Flughafen Schönefeld

Der Shudoda-Day

Gefährliche Orte CVII: Der Flughafen Schönefeld. Hier verläuft seit sieben Jahren die Grenze der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen mobilisieren Autonome nun zu Protesten.
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Berlins Autonome haben einen neuen Aktionstag aus der Taufe gehoben: Shudoda. Für Shudoda wird bundesweit mobilisiert, stattfinden soll er aber nur in Berlin. Und zwar am siebten Jahrestag der faktischen Abschaffung des Asylrechts: Am 1. Juli ist Shudoda-Day. Dann wollen die Autonomen tun, was sie nach Auffassung der Öffentlichkeit ohnehin am besten können: Chaos stiften - in der gesamten Stadt.

Vor allem aber rund um den Ostberliner Flughafen Schönefeld. Die Zufahrten sollen blockiert, der Flugbetrieb damit möglichst gestört werden. Und das nicht wegen des Fluglärms oder der wegen hohen Rohölkosten gestiegenen Flugpreise. Nein, Shudoda steht für »Shut Down Deportation Airport«. Nicht nur in den eigenen Kreisen haben die Autonomen dafür Werbung gemacht. Auch die Reisegesellschaften wurden bereits vor geraumer Zeit über die geplante Aktion informiert. Shudoda-AktivistInnen statteten vielen Reisebüros einen Besuch ab. Glaubt man der Kampagnen-Sprecherin Klara Wolff, war die Akton dadurch bereits vor Beginn ein kleiner Erfolg: Eine überraschend große Zustimmung bei den MitarbeiterInnen haben die InitiatorInnen von Shudoda festgestellt. »Manche boten sogar an, unsere Flugblätter auszulegen«, berichtet Wolff. »Wir waren selbst überrascht.«

Die Reisenden werden am 1. Juli vermutlich weniger verständnisvoll reagieren, wenn ihnen durch die geplanten Aktionen die Anreise zum Flughafen erschwert oder gar ganz und gar unmöglich gemacht werden soll. Mit einer Großkundgebung vor dem Flughafen sowie einem Taxi- und Autokorso, Aktionen an S-Bahnhöfen und auf den Zufahrtsstraßen soll das Chaos am Flughafen und um ihn herum perfekt gemacht werden. Wer da in den Urlaub fliegen will, hat nach Angaben der InitiatorInnen schlechte Karten. Mitleid von den Autonomen dürfen sie allerdings nicht erwarten: »Wir werden den Flughafen lahmlegen, an dem ansonsten Tag für Tag Schicksale von Flüchtlingen besiegelt werden«, erklärt Wolff das Ziel des Aktionstages.

Natürlich aber haben die OrganisatorInnen mehr zu bieten als nur die Ablehnung von Abschiebungen. »Unsere Kritik beginnt bereits bei der Differenzierung von Menschen mit deutschem Pass und solchen ohne.« Da fange das rassistisches Denken schon an. Und sicher nicht ganz zufällig bezieht man sich im Aufruf auf eine alte Parole der Revolutionären Zellen: »Für freies Fluten«. Die Gruppe, die zwar seit Jahren nicht mehr aktiv ist, aber den Autonomen derzeit wegen Durchsuchungsaktionen und Festnahmen durch die Bundesanwaltschaft Gesprächsstoff liefert, hatte bereits vor 14 Jahren unter anderem mit Sprengstoffanschlägen auf Lufthansa-Gebäude gegen die Abschiebemaschinerie protestiert.

Der Shudoda-Day soll sich dieser Kampagne gegen die Lufthansa anschließen. Denn das Unternehmen verdient an den Abschiebungen bestens. Wegen der zahlreichen Direktflüge in Abschiebeländer ist es bei den deutschen Behörden besonders beliebt. Der Ruf der größten deutschen Airline soll damit nachhaltig geschädigt werden. Stichwort: »Deportation Class«. Ob bei der Tourismus-Messe in Berlin oder auf der Internationalen Luftfahrtsausstellung (ILA) - wo immer die Lufthansa sich potenziellen Kunden präsentiert, muss sie mit Protesten gegen ihre Beteiligung an den Zwangsabschiebungen rechnen. Im März wurde das Wohnhaus des Lufhansa-Vorstandschefs Jürgen Weber mit roter Farbe eingedeckt.

Offiziell gibt sich die Fluggesellschaft sogar einsichtig: Die Lufthansa verkündete inzwischen, keine Abschiebungen mehr zu dulden, bei denen mit Widerstand der Flüchtlinge gerechnet werden müsse. Dennoch sind für die jährliche Aktionärsversammlung der Lufthansa im Berliner ICC am morgigen Donnerstag bereits neue Proteste geplant: Kundgebungen sind angekündigt, und im ICC werden vermutlich die Kritischen Aktionäre ihr Rederecht nutzen, um gegen die Abschiebemaschinerie zu protestieren.

Die geplante Flughafenblockade in Schönefeld bezieht sich aber nicht auf die Anti-Lufthansa-Kampagne, sondern genauso auf die jährlichen Grenzcamps an der ostdeutschen Außengrenze. Shudoda ist nämlich auch so eine Art Grenzcamp: Denn deutsche Flughäfen sind seit der Asylrechtsänderung 1993 eine nach innen verlagerte Außengrenze der Bundesrepublik Deutschland. Wer auf dem Landweg nach Deutschland kommt, hat kaum mehr eine Chance auf ein Asylverfahren, weil er oder sie durch ein angeblich sicheres Drittland gereist ist und dorthin zurückgeschoben werden kann.

1998 wurden rund 40 000 Abschiebungen auf dem Luftweg vollzogen. Über 9 000 BGS-Beamte sorgten bei den Flügen für eine reibungslose Abwicklung. Wenn sich Flüchtlinge wehren, wird vor Gewaltanwendung nicht zurückgeschreckt. Nach dem Erstickungstod des Flüchtlings Aamir Aageb ließ Innenminister Otto Schily (SPD) sogar einen neuen »Abschiebungshelm« mit »Beißschutz« entwickeln, der »freies Atmen in Stress-Situationen« garantieren soll.

»Dass für viele Flüchtlinge gerade die Flughäfen Grenzgebiet mit BGS-Hoheit sind, blieb bei unserer Arbeit bisher außen vor«, erklärt Wolff. Die Flughafenaktion sei daher eine Fortsetzung des Grenzcamps mit anderen Mitteln. Auch hier gehe es nicht ausschließlich um den staatlichen Rassismus, sondern es werde auch direkt die Bevölkerung mit dem antirassistischen Anliegen konfrontiert. »Schließlich tragen alle Verantwortung für die herrschende Ausländerpolitik.« Außerdem sollen Fluggäste ermuntert werden, Abschiebungen selbst zu verhindern. Protest der Reisenden hat, wie Wolff erklärt, bereits mehrmals zum Abbruch der Abschiebung geführt.

Trotz der Neuentdeckung der Grenze im Flughafengebäude Schönefeld und dem Shudoda-Day, soll es auch dieses Jahr wieder ein konventionelles Grenzcamp der Kampagne kein mensch ist illegal geben: Vom 29. Juli bis zum 6. August in Brandenburg. Geplant sind wie in den Vorjahren Aktionen gegen BGS-Einrichtungen, gegen Denunziantentum und Neonazi-Terror. »Wir werden wieder für aktive Fluchthilfe werben«, kündigt Wolff an. »Es geht uns - und hier verbietet sich Bescheidenheit - um Widerstand.« Inwieweit der ein symbolischer ist, wird sich ebenso wie bei der Flughafenblockade vermutlich erst hinterher herausstellen.

Die Proteste gegen die Aktionärsversammlung der Lufthansa am 15. Juni beginnen um 8.30 Uhr am ICC.
Weitere Infos zur Lufthansa:
www.deportation-alliance.com;
zur Flughafenblockade am 1. Juli:blockade.ods.org;
Kontakt:shudoda@gmx.de