Camp David und die Folgen

Staat als Chance

»Der Himmel ist nicht heruntergefallen, als Barak in Camp David den Staus quo in Frage stellte« - Mark A. Heller drückte in der Jerusalem Post aus, was viele Israelis in den letzten Wochen dachten. Nur Monate vor dem Camp-David-Gipfel schien undenkbar, dass die israelische Regierung bereit sein könnte, den Status der »ewigen und unteilbaren Hauptstadt« zur Disposition zu stellen.

Ebenso unvorstellbar erschien eine Einwilligung, einige Hunderttausend Flüchtlinge im Rahmen eines Rückkehrgesetzes, wie es in der UN-Resolution 194 geregelt ist, aufzunehmen. Kurz: Tabus, die seit 1967 maßgeblich das israelische Selbstverständnis bestimmt haben, sind gebrochen, eine Lösung des Nahostkonflikts auf Regierungsebene schien nahe. Entsprechend enttäuscht reagierte die israelische Friedensbewegung, als das Ergebnis des Gipfels bekannt wurde.

Es muss für diese Israelis hart gewesen sein, die Bilder von jubelnden Massen im Gaza-Streifen und der Westbank zu sehen, die ihren Präsidenten als Nationalhelden feierten. Und doch birgt Arafats »Nein« eine Chance: Seit Jahren war zu beobachten, wie selbst erklärte palästinensische Befürworter des Friedensprozesses sich desillusioniert von den Resultaten des Oslo-Abkommens distanzierten. Das Gefühl, einmal mehr in der Geschichte verraten worden zu sein, lähmte jede Initiative und stärkte die islamistische Fundamentalopposition der Hamas.

Durchaus möglich scheint nun, dass Arafats unnachgiebige Haltung militante Gegner des Friedensprozesses zumindest kurzzeitig ausbremst. Es könnte sich, will man dem Scheitern von Camp David noch ein positives Ergebnis abgewinnen, nun vor dem Hintergrund dieses als Sieg gegen die übermächtig erscheinenden Israelis und Amerikaner empfundenen Gipfels eine neue Kompromissbereitschaft entwickeln; erstmals seit Jahren herrscht in den palästinensischen Gebieten nicht mehr das Gefühl vor, nur aus einer Position der Schwäche zu verhandeln.

Denn mit weiteren fundamentalen Zugeständnissen der Israelis in den strittigen Fragen kann nicht gerechnet werden. Baraks Vorschläge stellten die Grenze dar, die kein israelischer Regierungschef überschreiten kann, ohne harte Konflikte im eigenen Land zu riskieren. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Palästinenser dieser Tatsache bewusst sind, und sich nicht, wie schon 1947, als sie den UN-Teilungsplan ablehnten, an populären Maximalforderungen berauschen, um dann erneut alles zu verlieren. Zwar wären sie sich in diesem Fall der Unterstützung sämtlicher Islamisten und Antizionisten der Welt sicher, nur zogen diese in den letzten 53 Jahren zum Glück den Kürzeren.

Ein Umstand, der aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen kann, dass auf beiden Seiten religiöse und reaktionäre Kräfte die Entwicklung bestimmen. Dies zeigt sich symptomatisch daran, dass die Frage, welche Fahne künftig auf welchem Heiligtum flattern soll, die Gemüter weit mehr erhitzt, als etwa das Schicksal Hunderttausender Menschen in den Flüchtlingslagern. Deren Zukunft scheint leichter verhandelbar - weil irrelevanter - als die nationalistisch und religiös aufgeladene Souveränitätsfrage. Momentan bleibt daher den geschwächten linken und säkularen Gruppen auf beiden Seiten wenig mehr, als diese religiös bestimmte Diskussion zu affirmieren, anstatt mit eigenen Konzepten initiativ zu werden.

Erst die Gründung eines palästinensichen Staates birgt die Hoffnung, dass die sozialen, politischen und ökonomischen Probleme, die auf gemeinsame Lösungen jenseits religiöser und nationalistischer Ideologeme warten, angegangen werden können. Ein Dilemma, das der palästinensische Professor Sari Nusseibeh, ein prominenter Gegner palästinensischer Eigenstaatlichkeit, kürzlich formuliert hat: Nur die baldige Ausrufung eines eigenen Staates könne noch die Grundlage für eine zukünftige bi-nationale Lösung des Konfliktes bilden.