»Gespräche II«

Kochen im Unrechtsstaat

Zu den mysteriösesten Gagstern, Possenreißern und Jokern, die uns derzeit zum befreiten, aber auch peinlich-berührten Prusten, Kichern und Lachen bringen, gehören drei unbekannte Männer, deren wahre Identität zu den wohl bestgehüteten Geheimnissen des weltweit operierenden BMG/Ariola-Unterhaltungs-Imperiums seit der Enttarnung der gleichermaßen klandestin operierenden Residents gehört: Studio Braun.

Soviel lässt sich jedoch sagen: Studio Brauns Humor ist radikal anarchistisch, kommt ohne konventionelle Schlusspointen oder Harald Schmidtsche Kalauer aus, lebt vielmehr von langsam sich aufbauenden Surrealismen - und trifft das Deutschland der Post-1989-Gegenwart dort, wo es besonders weh tut: im Privaten. Möglich wird der Einbruch in die Intimsphäre der Opfer bei gleichzeitiger Anonymität der Angreifer durch das Telefon. Studio Braun haben absurdisiert und perfektioniert, was eigentlich eine ganz kindliche Form des Klamauks ist: den Telefonstreich. Dennoch haben diese drei Profis mit der etablierten Comedy-Szene wie auch dem tradierten Polit-Kabarett nichts am Hut. Respektive nichts am Eimer, der längst zu so etwas wie ihrem popkulturellen Trademark geworden ist, denn in der Öffentlichkeit waren die Studio-Braun-Mitglieder bisher nur mit einem Eimer über dem Kopf zu sehen.

Vor gut einem Jahr überraschten The Telefon People mit einer CD, auf der sich das Adelsamt in Bamberg bei ausgesuchten Exponenten der verbliebenen Erbaristokratie meldete und ihnen die Aberkennung ihres Titels in Aussicht stellte (»Jetzt heißt es hinten anstellen wie alle andern auch!«). Und mancher wird sich auch sicherlich noch auf »Rita« besinnen.

Mit »Gespräche II« liegt nun ihr neuester Streich auf CD vor, wo über Schmetterlingskokons in Nappaschuhen verhandelt oder das Kochbuch »Kochen im Unrechtsstaat - Die Geheimrezepte der Stasi« (»Mitternachtsküche: Ei mit Fisch«) an den Mann gebracht wird. Gespräche verheddern sich da in der Unbill des Alltags, etwa wenn ein Telefonsexgespräch durch Steuerfragen unterbrochen wird oder der tantenhafte Jargon von Kontaktanzeigen über prollige Soziolekte stolpert. Kein Einfall ist zu bizarr - auch wenn es der nur aus »gallertartiger Masse« bestehende »Sitzhund« moderner Gentechniker ist.

Eine Frage muss natürlich erlaubt sein: Wovor haben diese Männer eigentlich Angst? Warum entziehen sie sich immer wieder der Identifikation?

Studio Braun: »Gespräche II«. BMG/Ariola