Alternative Lebensformen

Live dabei

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Das Handy wird immer attraktiver. Bald kann man damit sogar ins Internet, und das soll fast so leicht gehen wie bei Boris Becker. Coca-Cola-Dosen per Handy zu ordern ist längst möglich - zu überwachen, ob die lieben Kleinen zu viel davon saufen, jetzt auch.

Die Berliner Firma DResearch Digital Media Systems offeriert rechtzeitig zur Weihnachtsschlacht ihren TeleObserver 2100, eine unscheinbare Black-Box zum Preis von nur 6 500 Mark. Und diese Box taugt zur mobilen »Live-Berichterstattung«. Sie empfängt, komprimiert und versendet Videosignale, die ihr von bis zu vier Kameras übermittelt werden - »und das in Echtzeit«. Via GSM-Netz können die Videosequenzen an jedes moderne Handy geschickt werden - »drahtlos, schnell und digital an jeden Ort der Welt«. Oder zumindest dorthin, wo Sie Empfang haben. Und schnell ist ja auch ein relativer Ausdruck: Drei Bilder pro Sekunde beträgt die Frequenz. Sich mal so einen richtig schönen Spielfilm anzugucken ist also nicht!

Aber zur Überwachung reicht es: Das Handy empfängt die Daten, schiebt sie dem Laptop rüber, und bald baut sich auf dem Flachbildschirm auf, was immer Sie eben so filmen.

Tun Sie dem Blockwart in sich einen Gefallen und überwachen Sie fortan einfach alles, was Ihnen lieb und teuer ist. Die Angestellten, die Familie, die Geranien auf dem Balkon. Für Singles empfiehlt sich eine kälteresistente Kamera, da lässt sich noch im Geschäft kontrollieren, ob Bier im Kühlschrank steht. Und Eltern können jederzeit feststellen, ob die Bälger in ihrer Abwesenheit illegale Partys feiern.

Unser Tipp: Kaufen Sie sich so ein Ding zu Weihnachten. Dann können Sie es noch gleich im Winterurlaub ausprobieren: Beispielsweise von Hawaii aus, da ertragen Sie Weihnachten bestimmt, Paddeln in den Everglades ist auch nicht schlecht, zur Not reicht auch die Zugspitze. Allein die Fahrt mit der Seilbahn wird zum Erlebnis: Laptop und Handy ausgepackt, verkabeln und schon haben Sie Ihr Wohnzimmer auf dem Schirm vor und alle 25 Mitgondelnden hinter sich.

Online betrachten Sie Kampffisch Augusto, Katze Frederike und Schildkröte Katrin. Nur - wo ist Ihr Pet-Sitter geblieben? Dieser nette Student, der letztes Jahr bei Ihnen den Weihnachtsmann gespielt hat? Franzi war so glücklich. Natürlich, er ist wieder einmal zu spät dran - Studenten halt! Nun bewegt sich doch was und Sie können genau beobachten, wie dieser Kerl das Fischfutter ins Becken schaufelt, während Frederike direkt ins Objektiv schaut. Im Gegensatz zum Pet-Sitter weiß die schlaue Katze, dass Sie gerade online sind - schließlich kennt Frederike die Standorte der Kameras. Die oben links leuchtet gerade - Herrchen auf Empfang. Die Schildkröte Katrin entgeht der Live-Schaltung - Unterwasserkameras sind verdammt teuer.

Aber nein, was müssen Sie da sehen? Der dumme Student hat Frederike schon wieder das ekelhafte Plus-Futter mitgebracht - nur, weil es 20 Pfennige billiger ist. Frederike mag das aber nicht und vergreift sich stattdessen an Katrin. Der Student reagiert panisch, versucht, die Katze einzufangen, um die völlig verängstigte Schildkröte wieder zu befreien - und schmeißt dabei das Aquarium um. Augusto zuckt hin und her wie wild, erstickt jämmerlich.

Was für ein Drama! Und Sie sind live dabei. Der schöne Urlaub ist jedenfalls im Eimer. Vielleicht hätten Sie doch lieber was anderes kaufen sollen?