Biologische Lösung in Litauen

Wieder einmal scheint für einen NS-Verbrecher die biologische Lösung schneller zu kommen als die juristische. Das Verfahren gegen Aleksander Lileikis, den Kommandeur der sogenannten Sicherheitspolizei in Vilna während der deutschen Besatzung 1941 bis 1944, wurde am vergangenen Freitag in der litauischen Hauptstadt "wegen des schlechten Gesundheitszustandes" des mittlerweile 92jährigen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, ohne daß auch nur einen Tag lang verhandelt worden wäre. Während Lileikis' Amtszeit wurden in Litauen etwa 240 000 Juden - 95 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Baltenstaates - ermordet. Die von ihm kommandierte Sicherheitspolizei unterstützte dabei die deutschen Besatzer tatkräftig.

1955 wanderte Lileikis in die USA aus, wo er unbehelligt lebte, bis Mitte der neunziger Jahre seine Identität aufgedeckt wurde. Die Vereinigten Staaten bürgerten ihn aus und überstellten ihn nach Vilna. In Litauen wurde bislang noch kein einziger der zahlreichen Holocaust-Kollaborateure verurteilt. Das Verfahren gegen Lileikis' Stellvertreter Kazys Gimzauskas, dessen Fall ähnlich ist, wurde ebenfalls ausgesetzt. Jüdische Organisationen wie das Simon-Wiesenthal-Zentrum werfen der litauischen Justiz vor, die Verfahren bewußt zu verschleppen, um zu verschleiern, in welch hohem Maße Litauer aus allen Schichten der Bevölkerung an der Shoah mitschuldig seien.