Sportwetten auf Deutschland

Ideologie-Test

Egal, was passiere, man sei gegen die deutsche Elf, posaunen vor jeder Fußball-EM oder -WM sich selbst für links und erwiesene Antifußballdeutsche haltende und dies auch theoretisch gut begründen könnende Gestalten heraus. Klar seien sie für den Gegner, denn Matthäus und Co. könnten sie sowieso nicht leiden. Und dann das: Kaum hat sich die deutsche Auswahl völlig ungerechtfertigt den ersten Treffer erkämpft (hohe Flanke in den gegnerischen Strafraum, Kopfball Bierhoff, Tor), brechen sie in lauten Jubel aus, feuern fortan massiv den deutschen Elitekader an und erklären entschuldigend, angesicht einer derart guten Vorstellung bleibe einem ja nichts anderes übrig, als den DFB-Kickern die Daumen zu drücken.

Was natürlich immer gelogen ist, denn so brillant, dass man in echte Gewissensnöte kommen könnte, haben sich deutsche Nationalspieler noch niemals in der Geschichte des Fußballs präsentiert. Das macht es eigentlich sehr einfach, ein konsequent antideutscher Fußball-Fan zu sein.

Trotzdem ist es hin und wieder notwendig, sich selbst auf ideologische Standfestigkeit hin zu überprüfen. Am einfachsten geht das mit Sportwetten. Das Prinzip ist simpel: Man setzt 100 Mark auf Deutschland als den kommenden Meister. Wenn die Truppe dann schon in der Vorrunde rausfliegt, ist das ein derartiger Glücksfall, dass das bisschen verlorene Geld nicht weiter ins Gewicht fällt. Wenn sich die deutsche Elf aber wie gewohnt ins Endspiel mogelt und dort in gewohnter Manier (hohe Flanke in den gegnerischen Strafraum, Kopfball Bierhoff, Tor) gewinnt, dann kann man sich wenigstens über das Schmerzensgeld freuen. Derzeit beträgt bei den Buchmachern die Quote 9:1.

Was so simpel klingt, ist in Wirklichkeit ein echter Test. Wird man in einem Endspiel mit deutscher Beteiligung für den Gegner sein? Die Ribbecks schmähen und sich an jeder gelungenen Aktion der anderen freuen, wenn viel Geld auf dem Spiel steht? Oder wird man doch heimlich darauf hoffen, dass die gegnerische Abwehr pennt und die deutsche Taktik (hohe Flanke in den gegnerischen Strafraum, Kopfball Bierhoff, Tor) wieder erfolgreich ist?

Schwer zu sagen. Deswegen ist der Gang ins Wettbüro bei dieser Europameisterschaft unumgänglich. Und dort ist dann alles ganz simpel. Die aktuellen Quoten hängen aus, man muss nur einen Schein ausfüllen, den fälligen Betrag plus 15 Prozent Steuern bezahlen und abwarten.

Wenn es dann tatsächlich zu Deutschland im Endspiel kommt, sollte man möglichst allein sein. Denn jahrelang alle anderen beschimpft zu haben, weil sie umfielen und plötzlich die DFB-Kicker anfeuerten und nun selber mit verkrampften Händen und starrem, verzweifeltem Blick dazusitzen, bloß weil der Bierhoff trotz der maßgenauen hohen Flanken ums Verrecken seine Kopfbälle nicht im gegnerischen Tor unterbringt, macht keinen wirklich guten Eindruck.

Falls man das Endspiel jedoch zu Hause vor dem Fernseher ohne jeden deutschlandunterstützenden Ausfall hinter sich gebracht und dabei keinen Gedanken an das potenziell viele Geld verschwendet hat, dann kann man wirklich stolz auf sich sein. Und beim nächsten Mal erst recht die blöden anderen beschimpfen.