Annäherung zwischen SPD und PDS

Entspannung am Marx-Engels-Forum

Die PDS-Vorsitzende von Berlin sieht sich genötigt, Fusionsgerüchten entgegenzutreten. Doch es mehren sich die Stimmen, die spätestens 2003 eine Koalition zwischen SPD und PDS wollen.

Ist die PDS eine Partei, von der man regiert werden möchte? Wer diese Frage mit Ja beantwortet, hat neuerdings allen Grund zur Freude. Elf Jahre nach dem Fall der Mauer bereitet sich die politische Klasse der Hauptstadt auf eine rot-rote Regierung vor. Beinahe überstürzt wirft sich die SPD den Sozialisten an den Hals, so wie jemand, der seine Liebe erst im letzten Moment zu gestehen bereit ist. Zu einer Zeit, da das Objekt der Begierde bereits über die Klinge zu springen droht.

Ist die PDS eine demokratische Partei? Zehn Jahre lang hatte die politische Konkurrenz diese Frage mit einem entschiedenen Nein beantwortet. Genützt hat diese Antwort allen: der CDU, die durch die Ausgrenzung der PDS die Sozialdemokraten in die Große Koalition zwang; den Grünen und der SPD, die zu ihrem eigenen Bedauern mit der PDS um das alternative und sozialdemokratische Wählerpotential in der Hauptstadt konkurrieren mussten. Und zu guter Letzt der PDS selbst, die nicht in die Verlegenheit kam, die eigenen politischen Konzepte auch umsetzen zu müssen. Eine politische Offenbarung, wie sie die Grünen seit zwei Jahren auf Bundesebene erleben, ist den demokratischen Sozialisten nur deshalb erspart geblieben, weil Koalitionsangebote ausgeblieben sind.

Beim nächsten Mal aber soll alles anders werden. SPD-Strategen machen sich seit einiger Zeit daran, die bisher ausgegrenzte PDS koalitionsfähig zu reden. Dabei haben die Sozialdemokraten in erster Linie gegen ihre Propaganda von gestern anzukämpfen. Hatte man zuvor einen bolschewistischen Pappkameraden aufgebaut, geht es nun darum, dessen Harmlosigkeit zu beweisen. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn sich der gescheiterte SPD-Spitzenkandidat Walter Momper, der noch vor einem Jahr eine Zusammenarbeit mit der PDS strikt abgelehnt hatte, am 3. Oktober auf den Alexanderplatz stellt und dort mit der PDS-Landesvorsitzenden Petra Pau Einigkeit demonstriert. »Jede demokratische Partei kann mit jeder demokratischen Partei koalieren«, verkündete Momper plakativ. Das allerdings machen Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern schon seit zwei Jahren. Trotzdem war das Einvernehmen zwischen dem Westberliner Sozi und der Ostberlinerin Petra Pau so groß, dass diese am Ende betonen musste: »Eine Vereinigung der beiden Parteien steht nicht zur Diskussion.«

Ihre Trumpfkarte für die nächsten Abgeordnetenhauswahlen hat die PDS bereits ausgespielt. Gregor Gysi, zurückgetretener Chef der Bundestagsfraktion, soll Eberhard Diepgen als Regierender Bürgermeister folgen. Gysi selbst betont hartnäckig, er wisse noch nicht, ob er für das Amt zur Verfügung stehe. Von seiner Partei wird er dagegen bereits kräftig gefeiert. Schließlich wäre Gysi die optimale Besetzung für eine PDS-Kandidatur: Er verfügt über eine hohe Popularität und wohl als einziger PDS-Politiker über die notwendige Akzeptanz bei den möglichen Koalitionspartnern.

Dass sich die SPD auf eine Koalition unter Gysis Führung könnte, scheint zwar zweifelhaft, ist aber nicht auszuschließen. Der sozialdemokratische Landesverband ist zerstritten und zeigte sich bisher nicht in der Lage, einen Kandidaten zu präsentieren, der Gysi das Wasser reichen könnte. Im Wahljahr 1999 musste man sich ob dieser unangenehmen Situation mit dem Recycling von Walter Momper behelfen. Fürs nächste Mal spekuliert so mancher in der Partei bereits über Verstärkung von außen, weil in der Landespartei die entsprechenden Formate fehlen. Immerhin wurde Gysi bereits nach dem Parteitag in Münster im Juni die Aufnahme in die SPD angeboten. Weshalb also sollte die SPD 2004 nicht einen Regierenden Bürgermeister Gregor Gysi akzeptieren?

Aber auch der Bundes-PDS käme diese Situation zupass. Eine Regierungsbeteiligung in der Hauptstadt würde der Partei das nötige politische Gewicht verleihen, um nicht völlig von der medialen Bildfläche zu verschwinden. Abgesehen davon: Bräuchte es noch einen Beweis, dass die PDS auf Bundesebene prinzipiell koalitionsfähig und von der Ausrufung der sozialistischen Republik Lichtjahre entfernt ist, wäre dieser durch eine Beteiligung an der Landesregierung in der Hauptstadt endgültig erbracht.

Es ist zu erwarten, dass die demokratischen Sozialisten, die bisher kaum durch harte Oppositionspolitik in der Hauptstadt aufgefallen sind, in den kommenden Jahren noch konstruktiver agieren werden, als es ihre politischen Gegner erwarten. Das beste Mittel zur Entlarvung der PDS dürfte aus dem Versprechen bestehen, sie an jener Politik zu beteiligen, die sie heute noch verurteilt. Das dient allerdings nicht der Profilierung als Oppositionspartei, denn auch die potenziellen NachfolgerInnen von Petra Pau stehen für den PDS-Regierungskurs. Selbst Sahra Wagenknecht, Mitglied der Kommunistischen Plattform, hat vorgeschlagen, schon jetzt einen Katalog von Minimalforderungen für eventuelle Koalitionen zu entwerfen, an dem die Partei im Ernstfall die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung prüfen kann.

Gute Unterhaltung aber ist durch die neue Ausgangslage allemal garantiert. Dafür wird die CDU sorgen, die große Verliererin der rot-roten Annäherung. Ihre Aussichten auf eine dauerhafte Regierung mit der schwachen SPD scheinen endgültig dahin. Immer mehr Bürger auch im Westteil der Stadt würden eine PDS-Beteiligung im Roten Rathaus zumindest akzeptieren. Hier sprechen sich 21, im Osten 46 gar Prozent der Wähler für eine Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS aus. Fast zwei Drittel aller Berliner sind unzufrieden mit der Großen Koalition.

Klaus Landowsky, Fraktionsvorsitzender der CDU im Abgeordnetenhaus, hat bereits ein antikommunistisches Rollback ausgerufen, um das Schlimmste für seine Partei zu verhindern. Dass diese Strategie für die CDU zwar die bestmögliche, aber trotzdem eine aussichtslose Option ist, zeigten bereits die Querelen um den ersten PDS-Bürgermeister im Großbezirk Kreuzberg-Friedrichshain. Die CDU warnte entschieden vor dem Einzug des Kommunismus, obwohl mit der Wahl von Dieter Hildebrandt allenfalls ein durch und durch bodenständiger Bezirksbürgermeister anstand. Doch die CDU hatte Glück. Nachdem ihm Unregelmäßigkeiten beim Bau einer Sporthalle vorgeworfen wurden, zog Hildebrandt seine Kandidatur zurück.