Alternative Lebensformen

Aus alt mach neu!

Sie dachten, die Berliner FDP sei längst tot? Gestorben an Langeweile in der außerparlamentarischen Oppositionsarbeit, verzweifelt an der fehlenden Aussicht auf Macht, Ruhm und Parteispenden, zu Grabe getragen bei der Abgeordnetenhauswahl im vergangenen Oktober von ihrem Spitzenkandidaten Rolf-Peter Lange höchstpersönlich? Denn Lange ist Chef des Bestattungsunternehmens Grieneisen.

Na, da haben Sie sich aber gewaltig getäuscht. Die FDP der Hauptstadt, die ist jetzt wieder da. Wo? In der Opposition, wo denn auch sonst? Bleibt ihr ja gar nichts anderes übrig. Hauptsache, sie ist wieder da. Jetzt ganz frisch, nach dem vergangenen Wochenende. Gut, vielleicht nicht ganz so frisch, wie Sie es vielleicht von anderen Parteien gewohnt sind. Der neue Vorsitzende ist nämlich ein alter Vorsitzender: Günter Rexrodt. Der hat nicht nur 58 Jahre auf dem Buckel, sondern kennt den Posten auch schon. 1994 hatte die Partei ihn schon einmal zum Landesvorsitzenden gewählt.

Und was wurde daraus? Die FDP scheiterte bei den Abgeordnetenhauswahlen. Rexrodt trat brav zurück und widmete sich seiner Ministertätigkeit in Bonn. Das ganze Hickhack in der Berliner FDP um nach rechts driftende Kreisverbände und den Scharfmacher Alexander von Stahl hatte ihn ohnehin nicht so sehr interessiert. Harmonie wollte er in seiner Partei - wenn's sein musste, ruhig auch mit rechten Inhalten. Hauptsache, Ruhe. Wenn nicht in Berlin, dann in Bonn. Aber dann kam die Bundestagswahl: Seinen Posten als Wirtschaftsminister klaute ihm irgend so ein Oskar, und das nur, um ihn wenig später wieder hinzuschmeißen. Rexrodt holte in Bonn ein, wovor er aus Berlin geflohen war: die Langeweile der Oppositionsarbeit. Nichts darf man entscheiden, nirgendwo zum Staatsbesuch hinfliegen, genau genommen interessiert sich einfach niemand für einen.

Rexrodt blieb nur eines: Wieder den Berliner Vorsitz übernehmen. Die Partei ist ohnehin schon so unbedeutend, dass sich die Flügelkämpfe nicht mehr lohnen: Der rechte Flügel ist zum Teil im Bund Freier Bürger aufgegangen, der sozialliberale hat sich frustriert zurückgezogen, weil er in der Partei mindestens genauso gemieden wurde wie Anhänger von Stahls, und die Studenten, die sich die FDP einverleiben wollten, haben gemerkt, dass es bei den Liberalen nichts zu holen gibt.

Aber solange die Partei noch einige Mitglieder zählt, braucht sie wohl auch einen Vorsitzenden. Einen, der sagt, wo es langgeht: Schluss mit den Grabenkämpfen, meint Rexrodt. Und formulierte ein sehr hoch gestecktes Ziel: Die FDP solle wieder ernst genommen werden.

Und schwupps ward der Mann auch schon wieder gewählt. Nicht deshalb, weil Rexrodt in der Vergangenheit gelegentlich Sympathien für einen Rechtsruck andeutete. Nein, bei der FDP denkt man pragmatisch: Als Bundestagsabgeordneter hat Rexrodt immerhin ein Büro, von dem aus sich so was Ähnliches wie ein Wahlkampf organisieren lassen könnte - mit Faxgerät, Geldern, Sekretärin und allem, was sonst noch so dazugehört. Wenn das keine optimalen Voraussetzungen sind, die nächsten Abgeordnetenhauswahlen zu gewinnen.