EU-Gen-Richtlinie

Freie Manipulation

Gute Zeiten für Gentech-Fans. Zwar lehnen immer mehr EuropäerInnen Genfood ab. Ihre Volksvertretung in Strasbourg hat sich jetzt jedoch hinter die Gentech-Industrie gestellt. Zur Debatte stand am letzten Dienstag der Vorschlag des Ministerrats zur Richtlinie über die »absichtliche Freisetzung von genetisch veränderten Organismen (GVO)«. Noch vor einem Jahr, als die Richtlinie zum ersten Mal in Strasbourg diskutiert wurde, hatte das Parlament dem Ministerrat vor allem in drei Punkten widersprochen: Genetische Verschmutzung, also die Übertragung von GVO-Genen in die Umwelt, müsse auf jeden Fall verhindert werden. GVO mit einem Antibiotika-resistenten Gen, einem so genannten Antibiotika-Marker, sollten generell verboten werden. Und schließlich: Wer genetisch manipulierte Organismen freisetzt, sollte für etwaige Folgen haften.

Auf dem Tisch der Abgeordneten lag jetzt der Bericht des britischen Labour-Vertreters David Bowe inklusive 50 Änderungsanträgen zur Position der Minister. In den Anträgen wurden nur zum Teil schärfere Maßnahmen als die des Ministerrats gefordert. Vor allem die Abgeordneten der Fraktionen der Liberalen (ELDR) und der christlich-konservativen Volkspartei (EVP) haben im Verlauf des letzten Jahres offensichtlich ihre Skepsis gegenüber der Freisetzung von GVO abbauen können.

Doch auch Berichterstatter Bowe, der sich bislang gerne als Sprachrohr der Gen-KritikerInnen darstellte, gab zum Schluss klein bei. Neben einer Reihe von eher radikalen Vorschlägen reichte seine Fraktion auch stark abgeschwächte Anträge ein. Diesen bewusst vage formulierten Kompromissen schlossen sich ELDR und EVP an.

Fazit: Das Parlament empfiehlt, das Verbot der Antibiotika-Marker zu verschieben, über die Haftung der Gentech-Industrie für die Folgen der Freisetzung soll bis 2001 ein neuer Vorschlag ausgearbeitet werden. Was den Gentransfer betrifft, konnte man sich lediglich darauf einigen, dass »Auswirkungen auf die Umwelt« überprüft werden müssen. Nun wird sich der Ministerrat erneut mit der Ausarbeitung der neuen Richtlinie befassen.

»Die geplante Richtlinie ist zwar besser als die, die bisher galt«, gibt Martin Rocholl, Koordinator der Umwelt-Organisation Friends of the Earth (FOE) zu. Allerdings sei das nicht auf die Parlamentsarbeit zurückzuführen. Der Rat selbst hatte einige Verschärfungen in die neue Version des Gesetzes geschrieben: Unter anderem soll künftig die Zulassung eines Produkts nur noch für zehn Jahre gelten, die Standorte von genetisch manipuliertem Pflanzgut sollen in einem öffentlichen Register einsehbar sein.

»Die neue Richtlinie legt keinesfalls fest, was passieren soll, wenn Schaden durch genetische Manipulation angerichtet wird«, beklagt Rocholl. Und: »Unser Ziel, dass sich das Parlament für Verschärfungen einsetzen soll, haben wir nicht erreicht. Die NGOs müssen deshalb wieder verstärkt aktiv werden.« Eine europaweite Kampagne soll auf die aktuelle Gesetzgebung und Gefahren der Gentechnik aufmerksam machen. Zudem wollen sich unter anderem FOE und Greenpeace für die Ausrufung von »GVO-freien Zonen« einsetzen.