Gruseln für lau

Jeder anständige Linke, der seinen Sprachschatz aus dem Phrasenlexikon nährt, weiß: "Solidarität ist eine Waffe". Ein Solidaritätsbasar ist demnach nichts anderes als eine Ausstellung von Militaria. Selbst Kinder werden hier zu Kampfmaschinen gedrillt: Unter dem Kriegsgeheul der Bösen Mädchen organisiert die Sportjugend Berlin das gefechtstaugliche Schminken der lieben Kleinen, danach müssen sie beim Kastenklettern ihre Wehrfähigkeit unter Beweis stellen. Mit solchen Trockenübungen halten sich ihre Altersgenossen in Kuba und Mosambik nicht mehr auf: Ihnen fehlt nicht der militärische Drill, sondern den einen die Milch und den anderen eine "Schule für jede Jahreszeit".

Neben den Terrorkids tummelt sich sonst eher greises Volk auf dem Alexanderplatz - bewaffnet mit einer Portion Solidarität und einem guten Gewissen. Offiziell nennt sich das Solidaritätsbasar der Berliner Journalisten. Der von Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für Entwicklung und Zusammenarbeit, ausgegebene Tagesbefehl aber lautet: "Es geht vor allem darum, möglichst viel zu kaufen."

Viel kaufen? Kein Problem! Die pastellfarbenen Mützen ("Echt Leder"), die Tischdecken ("Exklusiv Damast Tafeltuch Modell Jasmin - fleckenabweisend"), die Original Habana Zigarren ("Montecristo") und die Reishüte der Kinderhilfe Hyvang (echt Vietkong) kosten alle maximal zehn Mark. Schließlich sind die Basarbesucher stets preisbewußt, wie das Seniorenblatt Neues Deutschland weiß: Eine kostenlose Sonderbeilage "Wer den Pfennig nicht ehrt ..." hat es eigens zu diesem Tag produziert.

Wenn Solibasar ist, gehört der Alex wieder den Ostlern: dem Karl Dietz Verlag und seiner Neuerscheinung "Mit der DDR ins Jahr 2000", einer Initiative Rettet-die-Ampelmännchen mit ihrem Vier-Takt-Barkas, dem Buschfunk mit viel schlechter Musik und natürlich der PDS mit Naturkautschuk-Latex-Kondomen aus Erfurt. Gut getarnt kämpfen auch einige Westler für eine bessere Welt: Ungestraft kann "Eine Liebeserklärung an Zehlendorf" feilgeboten werden, und daneben zeigt ein Schaubild, "wie eine Windkraftanlage von Kreuzberg nach Kuba kam".

Aber wie zu Wendezeiten sind erneut Abzocker dabei, um die Ossis in den Westen zu locken. "Einen Spaziergang des Schreckens mit Action", bietet ein undurchsichtiger Kerl an, mit "unheimlich lebendigen Szenen, Ku-Klux-Klan-ähnlichen, erschreckenden Gestalten, einem unheimlichen Friedhof, gruseligem Bunkerlabyrinth, düster und miefig, seltsamen Geräuschen". Zwölf Mark Eintritt will er dafür kassieren. Auf dem Solibasar gibt es all das für lau.