NS-Diktion der FPÖ

Keine Kritik

Die Wahlwerbung für die am 3. Oktober in Österreich stattfindenden Parlamentswahlen war zunächst recht konventionell. Die Sozialdemokraten warben für den "richtigen", die konservative Volkspartei für den "besseren" Weg, und die FPÖ forderte "das Jörg-Haider-Modell für österreichische Mütter".

Spätestens seit der Wahl Kurt Waldheims 1986 zum österreichischen Bundespräsidenten wissen die Wahlstrategen, daß man mit dem gezielten Schüren von Emotionen Wähler mobilisieren kann. Davon macht die FPÖ nun reichlich Gebrauch. Tausende ihrer Plakate wenden sich gegen "Überfremdung" und den "Asylmißbrauch".

Bereits 1993 hatte die Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff "Überfremdung" zum "Unwort des Jahres" gekürt. Freilich haben schon vor den deutschen und österreichischen Neonazis deren Vorbilder mit der "Überfremdung" die angebliche Unterwerfung des "Deutschtums" durch das "Judentum" bezeichnet. Joseph Goebbels sprach 1933 von einer "Überfremdung des deutschen Geisteslebens durch das Judentum". In der NS-Propaganda war wiederholt die Rede von "blutsmäßiger Überfremdung", die sich ab dem Ende der dreißiger Jahre nicht mehr nur auf Jüdinnen und Juden, sondern auch auf den unerwünschten Kontakt mit Ausländern (Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter etc.) bezog.

Für Neonazis war es somit selbstverständlich, mit dem Begriff der "Überfremdung" politisch zu agitieren. Die in Österreich 1988 behördlich aufgelöste National-Demokratische Partei startete 1982 eine "Bürgerinitiative zur Durchführung eines Volksbegehrens gegen die Überfremdung Österreichs". 1990 sorgte die von prominenten Neonazis angeführte Liste "Nein zur Ausländerflut" mit ihrem Wahlkampf gegen "Überfremdung" für Schlagzeilen.

Die Kreiswahlbehörde für Wien begründete damals ihre Zurückweisung des Wahlvorschlags u.a. mit dem einschlägigen Charakter der Propaganda der Liste "Nein zur Ausländerflut". Als Beispiele angeführt wurden Sätze wie "Überfremdung kostet unsere Lebensqualität", "Kinderarmut und Überfremdung sind die Zange, die unsere Identität zu zerstören droht" oder "Überfremdung ist Völkermord".

Auch der Österreichische Verfassungsgerichtshof erkannte 1991 in seiner Abweisung der Wahlanfechtung, daß sich die Liste "Nein zur Ausländerflut" in ihrer Agitation eng an die NSDAP anlehnte. Als ein Beispiel führte auch der Verfassungsgerichtshof den Begriff "Überfremdungspolitik" an.

Jörg Haider hatte 1995 in seiner Rede vor Veteranen der Waffen-SS in Kärnten die alten Kämpfer in höchsten Tönen gelobt, aber auch festgestellt: "Man lebt ja auch, wie hat der Wilhelm Busch g'sagt, 'Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's völlig ungeniert'." Heute muß die FPÖ sich tatsächlich nicht mehr genieren. Ihr Schüren rassistischer Ressentiments ist so erfolgreich, daß viele ihrer Forderungen zur Ausländerpolitik von Sozialdemokraten und Konservativen bestätigt und teilweise auch übernommen werden.

Die FPÖ und ihr Führer können sich all dies erlauben, weil sie von Politikern der Regierungsparteien keine Kritik erwarten müssen. Spricht man Regierungspolitiker darauf an, dann erklären diese, daß sie Haider und die FPÖ deswegen nicht öffentlich kritisieren, weil sie ihm auf diese Weise Tausende ihrer Wähler zutreiben würden.