Bayerns Industrie löst sich von der CSU

Out of Eon

Bayerns Industrie macht, was sie will - und die CSU muss sich mit einem Plätzchen auf der Zuschauerbank zufrieden geben.

Auf die guten Beziehungen zur Wirtschaft war man bei der CSU immer besonders stolz. Die Grundlage dafür legte einst Franz Josef Strauß. Er machte den Freistaat zum Zentrum der deutschen Rüstungs- und Atomindustrie. Heute sind es vor allem die Bio- und Gentechnologie, die Bayerns Image als High-Tech-Standort begründen. Schließlich erwartet die Konzerne im Freistaat ein besonders günstiges Investitionsklima. Wer sein Geschäft mit Atom oder Gen macht, der braucht hier keine Angst vor aufwendigen und kritischen Genehmigungsverfahren zu haben.

Und wer das bayerische Finanzamt dann doch einmal zu dreist betrügt, der kann auf tatkräftige Hilfe von ganz oben rechnen - zumindest wenn die Summe auch angemessen groß war und er die richtigen Freunde in der Staatspartei hat. Man denke nur an den »Bäderkönig« und Strauß-Spezl Eduard Zwick, dessen Steuerschulden von 70 Millionen Mark 1990 nach einer einmaligen Zahlung von 8,3 Millionen Mark erlassen wurden.

Die Wirtschaft revanchierte sich für solche Freundlichkeit nicht nur mit umfangreichen Investitionen, dank deren die Arbeitslosenquote in Bayern seit Jahren deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Zugleich standen die oberen Konzernetagen auch stets für CSU-Politiker offen. Das ersparte den Christsozialen Entsorgungsnöte, wenn es darum ging, abgehalfterte und skandalträchtige Parteifunktionäre abzuschieben. Und es sicherte der CSU einen gewissen Einfluss auf die Wirtschaft. Für die staatseigenen Unternehmen - vom Hofbräuhaus über die Molkerei Weihenstephan bis zum Stromerzeuger Bayernwerke - galt ohnehin, was in Bayern auch auf die Justiz, das Bildungssystem oder die Verwaltung zutrifft: Ohne das richtige Parteibuch bzw. die rechte Gesinnung schaut es schlecht aus mit den Karrierechancen.

Als die CSU dann Mitte der neunziger Jahre begann, den Staatssektor weitgehend zu privatisieren, sorgte sie vor für die Zukunft. Der größte Privatisierungsbatzen, das Bayernwerk, bekam als Chef einen treuen Parteigänger: den einstigen Ministerialdirektor im Finanzministerium Otto Majewski. Im Vorstand des Viag-Konzerns, dem das Bayernwerk zugeschlagen wurde, durfte Georg von Waldenfels Platz nehmen - als Finanzminister hatte er Viag zuvor selbst aus der Taufe gehoben.

Die satten Privatisierungserlöse - allein der Verkauf des Bayernwerkes erbrachte 2,3 Milliarden Mark -, erlaubten es der CSU, großzügige Zuwendungen unters Wahlvolk, vor allem in der Unternehmerschaft auszustreuen. Ein paar Millionen bekam dank des eigens ins Leben gerufenen Bayerischen Naturschutzfonds auch der Naturschutz ab.

In erster Linie wurde das Geld jedoch dafür verwendet, eine prestigeträchtige »High-Tech-Offensive Bayern« ins Leben zu rufen und so Firmen aus der Computer-, Kommunikations-, Bio- oder Gentechbranche anzulocken. Im vergangenen Jahr gab es dann nochmal einen satten Nachschlag. Als Viag und Veba 1999 zum Eon-Konzern fusionierten, verkaufte der Freistaat einen Großteil seiner restlichen Anteile für insgesamt 3,1 Milliarden Mark an Viag.

Doch alle Vorsorge der Staatspartei, ihren Einfluss auf die Wirtschaft zu behalten, half nichts - das Tafelsilber ist verscheuert, jetzt bekommt die CSU die Quittung. Edmund Stoiber, der doch so gerne Kanzler werden würde und sich deshalb mit Vorliebe als wirtschaftspolitischer Stratege und Vorreiter in Sachen High-Tech geriert, wurde in jüngster Zeit gleich mehrfach von den Unternehmern düpiert.

Ein groß angekündigter Auto-Gipfel, zu dem Stoiber die Chefs der Branche - von DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp über Porsche-Vorstand Wendelin Wiedeking bis zu VW-Chef Ferdinand Piëch - nach München eingeladen hatte, kam nicht zustande. Die Konzernchefs ließen sich entschuldigen. Und dann beschloss auch noch ausgerechnet der Eon-Konzern - der ohne die tatkräftige Hilfe der CSU gar nicht existieren würde -, demnächst gleich sechs Kraftwerke in Bayern zu schließen und dabei im ohnehin schon strukturschwachen Franken über 700 Stellen abzubauen. Die Entscheidung fiel vollkommen unabhängig von Stoiber, er wurde vorab nicht einmal informiert - obwohl Bayern immer noch fünf Prozent Anteile an Eon hält und auch im Aufsichtsrat vertreten ist.

Auch sonst scheint man sich in der Düsseldorfer Konzernzentrale von Eon offenbar immer weniger um Stoiber und seine CSU zu scheren. Fest vereinbarte Zusagen werden von dem Stromkonzern einfach für null und nichtig erklärt. So hatten die Vorstände von Viag und Veba vor ihrer Fusion noch zugesichert, dass die lukrative Tochterfirma Viag Interkom frühestens Ende 2001 verkauft werde.

Das Versprechen ist längst Makulatur, das Mobilfunkunternehmen wird an British Telecom veräußert. Da halfen Stoiber auch seine zwei Kontaktmänner bei Eon, Majewski und Waldenfels, nichts. Beide müssen inzwischen ohnehin um ihre hoch dotierten Arbeitsverträge bangen. Wie der Spiegel berichtete, wurden sie längst zu »Frühstücksdirektoren« degradiert, die froh sein müssten, wenn man ihnen nicht gleich den Stuhl vor die Tür stellt.

Diesem offensichtlichen Machtverlust steht man in München hilflos gegenüber. Die bayerische Staatspartei, die einst bei der neoliberalen Umgestaltung der deutschen Wirtschaft ganz vorne mit dabei war, wird plötzlich zum Opfer der eigenen Politik - am selbst gesetzten Primat der Wirtschaft kommt auch die CSU nicht mehr vorbei. Und die bayerische SPD höhnt über Stoiber: »Der Bayern-Manager hat nichts mehr zu sagen.«

Bei den Christsozialen versucht man sich mit dem Hinweis auf die »Globalisierung« und sonstige bekanntlich unausweichliche Fügungen zu trösten. »Beteiligungen an Unternehmen und Einflussnahme gehen zurück, der Staat muss heute das Umfeld für die Wirtschaft schaffen«, erläutert Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser seine Sicht der Welt. »Er muss wie eine schöne Frau sein, um attraktive Männer zu locken. Es wird unser Alltag werden, dass man nichts fest in der Hand hat, sondern immer wieder neu die Gunst gewinnen muss.«