Die Nach-Olympia-Zeit

Revolution im Spiegel

»Wenn die Spiele vorbei sind, werden viele Menschen in ein Schwarzes Loch fallen« , erklärte die australische Psychologin Helen Crossing. Und meinte damit nicht nur die Sportler, die sich vier Jahre lang auf die Olympiade vorbereitet hatten und für die sie in der nächsten Zeit Probleme erwartet, sondern auch die ganz normalen Zuschauer. 14 Tage lang hätten die ihr Leben ebenfalls dem Zeitplan der Wettkämpfe untergeordnet, das Privatleben weitgehend ausgesetzt und berufliche Entscheidungen vertagt, und nun hole der Alltag sie langsam wieder ein. Mitsamt den Problemen, die, so sieht es Crossing, Èeinfach nur weggeschoben worden sind. Empfehlungen, wie man möglichst unbeschadet und langsam wieder von den Olympischen Spielen runterkommen könnte, gab sie jedoch nicht. Dabei ist das wirklich einfach: Man bereitet sich auf die nächste Olympiade vor. Schließt Langzeitwetten über die nächsten Demonstrationssportarten (Formel 1, Billard, Kickern) und die Länge des in vier Jahren wieder drohenden Krachs im deutschen Schwimmerlager« ab. Oder man versucht, den Nachwuchs im Auge zu behalten, damit man nicht von Überraschungssiegern wie Nils Schumann (»Er kann alle drei Strophen der Nationalhymne auswendig«, Bild) den Tag versaut bekommt. Wer damit fertig ist, kann sich noch ein paar wichtige Reformen Überlegen, die Überfällig sind. Zum Beispiel die Abschaffung des strikten Regelbefolgens, der Fernsehkommentatoren oder der hässlichen Klamotten, die einige Leute in fremder Länder Stadien zu tragen pflegen. Allein damit lässt sich gut eine nacholympische Woche verbringen. Und da ist ja auch noch der Medaillenspiegel, eine besonders unerfreuliche Angelegenheit, die verboten gehört. Weil man aber damit rechnen muss, dass es immer wieder Menschen geben wird, die Gold-, Silber- und Bronzemedaillen verschiedener Länder zusammenrechnen, muss eben die Medaillenberechnung revolutioniert werden. Das Prinzip könnte ebenso einfach wie deutschlandfeindlich sein. Medaillen, die in hilfsmittelbenötigenden Sportarten wie Fechten, Kanufahren, Dressurreiten, Radeln oder auch Bobfahren erreicht werden, zählen nur als halbe Einheit, da nicht die sportliche Leistung, sondern die Materialqualität den Ausschlag gibt. Wenn zusätzlich ein Sportler Abonnements-Sieger in einer Sparte ist und alle vier Jahre gewohnheitsmäßig Gold, Silber oder Bronze abräumt, würde ebenfalls ein halber Punkt abgezogen. Denn das Publikum zu langweilen gehört zu den verbotenen olympischen Disziplinen. Falls es einem Ländervertreter dagegen gelingt, erstmals eine Medaille in einer Sportart zu erreichen, dann zählt diese doppelt, ebenso wie Medaillen, die ein Sportler sich trotz Schiedsrichterfehler um den Hals hängen lassen darf. Mit diesen winzigen Änderungen sähe jeder Medaillenspiegel viel ansprechender aus. Und würde nicht ständig in allen deutschen Zeitungen großformatig abgedruckt und so Platz für wirklich wichtige Nachrichten wegnehmen.