Iran-Konferenz der Böll-Stiftung

Haus ohne Schleier

Die Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung war das größte Treffen iranischer Intellektueller seit 1979. Kritiker des iranischen Präsidenten Khatami waren nicht erwünscht.

Für den Flüchtlingsrat Brandenburg war die Sache klar. »Nicht die Gewinnung eines differenzierten Bildes über die derzeitige Situation im Iran stand im Vordergrund der Tagung, sondern die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder«, kritisierte die Migranten-Organisation in der vergangenen Woche die Heinrich-Böll-Stiftung. Der Grünen-nahe Bildungsträger habe mit seiner Iran-Konferenz, so der Flüchtlingsrat, völlige »Distanzlosigkeit zur Regierungspolitik und ebenso ihr doch sehr zu hinterfragendes Verständis von Demokratie deutlich gemacht«.

»Iran nach den Parlamentswahlen. Die Reformdynamik in der Islamischen Republik« war die Berliner Konferenz betitelt, die schon im Vorfeld für Furore gesorgt hatte - und am ersten Aprilwochenende nach Protesten von Exil-Iranern vorübergehend unterbrochen werden musste. Die Veranstaltung machte nicht nur die Risse deutlich, die derzeit durch die iranische Gesellschaft gehen, sondern zeigte auch auf, wie gespalten die iranische Exil-Community mehr als 20 Jahre nach der islamischen Revolution in dem Nahost-Staat ist. Während der eine Teil der rund 120 000 in Deutschland lebenden Iraner seit der Wahl des auch von der Böll-Stiftung als Reformer gehandelten Khatami auf eine Rückkehr in ihr Herkunftsland hofft, sehen andere Exilanten die Islamische Republik durch die gemäßigten Geistlichen noch gestärkt. Ihnen dürfte es zu verdanken sein, dass die Tagung nicht wie geplant über die Bühne gehen konnte.

Die tageszeitung hatte die wahren Feinde der Demokratie schon frühzeitig ausfindig gemacht - und zwar auf Seiten der Kritiker des iranischen Präsidenten Mohammad Khatami: »Auffällig war, dass die Redner aus dem Iran ein deutlich aufgeklärteres Demokratieverständnis erkennen ließen als ihre Gegner im Saal, deren Vorstellung von Meinungsfreiheit in einem Fußballstadion sicher besser aufgehoben wäre«, schrieb die Zeitung nach der erfolgreichen Unterbrechung der Konferenz. Als eine Frau am zweiten Tag ihren Schleier fallen ließ und nur mit Bikini bekleidet durch den Saal lief, platzte die Inszenierung der iranischen Demokratie. Die Sicherheitskräfte konnten für den weiteren Verlauf der Veranstaltung nicht mehr garantieren - und mussten sie abbrechen. Am folgenden Tag durften nur noch erwünschte Gäste das Konferenz-Gebäude betreten. Für die taz war auch hier klar: »Die Provokation war geplant.«

Dabei übersah das Blatt schlicht, dass die Proteste im Berliner Haus der Kulturen der Welt keine Einzelaktion waren, sondern dass Menschenrechtsorganisationen, Exilvereinigungen und Intellektuelle wie Faradsch Sarkuhi (Jungle World, 12/00) schon seit Wochen gegen die Regime-nahe Zusammensetzung der Podiumsteilnehmer mobil gemacht hatten.

Aus gutem Grund. Neben dem heute als Journalisten tätigen Mitbegründer des iranischen Geheimdienstes, Akbar Gandschi, saß die gesamte Riege rot-grüner Hoffnungsträger unter den systemkonformistischen Teilnehmern - eher säkulare Schriftsteller, Umweltrechtler, Anwälte und Parlamentsabgeordnete. Sie waren zur größten Konferenz iranischer Intellektueller angereist, seit der Iran nach der Revolution von 1979 eine islamische Republik wurde. Eine Versammlung von diplomatischer Bedeutung. Denn auch wenn Ralf Fücks, Vorstandsmitglied der Böll-Stiftung, einen Spiegel-Bericht dementierte, wonach Bundespresse- und Kanzleramt die Konferenz mitorganisiert hätten, war die außenpolitische Zielsetzung klar: Im Vorfeld des Deutschland-Besuchs Khatamis sollte ausgelotet werden, wie stark der Protest gegen seine Gefolgsleute werden würde.

Die Böll-Stiftung behauptete von Anfang an das Gegenteil. Ein Dialog zwischen »Reformkräften« inner- und außerhalb des islamischen Lagers sollte angestoßen werden, um die Aussichten auf eine Liberalisierung innerhalb der bestehenden Grenzen des Systems zu diskutieren. Dafür sollte ursprünglich auch der iranische Botschafter in Berlin, Ahmad Azizi, gewonnen werden, wie ein Jungle World vorliegendes Dokument belegt, von dem der Pressesprecher der Stiftung, Michael Alvarez, jedoch bis Konferenz-Beginn nichts gewusst haben will. In der Gemeinde der Exil-Iraner hingegen war schon vor Beginn der Veranstaltung eine Beteiligung der iranischen Botschaft bei der Vorbereitung nicht ausgeschlossen worden. Doch auch das dementierte Alvarez: Auf dem internen Papier, erfuhr er auf Nachfrage, sei der iranische Botschafter lediglich als möglicher Podiumsteilnehmer aufgeführt gewesen. Auf eine Teilnahme sei er am Ende aber gar nicht angesprochen worden.

Doch nicht nur Azizis Name auf der Liste macht deutlich, wer künftig Bündnispartner, wer Gegner sein wird für die Grünen beim demokratischen Ausbau der Islamischen Republik: So gehörte auch die Khatami-nahe Journalistin Katajun Amirpur zu den Podiumsteilnehmern. Als Kronzeugin für den Wandel im Iran zititert sie inzwischen auch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bafi) zustimmend, um die Ablehnung iranischer Asylbewerberinnen zu begründen: Der Khatami-Kurs, so Amirpur, fördere die »Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Frauen und Männern im Islam«.

Während die linken Exilanten alles versuchen, genau das zu verhindern, meinte zumindest Ralf Fücks. So warf er den protestierenden Iranern, unter ihnen ehemalige politische Gefangene und im Iran Gefolterte, als »sektiererische«, undemokratische Gruppen. Dabei hatten selbst iranische Republikaner die Zusammensetzung des Podiums kritisiert, auch wenn sie sich von den Protestierenden im Saal des Hauses der Kulturen der Welt distanzierten. Doch Fücks fuchste auch das nicht: »Die Veranstaltung ist beendet. Der Dialog geht weiter«, lautete sein lakonisches Resumé.