Nationalismus in Griechenland

Sterben für die Fahne

Normalerweise sollte die griechische Justiz wegen Verunglimpfung des gesunden Menschenverstands gegen ihren eigenen Staat ermitteln. Aber Justitia ist bekanntlich blind. Und manchmal macht sie sich auch lächerlich. Am 21. Oktober erhob die Staatsanwaltschaft Thessaloniki Anklage gegen den satirischen Sänger Jimmys Panousis. Der bekannte linke Künstler habe die Symbole der Staatlichkeit verunglimpft, weil das Plakat für seine Show, die vier Tage später anfangen sollte, eine griechische Fahne zeigte, die anstelle des Kreuzes Hammer und Sichel zierten.

Was Panousis damit andeuten wollte, ist nicht ganz klar; wahrscheinlich wollte er den Nationalismus der griechischen KP verarschen. Vor Gericht betonte er: »Ich bin kein Verbrecher, sondern ein Künstler. Statt mit Hammer und Sichel hätte ich die Fahne mit einem Handy oder mit einem Hakenkreuz versehen können.«

Für solche Argumente hatten die Richter kein Verständnis. Sie verurteilten »Jimmakos«, wie er von seinen Fans genannt wird, zu vier Monaten Haft auf Bewährung. Es hat sich aber gelohnt, denn er bot den Zuschauern eine unvergessliche Performance, als er vor seinem Prozess Journalisten anquatschte: »Ich gebe es zu! Ich habe ihn ermordet! Ich bin schuldig!«

Jimmys Panousis machte vor zwanzig Jahren Schlagzeilen, als er mit seiner Band »Moussikes Taxiarchies« (Musikbrigaden) provokatorische anarchistische Texte sang. Seitdem hat er sich aber zu einem satirischen Sänger entwickelt, der der nationalistischen Polemik nur mit dem Argument der Kunstfreiheit entgegenzutreten wusste.

Am 28. Oktober, dem griechischen Nationalfeiertag, bereiteten sich die Nationalisten noch einmal Kummer. Wie überall in Griechenland sollte auch im Athener Vorort Nea Michaniona bei einem Umzug der beste Schüler die griechische Fahne tragen. Doch in Nea Michaniona war das der albanische Immigrant Odysseas Tsenai, und eine Verordnung des Bildungsministeriums verbietet, dass ein Ausländer die Fahne trägt.

Zwar hat der amtierende Minister Petros Efthimiou sich dafür ausgesprochen, dass der kleine Odysseas die Fahne tragen darf, und auch Präsident Kostas Stefanopoulos war dieser Meinung. Nicht jedoch der Elternbeirat der Schule. Der reagierte heftig und empört: Der Fahnenträger müsse »Furcht vor der Fahne fühlen«, auch bereit sein, für sie zu sterben. Und das sei bei einem Ausländer nicht der Fall.

Seinen Höhepunkt erreichte das nationalistische Ressentiment bei dem Marsch, als die versammelte Menge den kleinen Odysseas mit Sprüchen wie »Albaner raus!« und »Hau ab in dein eigenes Land!« empfing. Patriotisch argumentierten auch die Verteidiger des Jungen: Ein Ausländer dürfe Nationalstolz verspüren, wenn er denn die griechische Kultur in sich trage.

Nach einer jüngst veröffentlichten Statistik des Euro-Barometers nehmen die Griechen unter den Ausländerfeinden in Europa den ersten Platz ein. 38 Prozent der Griechen geben an, sie hätten eine Abneigung gegen Menschen anderer Nationalität. In Ländern wie Frankreich oder Deutschland ist es nicht einmal die Hälfte.