Krise bei der Deutschen Telekom

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Die Telekom hat sich durch ihre hohen Ausgaben für die UMTS-Lizenzen und eine falsche Marktpositionierung selbst in die Krise gebracht.

Per Handy im Internet surfen und Filme anschauen - die Versprechungen der neuen UMTS-Technik sind groß. Die Nachfrage dagegen weniger: Im September vergangenen Jahres etwa gaben bei einer Umfrage nur 22 Prozent der Deutschen an, dass sie sich vielleicht ein UMTS-Gerät zulegen möchten. Die Deutsche Telekom aber hat voll auf die neuen Lizenzen gesetzt - und ist damit kräftig in die roten Zahlen gerutscht.

Neben den weniger bedeutenden Märkten in den Niederlanden und Österreich hatte sie im vergangenen Jahr ausgerechnet in jenen beiden Ländern UMTS-Lizenzen ersteigert, die diese am teuersten verkauften: Deutschland und Großbritannien. Bei den Versteigerungen in Frankreich, Italien und Spanien hingegen war ihr das Geld ausgegangen - obwohl die Lizenzen dort viel billiger waren. Denn direkt nach der Auktion in Deutschland sank die UMTS-Euphorie bei den Anlegern drastisch. Das machte die Lizenzen bei den nachfolgenden Auktionen billiger, erschwerte aber den Unternehmen auch die Aufnahme der nötigen finanziellen Mittel. Zusätzlich zu den Lizenzgebühren fallen für den Netzaufbau mehrere Milliarden Mark an, außerdem muss jedes Handy mit einigen Hundert Mark subventioniert werden, damit sich die Nutzer überhaupt für einen Vertragsabschluss entscheiden.

Die Telekom steht daher auf dem europäischen UMTS-Markt schlechter da als beispielsweise Vodafone, die über die meisten Lizenzen in Europa verfügt: Mit seinem ausgedehnten Netz ist der britische Konzern vor allem für internationale Kunden attraktiver.

Mit 118 Milliarden Mark steht die Deutsche Telekom inzwischen in der Kreide, und ihr Chef Ron Sommer scheint sich allmählich zu fragen, ob er diesen Schuldenberg jemals abbauen kann. Das Vertrauen in den Vorstand schwindet; eine Gruppe von Kleinaktionären hat deshalb in der vergangenen Woche Strafanzeige wegen des Verdachts auf falsche Bilanzierung gestellt. Hinzu kommt, dass auch die Internet-Tochter T-Online rote Zahlen schreibt und die Festnetz-Anteile des ehemaligen Monopolisten bei Ferngesprächen stetig sinken. Außerdem verliert der Konzern bald auch noch das Monopol bei Ortsgesprächen.

Nach dem Kurssturz der T-Aktie werden nun zunehmend Rücktrittsforderungen laut. Doch Sommer will davon nichts wissen. »Ich laufe nicht davon«, sagte er dem Focus. Vielmehr sei die von »Halbwahrheiten« geprägte »Medienberichterstattung« für den schlechten Kurs der T-Aktie verantwortlich, behauptete er vergangene Woche.

Richtig eng werden für den Telekom-Chef dürfte es aber, falls die gesamte Expansionsstrategie des Konzerns scheitern sollte. Denn derzeit ist die Entwicklung beim Wunschpartner Voicestream völlig ungewiss. Mitte vergangenen Jahres, als die Deutsche Telekom noch große Hoffnungen in sich und den Mobilfunk setzte, unterbreitete sie den Aktionären des US-amerikanischen Mobilfunkbetreibers ein Übernahmeangebot, über das bis heute nicht entschieden ist. Immer mehr Analysten fragen außerdem, ob Voicestream nicht ein bisschen zu groß für die Telekom sei und ob das Unternehmen sich nicht besser nach Südeuropa ausdehnen sollte.

Bisher expandierte die Telekom mit T-Mobil vor allem in Osteuropa. Hier ist sie der größte Telekommunikationsdienstleister mit Festnetzaktivitäten in Ungarn, Slowakei, Tschechien und Kroatien. In den meisten anderen Ländern Osteuropas hält sie Beteiligungen zwischen 16 und 60 Prozent an den dortigen Mobilfunkbetreibern.

Im weitaus gewinnträchtigeren Westeuropa hat sie dagegen nur geringen Einfluss. Sogar hierzulande hat der frühere Staatsmonopolist im Telefongeschäft scharfe Konkurrenz aus dem Ausland bekommen. So gehören die ehemals aussichtsreichsten deutschen Festnetz-Anbieter Arcor, Otelo und Viag mittlerweile Vodafone und British Telecom; Colt, Tele 2 und andere sind ebenfalls in ausländischer Hand. Beim Mobilfunk ist mit T-D1 sogar nur ein deutscher Anbieter geblieben: D2 gehört inzwischen der britischen Vodafone, E-Plus der niederländischen KPN, Viag Interkom der British Telecom. Das spanisch-finnische Konsortium Telefónica/Sonera und Mobilcom, an der France Télécom mit 28,5 Prozent beteiligt ist, haben ebenfalls deutsche UMTS-Lizenzen ersteigert.

Dabei gibt es nicht viel Platz in der Branche: Die meisten Experten erwarten, dass es auf dem europäischen Mobilfunkmarkt bald zu Konzentrationen kommen wird, und in einigen Jahren nur noch vier oder fünf Unternehmen übrig sind, zu denen T-Mobil nicht unbedingt gehören wird.

Eigentlich hatte die Bundesregierung die Liberalisierung der europäischen Märkte für Post, Strom und Telekommunikation in dem Glauben vorangetrieben, als größte europäische Wirtschaftsmacht eine gute Ausgangsposition zu haben. Sie hielt den einstigen Monopolisten für schlagkräftig genug, sich auch in anderen Ländern erfolgreich zu etablieren. Mit der Öffnung der eigenen Märkte wollte sie die anderen Regierungen animieren, ihre Märkte auch für deutsche Unternehmen zu öffnen.

Doch das Konzept funktioniert nur bedingt. Neben den früheren Monopolisten haben sich keine weiteren Konzerne etabliert, die die deutsche Wirtschaftskraft in die Welt tragen könnten - während ausländische Unternehmen ihnen hier den Markt streitig machen. So sind etwa die vier bedeutenden Konkurrenten der Post bei Paketzustellung und Kurierdienst, Deutscher Paket Dienst (DPD), United Parcel Service (UPS), Federal Express (FedEx) und German Parcel (GP), allesamt ausländische Unternehmen.

Im Unterschied zur Post hat die Telekom noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Ständig neue Technologien verlangen große Investitionen, während die Nachfrage - nicht nur bei UMTS - nicht gesichert ist. Letztes Jahr erzielten die Betreiber lediglich zwei Prozent des Mobilfunkumsatzes mit dem GSM-Internet Wap. Rechnet man SMS hinzu, sind es immer noch lediglich zehn Prozent. Der neueste Hype aber sind so genannte location based services - Navigationssysteme, die es beispielsweise ermöglichen, einen Konsumartikel ins Handy einzutippen, das dann den Weg zu einem entsprechenden Geschäft in der Nähe weist. Die Erfolgsaussichten dieses Konzeptes sind allerdings ebenso zweifelhaft wie die von Mobile Commerce, dem Handel per Internet-Handy. Vergangenes Jahr betrug der Umsatz mit M-Commerce nicht einmal 500 Millionen Mark. Das entspricht einer Pizzabestellung pro Handybesitzer.

Während der Mobilfunk-Euphorie wurden unzählige Konzepte für UMTS-Dienste erstellt, bei denen meistens unklar war, wie damit Geld verdient werden kann. Heute lautet der Slogan in den TMT-Unternehmen - Firmen aus der Telekommuniktions-, der Medien- und der Technologiebranche: »If you can't bill it, kill it!« Dumm nur, wenn - wie bei den Telekom-Milliarden für UMTS - die Ausgaben längst verbucht sind.