Alternative Lebensformen

Plätzchen besetzen

Langweilig? Wie wär's mit einem Spiel? Es heißt »Plätzchen besetzen« und geht so: Zunächst bilden sich zwei Mannschaften - Polizisten und Wagenburgler. Damit sie sich erkennen, tragen sie Uniformen - die einen grüne, die anderen bunte. Die Wagenburgler nehmen alte Bauwagen und fahren mit ihnen durch die Stadt auf der Suche nach einer Freifläche - ihrem Plätzchen. Dort stellen sie die Wagen ab, machen ein Lagerfeuer und warten, bis ihre Kontrahenten kommen.

Ein sonniger Samstagnachmittag im Dezember eignet sich ganz gut für eine Partie. Ort des Geschehens: der Kollwitzplatz, das touristische Zentrum von Prenzlauer Berg. Drei Wagen rollen auf das Grundstück Belforter Straße / Ecke Kollwitzstraße. Transparente verkünden: »Laster- und Hängerburg bleibt.« Jemand schichtet Holz auf, zündet es an und setzt sich auf eine der Matratzen, die um die Feuerstelle im Sand liegen.

Immer mehr Wagenburgler und Freunde der Mannschaft kommen auf das Gelände und eine von ihnen, Elektra, erklärt das Ziel des Spieles. »Es darf nur keine Verhaftungen geben.« Und schon sind auch die Polizisten da. »Sie kennen das Spiel«, sagt der Einsatzleiter zu einem Wagenburgler, der Winfried heißt. Selbstverständlich kennt er es: »Wir machen jetzt erstmal was zu essen, und Sie werden wohl Ihre Einsatzkräfte weiter zusammenziehen.« Der Polizist nickt, seine Kollegin macht sich Notizen. Beide Mannschaften sind einander vertraut, sie kennen die Regeln; bevor es richtig losgeht, muss die Aufstellung stimmen.

»Sie wissen, dass jemandem das Grundstück gehört. Wenn jemand einen Strafantrag stellt, ist das Hausfriedensbruch.« »Das wissen wir«, sagt Winfried. Er kennt ja die Spielregeln. Die Polizisten fordern über Funk Verstärkung an, und die Wagenburgler eröffnen ihr Buffet. Sie verteilen sich auf dem Grundstück und werden von den Polizisten vorsorglich eingekreist.

Nachdem sich beide Seiten aufgestellt haben, fehlt nur noch eine Art Schiedsrichter. Ein Wagenburgler ruft den Bezirksbürgermeister Reinhard Kraetzer (SPD) an, um ihm mitzuteilen, dass der Anpfiff unmittelbar bevorsteht. Kraetzer mag dieses Spiel nicht, kennt es aber schon. Denn seit Anfang Dezember - damals wurde die Wagenburg am Filmtheater Friedrichshain aufgelöst, um dort mit dem Bau eines Seniorenheims zu beginnen (Jungle World, 40/00) - gab es bereits zwei Runden. Zunächst wurde ein Teil des Mauerparks besetzt, dann ein Grundstück an der Erich-Weinert-Straße. Die Polizisten kamen bald und zahlreich, räumten das Gelände und stellten die Personalien fest. Die Runden gingen an sie.

Mittlerweile startet der erste Angriff. Die Polizisten machen ihre Ansage: »Sie erfüllen den Tatbestand des Hausfriedensbruchs. Wir fordern Sie auf, das Gelände sofort zu verlassen. Kommen Sie dieser Aufforderung nicht nach, wird eine Räumung mit Zwangsmitteln durchgeführt.« Das sagen sie einmal, zweimal, dreimal. Dann stürmen sie das Gelände. Zwei Wagenburgler werden festgenommen, die anderen durchsucht und zur Identitätskontrolle in die Einsatzwagen gebeten.

Der Sieger steht fest. Winfried will jetzt was trinken. Und aushecken, wann und wo es in die nächste Runde geht.