Nach den Anschlägen in Düsseldorf und Wuppertal

Phantome gegen Rechts

Seit dem Bombenanschlag von Düsseldorf ist die Zahl rechter Delikte in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt gestiegen. Rechte Täter fanden die Ermittler aber nur für den Brandanschlag in Wuppertal.

Der Bundesvorstand der Jungen Nationaldemokraten machte kurzen Prozess. Anfang September wählten die jungen Kameraden den Chef des nordrhein-westfälischen NPD-Jugendverbandes, Torsten Crämer, einfach ab. JN-Pressesprecher Tobias Bär lieferte die fadenscheinige Begründung: Crämer habe seine Beteiligung an einem »Vorfall auf einer Gedenkstätte« Anfang Juli gestanden, die Jungnationalen aber lehnten »Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele entschieden ab«. So entschieden, dass die Friedensapostel schon anderthalb Monate nach Crämers Geständnis die Konsequenzen zogen.

Eines jedoch verschwieg JN-Kader Bär, als er die Entlassung des NRW-Chefs begründete. Crämer war nicht nur an besagtem »Vorfall« beteiligt, sondern gilt der Wuppertaler Staatsanwaltschaft als Rädelsführer der Skinhead-Attacke auf Holocaust-Überlebende und junge Antifaschisten. Auch mehrere seine Mittäter führten Parteibücher der NPD mit sich, als sie Anfang Juli auf dem Gelände der Wuppertaler KZ-Gedenkstätte Kemna zuschlugen. Rund 20 vermummte Rechtsextremisten attackierten damals Gedenkstättenbesucher mit Baseballschlägern, Steinen und Tränengas. Ein Nazi-Gegner erlitt Platzwunden am Kopf, die Polizei nahm vier Täter fest. Kurz darauf wurde auch Crämer, NPD-Stadtrat in der Wuppertaler Nachbarstadt Schwelm, dingfest gemacht. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Doch auch ohne ihn geht der rechte Terror in der Region Wuppertal weiter.

Samstag, 23. September, fünf Uhr morgens. Von einer Party im Wuppertaler Stadtteil Wichlinghausen dröhnt Skinheadmusik. Die Anwesenden saufen und schwärmen von »brennenden Asylantenheimen«. Schließlich sind sie des Redens überdrüssig. »Wir müssen auch mal was gegen die Asylanten tun«, sagt einer. Sieben der Skins kaufen in einer Tankstelle Benzin. Dann fahren sie in die Kreuzstraße und werfen zwei Molotowcocktails auf ein Übergangswohnheim für jugoslawische Flüchtlinge. Einer der Brandsätze landet in einem Kinderzimmer im Erdgeschoss und entzündet eine Matratze. Nur durch Zufall kommen die beiden Kinder einer kosovo-albanischen Familie mit einem Schock davon: Bewohner des Heimes entdecken den Brand rechtzeitig und werfen die Matratze auf die Straße, wo sie ausbrennt.

Die mutmaßlichen Täter, vier Männer und drei Frauen, allesamt zwischen 16 und 24 Jahren alt, werden noch am selben Morgen festgenommen. Während die Frauen von der Staatsanwaltschaft als »Mitwisserinnen« eingestuft und entlassen werden, landen die Männer in Untersuchungshaft. Gegen sie wird seit Anfang letzter Woche wegen versuchten Mordes und besonders schwerer Brandstiftung ermittelt. Einer der Täter hat mittlerweile ein Geständnis abgelegt, und auch die Indizien sind deutlich. In einem Pkw fand die Polizei einen Benzinkanister sowie Flaschen, wie sie bei der Tat benutzt wurden. In den Wohnungen der Tatverdächtigen stellte die Polizei »Schriftmaterial aus der Skinheadszene«, CDs sowie Reichskriegsflaggen sicher.

Auch mit ihrem Alkoholpegel werden sich die Jungmänner nicht herausreden können. Eine Blutprobe habe Werte zwischen 0,7 und 1,5 Promille ergeben, erklärte Staatsanwalt Anton Deventer. Zudem seien die Täter gerichtsbekannt. Drei von ihnen haben Vorstrafen wegen Gewaltdelikten und Körperverletzung am Hals, zwei wegen des Besitzes und der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Den Stadtvätern von Velbert dürfte der Brandanschlag noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten, sollen die Täter doch im städtisch finanzierten Jugendzentrum »Zum neuen Krug« verkehrt haben, das eine Kneipe war, bis der griechische Wirt von Nazis weggeekelt wurde. Seit einiger Zeit haben die Glatzen dort das Kommando übernommen. »Die völlig überforderten jungen Mitarbeiter des Zentrums kommen dagegen nicht an«, sagt Günter Judick, Vorstandsmitglied der örtlichen PDS.

Unter den rechten Besuchern des Zentrums sind auch immer wieder Angehörige des Siepensturms anzutreffen, die in der Vergangenheit Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative gegen Rechts terrorisiert haben.

In Schwelm wiederum, der Heimatstadt des geschassten JN-Chefs Crämer, lernen sich Antifas und Skins bereits in der Schule kennen. Telefonische Morddrohungen gegen Linke sind in der Kleinstadt an der Tagesordnung, doch seit ein paar Wochen scheint es, als ob die Rechten den Drohungen Taten folgen lassen.

So griffen Mitte September zwei maskierte Rechte einen Antifaschisten am hellichten Tag mit Messern an. »Sie wollten mich abstechen«, kommentierte der 16jährige, der schließlich fliehen konnte, den Vorfall und erstattete Anzeige wegen Mordversuchs. Die Ermittlungen des polizeilichen Staatsschutzes laufen, die Täter aber seien unbekannt, heißt es noch heute bei der Polizei.

Dieselbe Antwort erhält, wer sich nach dem Stand der Ermittlungen zum Düsseldorfer Bombenanschlag erkundigt. Über zwei Monate nach der Zündung einer Handgranate in der Nähe des S-Bahnhofs Wehrhahn, bei dem mehrere jüdische Kontingentflüchtlinge aus der früheren Sowjetion schwer verletzt wurden, gibt es immer noch keine Spur zu den Tätern. In der vorletzten Woche gingen die Ermittlungsbehörden gar mit Phantombildern an die Öffentlichkeit - aber nicht von den Tätern, sondern von zwei Zeugen, die sich bisher nicht gemeldet haben.

Lediglich der Militariahändler Ralf S., in dessen Geschäft die nationalsozialistische Kameradschaft Düsseldorf ein und aus geht, wird weiter als Beschuldigter geführt. Doch einen dringenden Tatverdacht sehen die Behörden trotz Verhörs und Hausdurchsuchung nicht.

Die Rechtsextremisten fühlen sich durch die zögerlichen Ermittlungen bestätigt. Die Zahl der bekannt gewordenen rechtsextremen und ausländerfeindlichen Straftaten ist in Düsseldorf nach dem Sprengstoffanschlag gestiegen, seit Juli nahm die Polizei in der Landeshauptstadt 17 Anzeigen auf, während sie im halben Jahr zuvor auf lediglich 23 rechte Straftaten kam. Doch damit nicht genug. Am 28. Oktober will die Kameradschaft Düsseldorf mit einer Großdemonstration gegen die »zunehmende Repression des nationalen Widerstandes« nach dem Bombenanschlag auf die Straße gehen, und der Rechtsrock-Verleger Torsten Lemmer rechnet am 4. November mit 2 000 Anhängern vor dem Rathaus.

Aber auch die Zivilgesellschaft macht mobil. Am 16. September folgten mehrere hundert Düsseldorfer einem Aufruf von SPD, Grünen und des DGB und demonstrierten auf dem Rathausplatz gegen »Rechte Gewalt«. Was dort neben der Demonstration noch geschah, liest sich in der - linker Umtriebe unverdächtigen - Rheinischen Post wie folgt: »Als Neonazis am Samstag Nachmittag eine Schlägerei auf dem Marktplatz anzettelten und Reizgas sprühten, sahen etwa 300 Menschen unbeeindruckt in die andere Richtung - sie waren Teilnehmer einer Kundgebung des Düsseldorfer Appells und beklatschten dessen Forderung nach ðMut gegen RechtsÐ.«

Immerhin wurde die Polizei aktiv: Sie nahm fünf Personen vorübergehend fest - darunter zwei Rechte.