Das deutsch-türkische Magazin »Persembe«

Anti-Ethno muss sein

Liegt der taz bei, macht aber alles anders: das deutsch-türkische Magazin Persembe.

»Wir haben die Nase voll von der Rezeption durch die Deutschen«, sagt Ömer Erzeren, Chefredakteur der Wochenzeitung Persembe. Erzeren, der auch Türkei-Korrespondent der taz und der Zürcher Wochenzeitung WoZ ist, pendelt seit Jahren zwischen Berlin und Istanbul. Für die Anfangsphase von Persembe hat er sich als verantwortlicher Redakteur in Berlin verpflichten lassen. Die zweisprachige Zeitung erscheint nun seit September jeden Donnerstag mit acht Seiten und wird der taz beigelegt.

Zwischen Lidl und Döner IX befinden sich die Redaktionsräume von Persembe in der Kreuzberger Charlottenstraße. Gegenüber ist das Arbeitsamt. Das in den siebziger Jahren errichtete Gebäude, als Einkaufszentrum in einem halbwegs prosperierenden Viertel geplant, wirkt etwas heruntergekommen. Einige Einheiten stehen leer. Durch die Glasfassade sieht man in die zwei ebenerdig gelegenen, winzigen Räume der Redaktion. Geschäftsführer Alper Öktem hantiert mit einem Schraubenzieher an einem kaputten weißen Plastik-Klappstuhl. »Was soll ich machen, den kann man doch nicht einfach wegschmeißen?«

Öktem betreibt als Macher im Hintergrund routiniertes Understatement. Man braucht sich davon nicht täuschen zu lassen. Bevor er sich auf das Persembe-Experiment einließ, beschäftigte der linke und heute grüne Politiker schon den deutschen Presserat mit der einen oder anderen Beschwerde. Er lenkte damit die öffentliche Aufmerksamkeit auf die rechten, in der Bundesrepublik vertriebenen Massenblätter aus der Türkei. Etwa auf den Marktleader Hürriyet, wenn der in seiner Europaausgabe mal wieder Weisheiten wie »Das italienische Volk ist ein Lügner« in der türkischen Community ausstreuen ließ.

Den extrem nationalistischen Positionen in den Europaausgaben fallen die in den eher meinungspluralistisch orientierten Heimatausgaben noch enthaltenen differenzierteren Positionen regelmäßig zum Opfer. Auch ein Umstand, der zur Gründung von Persembe führte. Mit dem von Öktem aufgebrachten Startkapital und einer etablierten deutsch-türkischen Werbeagentur im Rücken, versucht die Persembe-Redaktion neben der taz-Klientel vor allem Leser und Leserinnen aus der deutsch-türkischen Community zu gewinnen.

Auf etwa zehn bis 20 Prozent schätzt Erzeren das Potenzial unter den mehr als zwei Millionen türkischen Deutschen und deutschen Türken, die sich weder von der türkischen noch von der deutschen Mehrheitskultur repräsentiert oder angesprochen fühlen. Eine große Zielgruppe, die auch schon andere zu erreichen versuchten. So erschienen zum Jahreswechsel einige Ausgaben von Etap, dem »Magazin für modernes deutsch-türkisches Leben«. Das Hochglanzmagazin setzte vorwiegend auf Lifestyle und Konsumberatung.

Das redaktionelle Anti-Diskriminierungsprogramm basierte auf der Zurschaustellung jugendlicher und schöner Menschen, auf Ethno-Schick und der Über-Affirmation von Jugendkultur und Freizeitgesellschaft. Dass man aber einfach durch eine Haar- oder Hauttönung an den schönen Verhältnissen teilhaben könnte, dass wollten doch nicht so viele im Abo lesen. So verpulverte Etap einen Millionenetat und war nach einigen Monaten pleite.

Im Vergleich dazu wirkt der Versuch von Persembe sicherlich bescheiden. Die wöchentlichen acht Seiten, schwarz-weiß und im Tageszeitungsformat, sind um Seriosität bemüht. Die Redaktion erzählt in einer eher gesellschaftlichen Betrachtungsweise von kleineren und größeren, den politischen Alltag strukturierenden Begebenheiten in der Türkei oder in Deutschland. Nicht die Themen sind hierbei das Besondere, sondern eine explizit anti-ethnizistische Schreib- und Sichtweise der deutschen oder türkischen AutorInnen. Mit Berichten über »Rentable Liebschaften« aus Antalya, die Kaplan-Döner-Fabrik in Schönwalde oder das Gebaren der islamistischen Jet-Pa-Holding - durch kleine Perspektivverschiebungen und einen selbstreflexiven Sprachgebrauch kommt eine für hiesige Verhältnisse äußerst aufklärerische Kommunikation zustande.

Sind doch alltägliche Themen und Ereignisse aus dem Milieu der Zugewanderten in der deutschen Öffentlichkeit fast vollständig ausgeblendet. Mit der taz hat Persembe, so scheint es auf den ersten Blick, einen idealen Träger gefunden. Auf den zweiten sieht das etwas anders aus. Darüber hegt man in der Redaktion auch keinerlei Illusionen. Und das nicht nur, weil die vor mehr als 20 Jahren gegründete taz diesen Herbst mal wieder vor dem finanziellen Ruin steht. Es fördert auch stets Wundersames zu Tage, wenn die Links-Alternativen mit Persembe für sich Werbung machen.

Ein taz-Reporter wählte als Aufhänger seiner großen Persembe-Story eine Pizza mit Ömer Erzeren. »Er teilt sie sich mit seiner deutschen Kollegin Antje Bauer: Sie nimmt die Häfte mit, er die ohne Schinken.« In Wirklichkeit war es genau umgekehrt. Erzeren aß den Schinken.

Zur Kennzeichnung der allgemeinen taz-Befindlichkeit ein Auszug aus einem Begleittext zur Abokampagne von Seite eins: »Dennoch taz muss sein. Eine Zeitung, die den Rechtsradikalismus nicht erst im Sommerloch entdeckt hat. Die Ausländer - auch ohne Green Card - als Leser anspricht und sie selbst über ihre Anliegen berichten lässt, auf der Seite »Interkulturelles« sowie in der Wochenzeitung Persembe.« Man möchte einfach die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und schreiend davonlaufen.

Trotz allem, meinen Erzeren und die Persembe-Redaktion (Antje Bauer, Claudia Dantschke, Cem Sey und Sinan Yilmaz), sei die taz immer noch die beste Partnerin für ihr Projekt. Das erste Ziel, die Auflage der taz mit Persembe am Donnerstag um 3 000 verkaufte Exemplare zu steigern, haben sie bereits erreicht. Demnächst wird mit der taz-Geschäftsführung um die Möglichkeit eines Donnerstagsabos verhandelt. Persembe ist bislang nur über ein taz-Vollabo zu bestellen. Vom Donnerstagsabo würden beide Seiten langfristig profitieren, und vielleicht erscheint ja dereinst einmal die taz als Beilage von Persembe. Bis dahin hat Alper Öktem wohl noch den einen oder anderen Stuhl zu reparieren.