Flughafen-Ausbau in Frankfurt

Gateway zum Weltmarkt

Der Frankfurter Rhein-Main-Airport soll eine vierte Startbahn bekommen. Um einem Revival von Massenprotesten vorzubeugen, setzen Landesregierung und Flughafen-Betreiberin auf Konfliktmanagement durch Dialog.

Landtagshearings, Mediationsverfahren, Bürgerbeteiligung - die Planer der nächsten Erweiterung des Rhein-Main-Flughafens geben sich alle Mühe. Noch hat man bei der Flughafen-AG (FAG) nicht vergessen, wie vor bald 20 Jahren die Kämpfe gegen den Ausbau der Startbahn West tobten. Blockaden, Platzbesetzungen und militante Angriffe bestimmten das politische Geschehen.

Das soll heute vermieden werden, und deshalb setzen Landesregierung und FAG bei der jetzt geplanten nächsten Vergrößerung auf rechtzeitige Einbeziehung der Betroffenen. Vergeblich? Immerhin haben es rund 45 Bürgerinitiativen (BI) vorgezogen, bei einer dreitägigen Anhörung Mitte Mai vor der Wiesbadener Rhein-Main-Halle zu protestieren, statt im Saal über verschiedene Standorte der nächsten Piste zu streiten. Doch Lufthansa-Sprecher Grendel ist sich sicher: »Wenn der politische Wille besteht, wird man das Gelände für die vierte Bahn finden.«

Seit sich der Chef des Flugunternehmens, Jürgen Weber, Ende 1997 für den Bau einer weiteren Start- und Landebahn aussprach, entbrannte die Diskussion um die Bedeutung des Airports aufs Neue. Auch die zu jeweils einem Drittel im Besitz von Bund, Land Hessen und der Stadt Frankfurt befindliche Flughafen-Betreiberin FAG trommelte für einen weiteren Ausbau. Spätestens im Jahre 2005 seien die Möglichkeiten endgültig ausgereizt, hieß es von beiden Seiten.

Dass dadurch der ohnehin industriell und infrastrukturell überlasteten Region eine weitere ökologische Katastrophe droht, interessierte Betreiberin und Fluggesellschaft weniger. Vermeintlich ökonomische Sachzwänge dafür umso mehr: Bis zu 90 000 neue Arbeitsplätze wurden in der Presse gehandelt. Der Airport als Job-Maschine soll eine Steigerung der jährlichen Flugbewegungen von derzeit rund 420 000 auf zunächst 660 000 rechtfertigen. Immerhin: Seit Mitte der siebziger Jahre hat die Zahl der am Flughafen Beschäftigten um etwa 20 000 zugenommen, während die Industrie im gleichen Zeitraum zahlreiche Arbeitsplätze im Rhein-Main-Gebiet abgebaut hat.

Ohne den Flughafen als Rationalisierungskatalysator wäre die Umstrukturierung von Großfirmen wie Hoechst oder Opel kaum in diesem Tempo möglich gewesen. Die Entwicklung einer auf Just-in-time-Produktion basierenden Ökonomie erfordert eine Vernetzung mit geringen Reibungsverlusten. Da Management, technologische Entwicklung und Forschung zunehmend in den Metropolen belassen und gleichzeitig einfachere Produktionen in Billiglohnländer ausgelagert werden, braucht es eine bessere internationale Fracht- und Kommunikationsstruktur. Somit vergiftet der »Motor der Region« nicht nur in ökologischer Hinsicht die Atmosphäre: Den Rhein-Main-Flughafen als »Gateway zu den Weltmärkten« zu profilieren, bedeutet immer auch Entgarantierung auf dem Arbeitsmarkt und verschärfte Ausbeutung von Menschen.

Schon Anfang der achtziger Jahre wurden für die Erweiterung des Airports heftige Auseinandersetzungen in Kauf genommen, die mit der Räumung eines Hüttendorfs auf der Trasse der geplanten Startbahn 18 West ihren Höhepunkt fanden. Das Holzdörfchen im Startbahnwald, ein populärer Akt des Ungehorsams, hatte Betroffene aus der Region ebenso angezogen wie großstädtische Linke. 150 000 Menschen sorgten später für die wohl größte Demonstration in Wiesbaden, Zigtausende blockierten über Stunden den Flughafen, bis Polizei und Bundesgrenzschützer den Weg freiknüppelten. Über Jahre hinweg fanden Sonntagsspaziergänge zum Bauzaun statt, bei denen militante Autonome ebenso wie friedliche Anwohner ihrem Protest Ausdruck verleihen konnten.

Der politische und materielle Preis war also hoch. Trotzdem wurde die Startbahn 1984 in Betrieb genommen, Staat und FAG hatten sich durchgesetzt. Viele Gegner und Gegnerinnen zogen sich resigniert aus der Protestbewegung zurück, am 2. November 1987 beendete die Erschießung zweier Polizisten auf einer Demonstration anlässlich der Hüttendorfräumung die Aktivitäten der aus der sozialen Bewegung Übriggebliebenen.

Vorläufig. Nachdem die neuen Ausbaupläne bekannt wurden, schlossen sich im März 1998 zunächst 14 Gruppen zu einem Bündnis der Bürgerinitiativen gegen die Flughafenerweiterung - für ein Nachtflugverbot zusammen. Dieses Bündnis, das mittlerweile auf 45 Initiativen angewachsen ist, umfasst Bund-Ortsgruppen und Stadtteilinitiativen ebenso wie außerparlamentarisch orientierte radikallinke Gruppen. Die altgedienten Autonomen betrachten das Treiben jedoch eher mit Verwunderung und Distanz.

Was Betreiber und Landesregierung nicht davon abhält, die bloße Existenz neuer Initiativen mit tiefster Besorgnis zu betrachten. Zeitgleich zur PR-Kampagne »Job-Maschine« begann deshalb bereits die damalige rot-grüne Regierung das Projekt »Konfliktmanagement durch Dialog«. Das »faire Verfahren mit offenem Ausgang«, wie der frühere Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) das Mediationsverfahren ankündigte, sollte unkalkulierbare Konflikte und eine starke Protestbewegung vermeiden helfen. In einer von neutralen Mediatoren geleiteten Runde sollten Befürworter und Gegner miteinander diskutieren, um die Interessen des Anderen nachvollziehen zu können. Kooperative Konfliktbewältigung: Auch Kritiker und Kritikerinnen sollten an einer Lösung der »Zukunftsfragen der Region« mitwirken. Die Botschaft: Wer sich zu Wort meldet, wird nicht zurückgewiesen, sondern als Teil der Aktiv-Demokratie betrachtet.

Die BI haben sich im Sommer 1998 diesem Verfahren nach längeren Diskussionen verweigert. Nachdem auch die großen Naturschutzverbände ihre Teilnahme ablehnten, war zu hoffen, dass wieder die Mittel des direkten Protestes den Widerstand prägen würden. Doch bislang bewegt man sich vor allem auf der Ebene von Information, Mitgliederwerbung und Internet-Agitation. Die noch seltenen ersten Demonstrationen hinterließen dennoch ein positives Echo. Wie der Widerstand weitergehen wird, hängt nun nicht zuletzt vom radikaleren BI-Flügel ab. Die alte Niederlage im Kampf gegen die Startbahn West trägt natürlich dazu bei, mit allen Formen von ungeregeltem Agieren und konfrontativem Verhalten äußerst vorsichtig umzugehen.

Die hessische Landesregierung hat den Initiativen indes angeboten, an einem so genannten Dialogforum teilzunehmen, wenn sie denn den Ausbau akzeptieren. Dort darf über Themen wie etwa die Folgen des gesteigerten Flugverkehrs gesprochen werden. Nachdem es seit 20 Jahren den Grünen überlassen blieb, die Ökologiebewegung parlamentarisch zu integrieren, setzt nun auch die christlich-liberale Wiesbadener Regierung darauf, explizit außerparlamentarisch arbeitende Gruppen kooperierend einzubinden.

Die Resultate einer Forschung über die »Entradikalisierung der Umweltbewegung« wurden jedenfalls hocherfreut zur Kenntnis genommen. Demnach, so heißt es in der Zeitschrift Neue Soziale Bewegung, hat sich »das Pendel zwischen Konflikt und Kooperation in der Entwicklung der Umweltbewegung insgesamt von der konflikthaften Mobilisierung verschoben in Richtung auf kooperative Problemlösung«. Trotz aller Bemühungen der Regierung, an diese Tendenz anzuknüpfen, spricht vieles dafür, dass das Misstrauen gegenüber der neuen Integrationsstrategie stärker wird, als es schon beim Mediationsverfahren der Fall war.