Atomtransporte und Endlagerung

Kampf der Castoren

Der Atomkonzern Energie Baden-Württemberg beharrt auf Castor-Transporten nach Ahaus. Obwohl bis dahin am AKW Neckarwestheim ein Zwischenlager genehmigt sein könnte.

Fritz Behrens frohlockte. Als das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) letzte Woche ankündigte, Ende Februar über ein Interimslager am Atomkraftwerk Neckarwestheim zu entscheiden, rechnete der nordrhein-westfälische Innenminister schon mit dem größten anzunehmenden Glücksfall für die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf: kein Castor-Transport ins Zwischenlager Ahaus, kein Konflikt mit den Anti-Atom-Aktivisten.

Doch Behrens (SPD) hatte sich zu früh gefreut. Weil die AKW-Betreiber im baden-württembergischen Neckarwestheim auf dem für Anfang März zugesagten Transporttermin beharren, musste auch er letzte Woche einlenken. »Solange wir keine definitiven Aussagen haben, ist die Polizei in der Pflicht, sich weiter intensiv auf den Castor-Transport vorzubereiten.« Darüber hinaus hat auch Wolfram König, der Präsident des Bundesamtes, nicht mehr als eine »zügige und ergebnisoffene Prüfung« des Antrages auf ein Lager für 24 Castor-Behälter am Kraftwerk selbst zugesagt. »Keinen Sicherheitsrabatt« werde es für die Betreibergesellschaft Energie Baden-Württemberg (EnBW) geben, versicherte König. Sollte das BfS dem Antrag allerdings zustimmen, könnte das Lager sofort in Betrieb genommen werden.

Wegen des im Frühjahr 1998 von der damaligen Umweltministerin Angela Merkel verhängten Transportstopps droht in Neckarwestheim - wie an anderen Atomstandorten auch - ein Entsorgungsnotstand. So sollen Anfang April 122 Brennelemente im Kraftwerksblock II ausgetauscht werden, obwohl im Abklingbecken nur noch 15 Plätze frei sind. Mindestens sechs zusätzliche Castor-Behälter müssen also mit abgebrannten Brennelementen beladen werden. Das wäre mehr als die erlaubte Menge an radioaktivem Inventar, und die Anlage müsste womöglich abgeschaltet werden.

Außerdem hat das Stuttgarter Regierungspräsidium bislang lediglich zwölf der beantragten 24 Stellplätze genehmigt. Selbst wenn ein Zwischenlager am Standort Neckarwestheim eingerichtet werden sollte, wäre es bereits nach der Revision im April ausgelastet. Deshalb setzt die Energie Baden-Württemberg auf die Transporte. »Solange Verzögerungen durch Klagen nicht ausgeschlossen werden können, muss die Option auf Transporte offengehalten werden«, sagt Stephan Gabard, ein Srecher der EnBW, und sein Kollege Uwe Mundt pflichtet ihm bei: »Ein Verzicht auf die Transporte kann derzeit nicht erklärt werden.«

Im Bundesamt hingegen sieht man keinen unmittelbaren Transportbedarf. »Vermeidbare Transporte sollen auch vermieden werden«, meint Präsident König. Damit liegt er ganz auf einer Linie mit Fritz Behrens: Schließlich handele es sich, so der Düsseldorfer Innenminister, bei dem geplanten Einsatz von 20 000 Polizisten, der vermutlich 100 Millionen Mark kosten wird, »um eine leichtfertige Verschwendung von Steuergeldern«.

Dabei hat sein Ministerium den Termindruck selbst provoziert. Im vergangenen Dezember bot Staatssekretär Wolfgang Riotte der Regierung in Stuttgart einen Transporttermin für Anfang März an, obwohl die Innenministerkonferenz (IMK) im letzten Sommer eine mindestens achtwöchige Pause zwischen zwei Transporten vereinbart hatte. Da der Rücktransport abgebrannter Brennstäbe aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben bereits für Ende März festgesetzt war, bestand also keine Notwendigkeit, für Ahaus Anfang März einen Termin anzusetzen.

In Baden-Württemberg freut man sich natürlich trotzdem über das Angebot, versprechen CDU und FDP sich von einem Tranport kurz vor der Landtagswahl am 24. März doch durchaus Vorteile. Die Regierung von Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) fühlt sich nicht an den Atomkonsens vom letzten Jahr gebunden und lehnt das in Süddeutschland unpopuläre Konzept der dezentralen Zwischenlagerung an den Atomstandorten ab; die Lagerung solle weiter an den zentralen Standorten in Ahaus und Gorleben erfolgen. Und auch nach Ansicht Fritjof Schmidts, des Landesvorsitzenden der NRW-Grünen, dürfte »ein überflüssiger Atomtransport nur aus wahlkampftaktischen Gründen durch die Republik geprügelt werden«. Dass die Prügel von den Untergebenen des grünen Münsteraner Polizeipräsidenten Hubert Wimber ausgeteilt werden, erwähnt Schmidt natürlich nicht.

Im Streit zwischen dem Bund und den Ländern um Castor-Transporte und Interimslager an den Standorten verlieren auch die Positionen der Anti-Atom-Bewegung immer weiter an Bedeutung. Weil es Rot-Grün gelungen ist, eine Bestandsgarantie für die laufenden Atomanlagen als Atomausstieg zu verkaufen, rückt die Tatsache, dass das Problem der Endlagerung und der Entsorgung ungelöst ist, in den Hintergrund. Dabei handelt es sich beim Konzept der dezentralen Zwischenlagerung um einen zentralen Bestandteil der so genannten Atomkonsenspolitik. Der ungestörte Betrieb der Atomanlagen soll gesichert und der Jahrzehnte alte gesellschaftliche Konflikt um die Atomenergienutzung endgültig befriedet werden.

Die Fixierung der Anti-Atom-Bewegung auf die Verhinderung von Castor-Transporten scheint sich nun - bei einem mittelfristig absehbaren Ausbleiben der Atomtransporte - als entscheidener strategischer Fehler zu erweisen, auch wenn die Vorbereitungen auf einen Showdown entlang der Strecke nicht gestoppt werden. Im Gegenteil: »Solange die Polizei sich weiter intensiv auf den Transport vorbereitet, tun wir das auch«, meint Burkhard Helling, Vorsitzender der Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus. Am 18. Februar ist die erste Demonstration geplant, bei der Bürgerinitiative rechnet man weiter mit einem Transport ab 28. Februar.

Und auch das Aktionsbündnis Neckarwestheim will sich durch das politische Geplänkel nicht von einer Mobilisierung abhalten lassen: Startschuss für die Proteste soll ein Sonntagsspaziergang am 4. Februar vom Bahnhof Kirchheim aus sein. Ab 26. Februar soll dann permanent vor dem AKW in Neckarwestheim demonstriert werden. Und wenn das alles nicht hilft, sieht man sich spätestens Ende März in Gorleben wieder.