird der nächste Oberbürgermeister kein Sozialdemokrat mehr sein. Anfang letzter Woche gab Klaus Heugel auf. Das Rennen um den OB-Posten machen nun Harry Blum von der CDU und die Grüne Anne Lütkes unter sich aus.

Auch in Dortmund hat eine lokale Affäre die SPD ins Hintertreffen gebracht. Siegesgewiß hatte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz-Josef Drabig kurz nach seiner Nominierung seine künftigen Amtsstube finanzieren lassen. Doch dann erwischte ihn eine Polizeistreife mit einer Prostituierten in seinem Auto. Drabig wurde ausgewechselt.

Auch Ministerpräsident Wolfgang Clement hat sein Scherflein zur sozialdemokratischen Skandalchronik beigetragen. Da präsentierte er im Frühjahr einen neuen Justizminister - und mußte ihn gleich wieder zurückziehen: Denn sein alter Studienfreund Reinhard Rauball, ehemals Präsident von Borussia Dortmund, war in Aktienspekulationen verwickelt. Der NRW-Landesvorsitzende Franz Müntefering bemüht sich trotzdem um Schadensbegrenzung: "Daß der eine oder andere in die Pfütze patscht, ist noch kein Grund, alle, die sich in den Kommunen für das Wohl der Leute einsetzen, unter Verdacht zu setzen". Trotz der "Tolpatschigkeiten und Dreistigkeiten einzelner" blieben die Sozialdemokraten "die Treuhänder der Menschen".

Daran glauben jedoch immer weniger. Schon bei den Europawahlen erlebte die SPD in ihrem Stammland einen Einbruch Außer in Köln und Dortmund drohen nun auch in Aachen, Bielefeld, Düsseldorf, Hamm, Münster, Siegen und sogar in Essen Verweise auf die Oppositionsbank.

Nur in Mülheim an der Ruhr scheint die sozialdemokratische Welt noch in Ordnung. Die Mülheimer Genossen haben ihren Absturz schon hinter sich. Nach einer Filzaffäre ihrer Oberbürgermeisterin fanden sie sich bereits nach der letzten Kommunalwahl 1994 in der Opposition wieder. Nun könnte ihr Oberbürgermeisterkandidat Thomas Schroer es sogar ohne Stichwahl schaffen. Ein Beispiel für die nächste Wahl - im Jahre 2004.