Neonazis in Ostfriesland

Moin, Moin, Kamerad

Skin-Konzerte, Aufmärsche, Mord: Ostfriesland ist eine Hochburg der westdeutschen Neonazis.

Was war es denn nun? Eine harmlose Kneipenschlägerei mit ungewollten Folgen? Oder ein Mord mit neonazistischem Hintergrund? Sicher ist: In der Nacht zum 20. Januar wurde ein 44jähriger Mann am Rande einer Feier in dem ostfriesischen Dorf Detern von Jugendlichen tödlich verletzt. Gegen den 16jährigen vermutlichen Haupttäter wird seitdem wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt.

Inzwischen ist bekannt geworden, dass die Jugendlichen während der Tat rechte Parolen grölten und bereits vorher Randale angekündigt hatten. Wenige Tage später traute sich in Detern keiner mehr, auf den rechten Hintergrund der Tat aufmerksam zu machen. Es ist gut möglich, dass die Dorfbewohner von Angehörigen der lokalen Nazi-Szene eingeschüchtert wurden. Glaubt man jedoch den Behörden, dürften die ostfriesischen Nazis dazu kaum in der Lage sein. »Eine organisierte rechtsextreme Szene haben wir hier nicht«, behaupten die örtlichen Polizeichefs.

Eigentlich müssten sie es besser wissen. Denn schon am 10. Januar hatte der Staatsschutz mehrere Hausdurchsuchungen bei bekannten Neonazis in Ostfriesland durchgeführt und dabei reichlich Propagandamaterial beschlagnahmt. Das Lokalblatt Emder Zeitung sprach von einem der größten Erfolge gegen Rechtsextreme in Ostfriesland. Ein Teil der Nazi-Ware war für den Export nach Schweden bestimmt.

Sechs Tatverdächtige wurden vorübergehend festgenommen, darunter auch der 23jährige Cord Pleis aus Leer, der stellvertretende Vorsitzende der niedersächsischen Jungen Nationaldemokraten (JN). Wegen Beihilfe zur Volksverhetzung und wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen den JN-Landesvorsitzenden Danny Marquardt.

Pleis, der sich bereits mit 16 Jahren einer rechten Skinhead-Clique anschloss, ist seit etwa drei Jahren in der Jugendorganisation der NPD aktiv. Zu Beginn seiner Karriere unterstützte er die Linie des damaligen JN-Führungskaders und jetzigen NPD-Bundesvorstands, Holger Apfel, der sich für eine Kooperation seiner Organisation mit den militanten Neo-Faschisten um das Hamburger Nazi-Duo Christian Worch und Thomas Wulff stark machte. Einer breiteren Öffentlichkeit fiel Pleis bei einem Aufmarsch 1998 in Cloppenburg auf, als die Nazis lautstark die Todesstrafe für »Kinderschänder« forderten.

Der agile Neonazi, der bis vor kurzem das Label Moin-Moin-Records betrieb und als Herausgeber eines gleichnamigen Fanzines zeichnete, etablierte ein bundesweites Vertriebsnetz für Nazi-Musik. Die Produkte des Labels, das von Jens Siefert, einem ehemaligen FAP-Mitglied, betreut wird, erfreuen sich inzwischen auch international größter Beliebtheit. Zur Kundschaft von Moin-Moin gehören jedoch nicht nur Nazi-Skins, sondern auch Kameraden aus der NS-Black-Metal-Szene. So durfte etwa der wegen Mordes verurteile Hendrik Möbus, Sänger der Band »Absurd«, im Moin-Moin-Fanzine seine wirren Ansichten zum Besten geben (Jungle World, 3/99).

Immer wieder sorgen auch die vom Moin-Moin-Umfeld organisierten Nazi-Konzerte für Aufsehen in der Region. So ging im Oktober vorigen Jahres ein Skin-Konzert in Holterfehn nahe der Kreisstadt Leer über die Bühne. Nachbarn beschwerten sich, dass die anwesenden Polizeibeamten »Heil-Hitler«-Rufe und antisemitische Parolen ignoriert hätten, statt die Veranstaltung rechtzeitig aufzulösen.

Nach offiziellen Angaben treiben inzwischen über 100 militante Nazi-Skins in Ostfriesland ihr Unwesen. Einer von ihnen ist der NPD-Sympathisant Thomas Hiebenga, der bereits wegen Körperverletzung vorbestraft ist. Hiebengas Wohnung in dem Dörfchen Weener war bis vor kurzem noch ein bekannter Treffpunkt militanter Nazi-Skins. Doch die von Pöbeleien und Gegröle begleiteten Saufgelage der Kameraden waren den Nachbarn irgendwann zuviel. Die Beschwerden über das Treiben der Neonazis häuften sich, schließlich verhängte der Bürgermeister des Ortes, Peter Freesemann, Platzverweise gegen Hiebenga und sein Gefolge. Mit zweifelhaftem Erfolg: Hiebenga zog zwar in den Nachbarort Rhauderfehn, doch betonte er gegenüber der Lokalzeitung Wecker, dass er lediglich den Ort Weener, nicht aber die rechte Szene verlassen habe. Inzwischen hat er mit Unterstützung des NPD-Bundesvorstands eine Verwaltungsklage gegen den Bürgermeister angestrengt. Schützenhilfe erhielt er unter anderen vom NPD-Bundesvorstand Frank Schwerdt und vom Pressesprecher der Partei, Klaus Beier.

Doch nicht nur NPD-Anhänger und ihre Sympathisanten sind im Nordwesten der Bundesrepublik aktiv. Vor allem antisemitische Vorfälle häufen sich in der Region. So durchsuchte die Polizei Anfang des Jahres die Geschäftsräume des in Lathen/Emsland ansässigen Ewert-Verlages. Dort stellten die Beamten knapp 200 Exemplare des Buches »Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert« in deutscher, englischer und französischer Sprache sicher. In dem mehrbändigen Machwerk von Jan Udo Holey, der unter dem Pseudonym Jan van Helsing publiziert, wird die antisemitische Propaganda der gefälschten »Protokolle der Weisen von Zion« in esoterischer Verpackung neu aufgelegt. Die »Geheimgesellschaften« sind in der Schweiz verboten und wurden bereits vor einigen Jahren in der BRD beschlagnahmt. Jetzt wird wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen den Ewert-Verlag ermittelt.

Auf esoterische Umschreibungen verzichteten zwei ostfriesische Mittzwanziger lieber gleich, als sie im Internet ihren antisemitischen Vernichtungsphantasien freien Lauf ließen. Das Amtsgericht Norden verurteilte die beiden Neonazis im Januar wegen Volksverhetzung zu Geldstrafen in Höhe von 2 700 und 1 200 Mark. Sie hatten auf ihrer Homepage unter der Bezeichnung »Jungsturm Norden« und »Judenkiller« antisemitische Witze und das Parteiprogramm der NSDAP veröffentlicht.