Internet und Freizeit

Zithern & Klampfen

Wundert mich eigentlich immer noch, dass am 1. Januar die Computer doch nicht zusammengekracht sind. Bei all den lustigen Bildchen, die am Jahresende weltweit versandt worden sind. Ich habe diese angehängten Dateien nie aufgemacht, weil man da mindestens zehn Minuten online sein muss - was das kostet! -, und anschließend starrt man dann auf einen meist nackten Weihnachtsmann in Farbe, der irgendwas Amerikanisches sagt, das man vermutlich nur in einem speziellen Teil der Südstaaten versteht.

Ab und zu kriege ich - ebenfalls auf Englisch - ellenlange Geschichten direkt per E-Mail geschickt, die beispielsweise unter dem Thema stehen: Was macht ein Mann im Badezimmer, was macht eine Frau im Badezimmer. Dabei kommt dann raus, dass eine Frau sich vorwiegend duscht und ein Mann vorwiegend damit beschäftigt ist, seinen Dingsbums im Spiegel zu bewundern. So was ist ja auch nicht neu. Außerdem bekomme ich Mails zugeschossen, in denen mir versprochen wird, dass ich, wenn ich irgendwas Angehängtes öffne, mir Nackedeis jeder Sorte ansehen kann. Da ich aber schon lange weiß, wie die aussehen, schicke ich die Dinger gleich an eine Stelle weiter, die lotsenspam heißt und wo Leute sitzen, die das wahrscheinlich noch nicht wissen.

Wo man aber garantiert bis obenhin angezogene Menschen erblicken kann, das ist auf der Web-Site des Singekreis Theodor Körner (http://singekreis.aryan.de/). Die stellen sich der Besucherin so vor: »Wir sind ein Kreis von Menschen unterschiedlichsten Alters, leben in einem abgelegenen Dorfe tief im Oberlausitzer Bergland und pflegen dort die Tradition des Singens in der Gemeinschaft. Wir treffen uns einmal die Woche am Sonntagabend in der Schenke 'Zum Dorfkrug', holen Zither, Klampfen und Geigen heraus und singen so fröhlich, dass die schweren Arbeitstage in den Wäldern und auf den Feldern vergessen werden. Wir haben schon einige Klangscheiben aufgenommen, welche unsere Volksmusik in die Welt tragen sollen. Mit unserer neuen Scheibe wollen wir aber eher an die Tradition des Soldatenliedes anknüpfen, singen von Aufopferung, Heimat und dem ewigen Wandern in die Ferne. Hören Sie doch einfach mal hinein in unsere eigene Welt!« Klangscheiben! Zithern und Klampfen! Wahnsinn!

Ich habe es allerdings noch nicht gewagt, im Beisein meiner Kolleginnen eine entsprechende mp3-Datei mit Klangbeispiel herunterzuladen. Weil ich natürlich nur ins Netz gehe, wenn ich im Büro sitze, wo die Online-Zeit umsonst ist. Jedenfalls für mich. Wer hätte das übrigens gedacht - dass es so anstrengend zugeht beim Nazi. Das muss ja entmutigend sein für den Nachwuchs: den ganzen Tag mit dem Pflug die Scholle umbrechen und deutsche Bäume fällen - wenn das man richtig ist! -, abends dann in schwerer Volkstracht hin zur Aufopferung in einen Dorfkrug, wo es garantiert keinen Jim Beam gibt, was nicht schaden kann, dafür aber Met, den zu kippen bestimmt eine Prüfung ist, und im Anschluss daran bis zum Morgengrauen mit Scheiben werfen oder Scheiben einwerfen oder was und zwischendurch auch noch an Web-Sites basteln. Das ist doch kein Leben!

Dann lieber - ähm - links sein: Gegen zehn Uhr ins Büro latschen und das Alsterradio anschmeißen (»Su-perstars oohhnndd clas-sic hits«) und mit den Kollegen über Bausparverträge diskutieren, nachmittags ein bisschen in der Jungle World blättern, abends Shanghai spielen, mit einem Kreuzworträtsel ins Bett gehen und mindestens zwölf Stunden drinbleiben. Und nur dann mitsingen, um den schweren Arbeitstag zu vergessen, wenn man im Bus sitzt und einen Walkman mit Kopfhörer aufhat. Das macht Spaß!