Spitzelaffäre der FPÖ

Haiders kleine Helfer

Jahrelang sollen hochrangige FPÖ-Politiker ihre politischen Gegner haben bespitzeln lassen. Nun könnte sogar die Wiener Koalition an der Schnüffelaffäre zerbrechen.

Da ist er wieder. Wie man ihn kennt, wie man ihn mag. Nach monatelangem Müßiggang als Kärntner Landeshauptmann und schon leicht ergraute Eminenz der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), kehrte Jörg Haider dieser Tage wieder zurück auf die Titelseiten der österreichischen Gazetten. »Das ganze ist in den kranken Gehirnen einiger Journalisten entstanden«, pöbelte Haider Ende vergangener Woche und meinte damit jene unrühmlichen Schlagzeilen, die seine Partei derzeit in fast allen österreichischen Medien macht. Beinahe die gesamte Führungsspitze der Freiheitlichen wird verdächtigt, sich auf illegalem Weg Informationen über politische Gegner aus dem »Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem« (Ekis) des österreichischen Innenministeriums geholt zu haben. Helfer Haiders waren dabei FPÖ-Symphatisanten aus dem Polizeiapparat, die für die Spitzeldienste sogar Geld erhalten haben sollen.

Begonnen hatte die Affäre mit dem plötzlichen Mitteilungsbedürfnis eines FPÖ-nahen Ex-Polizisten. Josef Kleindienst, bis vor kurzem sogar Chef der FPÖ-Polizeigewerkschaft, veröffentlichte vor über einem Monat das Buch »Ich gestehe«. Er deutete damals an, im Auftrag von FPÖ-Angestellten mehrmals den Computer zu möglichen Verfehlungen von sozialdemokratischen und grünen Spitzenpolitikern befragt zu haben. Später gab er zu, dafür pro Jahr angeblich »60 000 Schilling aufwärts« (4 000 Euro) kassiert zu haben.

Was anfangs nach der Tücke eines querulantischen Ex-Parteigängers ausgesehen hatte, entwickelte sich in den vergangenen Tagen zu einer schweren politischen Krise. Pikantes Detail am Rande: Josef Kleindienst kann nicht unbedingt als neuzeitlicher Don Quichotte im Kampf für Demokratie und gegen den Überwachungsstaat gelten. Als FPÖ-Gewerkschaftler hatte er gefordert, jedem Bürger einen Prozess anzuhängen, der es wagt, Polizisten wegen angeblicher Übergriffe anzuklagen.

Doch nun reißen Kleindiensts Memoiren die gesamte FPÖ-Führung in die Tiefe. Jörg Haider wurde schon von der Polizei vernommen, gegen den früheren freiheitlichen Klubobmann (Fraktionsvorsitzenden) im Parlament und jetzigen niederösterreichischen Landesrat, Ewald Stadler, wird wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch ermittelt. Der Wiener FPÖ-Landeschef Hilmar Kabas soll angeblich ein Spitzelnetz betrieben haben und wird nächste Woche seine Immunität als Mitglied des Wiener Stadtparlaments verlieren. Der Wiener FPÖ-Landesparteisekretär Michael Kreißl muss seit der Aussetzung seiner Immunität mit Hausdurchsuchungen rechnen. Haiders Leibwächter Horst Binder hat schon eine Hausdurchsuchung hinter sich, und auch gegen den niederösterreichischen FPÖ-Landtagsabgeordneten Leopold Mayerhofer ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Dies ist das Protokoll einer Affäre, die aus freiheitlichen Spitzenpolitikern freiheitliche Spitzelpolitiker macht. Mittlerweile hat der österreichische Innenminister Ernst Strasser, als Mitglied des FPÖ-Koalitionspartners ÖVP eigentlich zur politischen Disziplin verpflichtet, eine Sonderkommission eingesetzt, die in den vergangenen beiden Wochen vor allem damit beschäftigt war, bei rund 20 Polizisten Hausdurchsuchungen durchzuführen. Bald werden auch die ihrer Immunität entledigten FPÖ-Größen an der Reihe sein.

Besonders hart trifft das die Wiener FPÖ. Im März des kommenden Jahres finden in der österreichischen Hauptstadt Landtagswahlen statt, und die FPÖ kann wohl auch diesmal nicht damit rechnen, den sozialdemokratischen Bürgermeister Michael Häupl in den Ruhestand zu schicken. Hilmar Kabas galt schon bisher als Mann von geringer intellektueller Brillanz, nun wird er auch noch von der Justiz bedroht. Michael Lendl, Sprecher des Wiener Landesgerichts meinte Ende vergangener Woche, dass sich zwar »zum jetzigen Zeitpunkt die Frage nach einer Verhaftung von Kabas und dem FPÖ-Landesparteisekretär Kreißl nicht stellt«, sich dies aber im Laufe der Ermittlungen noch ändern könnte.

Umso nervöser agiert nun die angeschlagene Partei - und diese Nervosität bekommt vor allem der Koalitionspartner zu spüren. Insbesondere Innenminister Ernst Strasser, liberales Feigenblatt der rechtskonservativen Koalition, steht im Feuer freiheitlicher Kritik. Der ebenfalls in der Spitzelaffäre nicht ganz sauber gebliebene Salzburger FPÖ-Vorsitzende Karl Schnell forderte den Rücktritt Strassers, wenn der nicht den Generalsekretär für öffentliche Sicherheit - einen bekennenden Sozialdemokraten - entlasse. Der Vorsitzende der FPÖ in Kärnten, Jörg Freunschlag, wiederum bezeichnete Strasser als »Judas« - und forderte damit mehr Korpsgeist innerhalb der Koalition ein, auch wenn die Beweise gegen freiheitliche Politiker immer erdrückender werden.

Dabei deuten die Appelle der FPÖ-Spitze auf eine weitere Krise der Partei hin. Sämtliche Repräsentanten schlagen wild um sich, ein Konzept zur politischen Schadenskontrolle ist nicht mehr zu erkennen. Manche FPÖ-Gegner wird das möglicherweise freuen; ob die Krise die Freiheitlichen wirklich erschüttert, bleibt dennoch abzuwarten. Korpsgeist und Rassismus haben der »Partei der Anständigen und Tüchtigen« (Eigenwerbung der FPÖ) schon aus so mancher Unpässlichkeit herausgeholfen.

Auch Österreichs oberster Justizvertreter, Minister Dieter Böhmdorfer, versucht seiner Partei nach Kräften zu helfen. Als seine Staatsanwälte schon längst Vorerhebungen gegen Jörg Haider und seine Parteifreunde durchführten, meinte der ehemalige Haider-Anwalt, sein Ex-Parteichef und Ex-Klient sei »über jeden Verdacht erhaben«.

Klar: Jörg Haider steht über dem Gesetz. Genau wie Böhmdorfer. Vor wenigen Tagen sind Verdachtsmomente aufgetaucht, auch der Justizminister könnte vor fünf Jahren als Haider-Anwalt bei Prozessen möglicherweise illegale Daten aus dem Ekis-System verwendet haben.

Die ÖVP sieht dem drohenden Untergang des Koalitionspartners in aller Gemütsruhe entgegen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sitzt die Affäre aus und lässt sich nur zur politisch korrekten Mindestaussage hinreißen, die Affäre müsse »restlos aufgeklärt« werden. Die Haltung der ÖVP ist kalkuliert: Wenn nicht das Äußerste passiert und vielleicht sogar Jörg Haider mit einer Anklage konfrontiert wird, kommt die FPÖ-Schwäche der Volkspartei zugute. Sie kann den politisch sehr geschwächten Partner enger an sich binden. Da sieht man auch eher gelassen darüber hinweg, dass ein Bundeskanzler zu energischeren Eingreifen genötigt wäre, wenn die obersten Repräsentanten der Republik offenbar streng vertrauliche Daten dazu benutzen, um den politischen Gegner zu diskreditieren. Im Moment besteht lediglich die Gefahr einer Kurzschlussreaktion der FPÖ-Führung. Schon nach den für die FPÖ verlustreichen Wahlen in der Steiermark drohte Haider indirekt mit Neuwahlen und wehrte sich dagegen, in der Koalition die Drecksarbeit machen zu müssen, während die ÖVP von einem lichtvollen Moment zum anderen eile. Der Rücktritt des steiermärkischen FPÖ-Vorsitzenden Michael Schmidt von seinem Posten als Infrastrukturminister in der blau-schwarzen Koalition am letzten Wochenende, hat die Situation der Freiheitlichen nicht gerade verbessert.

Nun wiederholte auch noch die neue FPÖ-Chefin und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer ihre Drohung: »Wir überlegen ernsthaft Richtung Neuwahl«, sagte sie. Dass aber diese Neuwahlen wohl mit Stimmenverlusten für die bislang erfolgsverwöhnte Partei enden würden, ist nur zweitrangig. Zuerst einmal gilt es, aufrecht und geschlossen zu bleiben.