Heirats-Shows von RTL und Sat.1

Millionäre sind auch bloß Männer

Wer einen Geldsack braucht, sollte sich nicht auf die Schnäppchen-Millionäre von RTL und Sat.1 verlassen.

In welchen Berufssparten Millionäre zu ihrem Reichtum gekommen sind, ist den meisten Menschen völlig klar: Diese Männer arbeiten als Musikproduzenten, Gastronomen, Broker, Modeschöpfer, Sänger, Schauspieler, Bestsellerautoren. Blöd nur, dass die meisten Millionäre im richtigen Leben aus völlig unattraktiven Branchen kommen und mit Wurstherstellung, Maschinenbau, Im- und Export und Abfallverwertung beschäftigt sind.

Daran werden die Kandidatinnen, die sich bei RTL als Millionärsehefrau beworben hatten, sicher nicht gedacht haben. Die meisten träumten vom sorgenfreien Leben an der Seite eines schwerreichen Mannes, wie man es schließlich aus den Klatschspalten kennt. Warum aber so ein Millionär ausgerechnet die RTL-Heiratsvermittlung in Anspruch nehmen sollte, fragte sich offensichtlich keine der Bewerberinnen. Und auch nicht, warum der, wenn er wirklich das erhoffte Jet-Set-Leben führte, noch nicht längst mit Prinzessin Caroline oder einer ihrer Cousinen verheiratet ist.

So standen am letzten Mittwoch 45 äußerst aufgeregte Frauen auf der Bühne der »Ich heirate einen Millionär«-Show. Eigentlich hatte ja der Fernsehfilm »Das schwangere Mädchen« auf dem Programm gestanden, aber RTL hatte sich in letzter Minute entschlossen, stattdessen den Millionär zu verheiraten. Und war damit der Konkurrenz von Sat.1 zuvorgekommen. Die hatte bei John de Mol, der die Fernsehrechte an dem Format besitzt, schon vor mehr als einem Jahr gekauft.

Trotzdem war das Format zunächst nicht realisiert worden, denn nach der Erstausstrahlung in den USA war es zu einem weltweit publik gemachten Skandal gekommen. Der dort live verheiratete Millionär Rick Rockwell war in Wirklichkeit ziemlich arm und obendrein ein Frauenschläger, die Ehe mit Kandidatin Darva Konger, über die später auch peinliche Einzelheiten bekannt wurden, musste schnell annulliert werden.

Seit dem Herbst letzten Jahres, als sich die Aufregung endgültig gelegt hatte, arbeitete Sat.1 dann doch wieder an der Show. Der gecastete Millionär verliebte sich jedoch kurz vor dem geplanten Aufzeichnungstermin, und dann teilte auch der eigentlich vorgesehene Moderator Jörg Wontorra mit, dass er nicht mehr zur Verfügung stehe. Am letzten Sonntag sollte die Show jedoch endlich ihre Premiere im deutschen Fernsehen erleben.

Die von RTL gründlich verdorben wurde. Nicht völlig überraschend, denn der Konkurrenz Formate zu verderben, gehört für beide Sender zu den Lieblingsbeschäftigungen. Sat.1 hatte damit schon vor zehn Jahren begonnen, als der Sender per Teletext verriet, wer der Mörder von Laura Palmer in der bei RTL ausgestrahlten Serie »Twin Peaks« ist. Sofort sanken bei RTL die Einschaltquoten, man rächte sich jedoch etwas subtiler. Z.B. indem man zum Termin der Erstausstrahlung der zu Sat.1 gewechselten Karl-Dall-Show den Film »Sunshine-Reggae auf Ibiza« zeigte, von dem Dall noch kurz zuvor als dem peinlichsten Machwerk seiner Karriere sprach.

Dann herrschte weitgehend Ruhe, wohl vor allem dadurch begünstigt, dass Sat.1 damit beschäftigt war, RTL-Konzepte zu kopieren. Erst im Jahr 2000 flammte die Konkurrenz wieder auf, als Sat.1 seine auf einer einsamen Insel spielende Show plötzlich vor dem RTL-Format sendete.

Und nun das: »45 Frauen sind heute hier, und alle glauben an ein Märchen«, eröffnete Werner Schulze-Erdel, einer der notorischsten Minus-Charismatiker des deutschen Fernsehens, die Show. »Sie glauben an den Mann, der ihnen die Welt zu Füßen legen wird.« Die Welt würde für die Auserwählte zunächst aus einem von einer Juwelier-Kette gesponserten Brillantring »im Wert von über 20 000 Mark« bestehen, der ihr am Ende der Sendung überreicht werden würde.

Nur, von wem? Eine Filmeinspielung soll den Kandidatinnen den hinter einer spanischen Wand sitzenden geheimnisvollen Unbekannten näher bringen.

Der Tag des Millionärs beginnt mit einem stimmungsvollen Sonnenuntergang, der sich jedoch nicht in der Karibik ereignet, sondern bloß im norddeutschen Kaltenkirchen, wo der Mann wohnt. Der Millionär steht nämlich grundsätzlich früh auf und startet mit »einer Runde Schwimmen in den Tag«. Der ziemlich lang ist, 18 Stunden ist der Mann für seine 3 000 Kunden auf Achse, »notfalls beliefert er sie auch selbst«. Das klingt nicht wie große Welt, zumal der Millionär offenbart, dass er in der Geschenkartikel-Branche arbeitet, was eigentlich nur ein Euphemismus für Tinnef ist.

Von den Mühen des Geldverdienens erholt er sich beim Reiten und Sporttreiben, überhaupt ist der auf einem Bauernhof aufgewachsene Norddeutsche nach Angaben seines Kumpels Helmut nicht nur ehrlich, sondern auch sehr naturverbunden, was eigentlich ein sehr schlechtes Zeichen ist. Denn New-York-Trips und Kreuzfahrten sind nicht unbedingt das, was Naturliebhaber schätzen, stattdessen muss man mit so jemandem auch im Urlaub früh aufstehen, um Bergtouren mit anschließender Jause in irgendeinem österreichischen Einödhof zu absolvieren.

Die folgende Vorstellung der Kandidatinnen ergibt aber, dass keine sich von diesen Aussichten abschrecken lassen will, nur eine, Margit, verkündet sehr nachdrücklich, dass sie an einer Pferdeallergie leide.

Der Rest ist erkennbar darum bemüht, sich als würdige Millionärsgattin zu präsentieren. Nicole z.B. erklärt, »aus der Goethestadt« zu kommen und beschreibt sich als »Feinschmeckerin«, was ein guter Schachzug ist, denn wenn der Mann edle Restaurants nicht zu schätzen weiß, dann kann man sich die ganze Mühe mit dem Millionär-Heiraten gleich sparen.

Im weiteren Verlauf der Vorstellung erweist sich, dass viele der Kandidatinnen in Krisenbranchen und Leichtlohngruppen arbeiten. Überproportional viele Immobilienkauffrauen sind vertreten, ebenso wie Krankenschwestern und Arzthelferinnen.

Und dann darf der Millionär eine erste Vorauswahl treffen, begleitet von dürftigen Scherzchen des äußerst gelangweilt wirkenden Werner Schulze-Erdel. Die aus den drei Millionärstöchtern und dem Millionärsfreund bestehende Fachjury hatte zuvor schon die zahlreichen Blondinen schockiert, als sie darauf hinwies, dass der Mann normalerweise auf Schwarzhaarige stehe.

Die Ausgesuchten müssen nun ihre Alltagstauglichkeit beweisen, also blöde Fragen beantworten, die ihnen der Millionär hinter seiner Wand stellt: »Ich arbeite viel, wie du weißt, und ich muss zehn Tage wegfahren und kann mich also kaum um dich kümmern. Wie gehst du damit um?« Wie soll man darauf reagieren? »Ist okay, solange du nicht vergisst, mir mein Fresschen hinzustellen«? Oder: »Mach dir keine Sorgen, die Zeit reicht völlig aus, um dein Konto zu plündern«?

Pausenlos werden Verständnishaben und Verwöhnen zu Lieblingshobbys erklärt, die Kandidatinnen lächeln, was das Zeug hält, und selbst, als der Millionär vor der Endrunde die Startnummern verwechselt und eine sich bereits auserwählt Glaubende wieder zurückschickt, versucht die noch, einen guten Eindruck zu machen.

Am Ende gewinnt die schwarzhaarige Gerti den Millionär, darf mit ihm ein eher unbeholfenes Tänzchen aufs Parkett legen und anschließend mit ihm verreisen.

Gleich am nächsten Tag stellt sich jedoch heraus, dass Millionär Tepe und seine Auserwählte Gerti einander schon vor der Sendung kannten. Nachbarn und Bekannte hatten nach der Show umgehend Bild alarmiert, die den Skandal genüsslich ausbreitete. RTL redete sich zunächst damit heraus, dass Gerti Friedrichs lediglich einer ehemaligen Freundin Tepes sehr ähnlich sehe, alarmierte schließlich doch die »Exklusiv«-Reporter, die das Paar bereits in Florida erwarteten und eigentlich Geschichten über das allmähliche Kennenlernen des Paars senden sollten. Beide gestanden im Kreuzverhör, einander bereits Weihnachten begegnet zu sein, Tepe habe dies jedoch verschwiegen, um so kurz vor der Sendung »niemanden zu enttäuschen«.

Und ob Tepe überhaupt Millionär ist, wird derzeit von der Springerpresse intensiv überprüft. RTL beharrt jedoch darauf. Vielleicht heiraten die beiden ja wirklich noch. Möglicherweise in der »Traumhochzeit«.

Die Freude bei Sat.1 über die Blamage der Konkurrenz dauerte jedoch nicht lange: Auch der am Sonntag dort präsentierte Millionär ist anscheinend gar keiner. Wie die Bild am Sonntag berichtete, wurde die Firma des Mannes, ein - was sonst? - Schraubengroßhandel, 1999 »wegen Vermögenslosigkeit und Zahlungsunfähigkeit« aus dem Handelsregister gestrichen. Der Sender beharrte zwar auf der Bonität des Heiratskandidaten, schränkte jedoch gleichzeitig ein: »Wir haben nie gesagt, hier heiratet ein Engel!«

Das könnte der Auftakt für ein großartiges neues Sendeformat werden: Wer findet den suspektesten Millionär?