Präsidentenwahlen in Mexiko

Ein Leader für Mexiko

Bei den Präsidentschaftswahlen in Mexiko bekommt der PRI-Kandidat Labastida Konkurrenz - vom rechten Populisten Fox.

Für Vicente Fox ist vieles ganz einfach. Innerhalb von drei Jahren will er Mexiko politisch und wirtschaftlich reformiert haben. Den verworrenen Konflikt im Bundesstaat Chiapas löst er nach einem 15minütigen Gespräch mit Subcomandante Marcos von den aufständischen Zapatisten. Arme Mexikaner gibt es am Ende seiner Regierungszeit nicht mehr. Korruption? Abgeschafft.

Bleibt nur ein kleines Problem: Fox muss am 2. Juli erst noch zum Präsidenten gewählt werden. Zumindest bis zu diesem Datum muss er sich in aller Bescheidenheit »Präsident im Übergang« nennen. Und wenn er Pech hat, wird nichts aus seinem Traum, Mexiko als »leader« - sein Substitut für den lateinamerikanischen »caudillo« - in die Zeit nach über 70 Jahren PRI-Herrschaft zu führen.

Tatsächlich ist Fox ein Phänomen, das nicht nur der PRI-Regierung und ihrem Kandidaten Francisco Labastida Sorgen macht. Der frühere Coca-Cola-Manager Fox, der sich immer noch mehr als Unternehmer denn als Politiker sieht, ist es gewohnt, sich durchzusetzen. Von seinem Gouverneursamt im nördlichen Bundesstaat Guanajuato aus bereitete er seine Kandidatur systematisch vor. Obwohl er nicht das Lieblingskind der konservativen Partei der Nationalen Aktion (Pan) war und ist, kam sie nicht daran vorbei, ihn zu nominieren. Gegenkandidaten gab es nicht.

Der nächste Schritt waren Verhandlungen mit der gemäßigt linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD) von Cuauhtemoc Cardenas über eine Einheitskandidatur, um die seit 1929 regierende Partei der institutionalisierten Revolution (PRI) abwählen zu lassen. Angesichts der unterschiedlichen politischen Ausrichtungen war dies der Versuch einer Quadratur des Kreises. Hinzu kam, dass weder Fox noch Cardenas ernsthaft die Absicht hatten, zu Gunsten des je anderen auf die eigene Kandidatur zu verzichten.

Inzwischen gelang es Fox, den Eindruck zu vermitteln, nur er könne die erforderlichen Stimmen zusammenbekommen, um Labastida zu schlagen. Ohne sich auf ein konkretes Regierungsprogramm festzulegen, lädt er alle Welt ein, ihm die Stimme für den Machtwechsel zu geben - über Inhalte könne man später reden. Je nach Zielgruppe macht er opportunistische Versprechungen, die zum Teil in Widerspruch zueinander stehen. In der Fernsehdebatte zwischen den sechs Präsidentschaftskandidaten lief er dem glatten Labastida eindeutig den Rang ab. Seitdem macht das Wort von der »nützlichen Stimmabgabe« die Runde: Cardenas als abgeschlagener Dritter habe keine Chance, jede Stimme für ihn erhöhe die Möglichkeit der PRI, an der Macht zu bleiben.

Umfragen zufolge liefern sich Labastida und Fox mit jeweils zwischen 40 und 45 Prozent der Stimmen ein Kopf-an-Kopf-Rennen, Cardenas hingegen werden höchstens 15 Prozent zugetraut. Die übrigen drei Kandidaten streiten sich um einen Achtungserfolg. Gewinnt Labastida, werden die PRD-Anhänger sich fragen, ob nicht doch der Pan-Kandidat Fox das kleinere Übel gewesen wäre. Andererseits vermuten viele nicht zu Unrecht, dass sich hinter dem Populisten Fox eine autoritär, reaktionär und frauenfeindlich eingestellte Figur verbirgt.

Noch Ende 1999 konnte die Regierungspartei PRI zuversichtlich sein. Nachdem Labastida sich in den ersten internen Vorwahlen der Parteigeschichte durchgesetzt hatte, machten hochkarätige Parteipolitiker seine Wahlkampfmannschaft zum dream team. Aber mit der Euphorie war es bald vorbei. Während Fox bei den Sympathiewerten in der Bevölkerung ständig zulegte, schaffte es Labastida, von Mal zu Mal schlechter da zu stehen. Eine Zeitlang war sein wichtigster Wahlkampfslogan, allen Schülern Englisch und Computerkenntnisse beizubringen - angesichts der immensen Armutsprobleme in Mexiko Anlass für eine Unzahl von Witzen. Der ehemalige Gouverneur, Agrar-, Energie- und Innenminister überzeugte auch nicht, als Mann des Systems eine »neue« PRI frei von Korruption und Vetternwirtschaft zu propagieren.

Das dream team wurde radikal umorganisiert. Jetzt sind die »Softies« wie Senator Esteban Moctezuma entmachtet, die Hardliner und so genannten Dinosaurier der Partei dagegen rehabilitiert. Auch die PRI-Gouverneure und die Staatsbeschäftigten sollen nun Wahlkampf für Labastida machen. Das weckt Befürchtungen, bei einem knappen Ergebnis könnte wie 1988 die Auszählung manipuliert werden. Immer noch ist die PRI die am besten organisierte Partei mit den meisten Stammwählern. Die zahlreichen staatlichen Sozialprogramme auf dem Land erreichen viele Millionen Menschen, wodurch die Behörden Druck auf die Stimmabgabe ausüben können, ohne dass offener Wahlbetrug nachgewiesen werden kann.

Der Lärm um die Präsidentschaftskandidaten übertönt zwei weitere wichtige Wahlereignisse am 2. Juli. Das Zwei-Kammer-Parlament wird vollständig erneuert und in Mexiko-Stadt wird über den neuen Bürgermeister entschieden. Bei den Parlamentswahlen 1997 verlor die PRI erstmals in ihrer Geschichte die absolute Mehrheit im 500köpfigen Abgeordnetenhaus. Im günstigsten Fall kann die PRI nun auf eine knappe Mehrheit hoffen, andernfalls wäre sie nur noch zweitstärkste Fraktion hinter der konservativen Pan.

In Mexiko-Stadt scheint sich die Überraschung der Bürgermeisterwahl von 1997 zu wiederholen. Trotz einer Dauerkampagne der großen Fernsehsender gegen die PRD-Regentschaft ist es diesmal der ehemalige PRD-Vorsitzende Andres Manuel Lopez Obrador gewesen, der das Kandidatenfeld von hinten aufrollte und nun scheinbar uneinholbar vor seinen Kontrahenten aus Pan und PRI führt. Der noch nicht endgültig entschiedene Versuch von Pan und PRI, Obrador die Kandidatur aus formalen Gründen gerichtlich verbieten zu lassen, machte diesen noch populärer.

Ein erneuter Erfolg im Hauptstadt-Distrikt könnte für die PRD überlebenswichtig sein, wenn sie sowohl bei der Präsidentschafts- wie auch der Parlamentswahl schwach abschneidet. Obrador ist einer der wenigen PRD-Politiker, denen zugetraut wird, in der Ära nach Cardenas die zahlreichen untereinander zerstrittenen Gruppen der Partei zu einen.