Putin erweitert seine Machtbasis

Infusionen für den Kreml

Der Kreml hat in der vergangenen Woche mit einem Doppelschlag seine Macht erheblich erweitert. Zunächst kündigten am Donnerstag die beiden größten Parteien neben der so genannten kommunistischen ihre Fusion an: die Partei der Einheit, eine Schöpfung des Kreml, unter dem Minister für Katastrophenschutz Sergej Schoigu und die Vaterlandspartei unter dem Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow und dem ehemaligen Premier Jewgeni Primakow. Beide sind Parteien der Macht, deren Differenz vorrangig aus unterschiedlichen Vorschlägen bestand, wer auf dem Präsidentensessel sitzen sollte. Vaterland unterstützte Primakow, der nach einer vom Kreml gesteuerten Verleumdungskampagne bereits im Januar 2000 aufgab, Einheit stand hinter dem heutigen Präsidenten Putin. Luschkow und Schoigu erklärten beide, Putin habe die für November vorgesehene Vereinigung zu segnen.

Der hat jetzt gut lachen. Die Pseudo-Opposition von gestern sammelt sich nun offen hinterm Präsidenten. »Putin formt jetzt seine eigene politische Elite«, zitierte die Moscow Times Andrej Riabow vom Moscow Carnegie Center. »Das Verfahren ist einfach: sein eigenes Einheit-Team mit der alten, aber erwiesenermaßen loyalen und nicht antagonistischen Elite von Vaterland zu mischen.«

Der neue Block hat in der Duma zusammen 131 Sitze, zwei mehr als die aus der Kommunistischen Partei und den Agrariern bestehende Allianz. Und die Anziehungskraft der Macht hat dafür gesorgt, dass zwei weitere kleinere Fraktionen mit zusammen 105 Stimmen umgehend ankündigten, den neuen Block zu unterstützen.

Der zweite Schlag folgte am Samstag. Das neue, vom Staatskonzern Gasprom eingesetzte Management des umkämpften Fernsehsenders NTW (Jungle World, 16/01) übernahm die Kontrolle über die Büros. In der Nacht hatten Sicherheitsleute von Gasprom die Wachmannschaft der alten NTW-Leitung abgelöst. Bis zum Sonntag sollen rund 350 von insgesamt 1 200 Beschäftigten den Sender aus Protest gegen die Übernahme durch Gasprom verlassen haben.

Die Reaktionen waren harsch. »Der KGB ist wieder an der Macht und lässt nun auch die unabhängigen Medien in Reih und Glied antreten«, sagte der Menschenrechtler Sergej Kowaljow. Das gefeuerte NTW-Vostandsmitglied Igor Malschenko sprach gar von einem »schleichenden Putsch« in Russland.

Tatsächlich dürfte die neue NTW-Leitung für eine dem Kreml genehme Berichterstattung sorgen. Ähnlich wie bei der geplanten Fusion von Einheits- und Vaterlandspartei tritt damit aber nur offen zutage, was bislang schon im Geheimen vor sich ging: die Auflösung einer Pseudo-Opposition, die in allen grundlegenden Dingen bestens mit der Macht im Kreml kooperierte. In einem offenen Brief auf der ersten Seite der Montagsausgabe der Iswestija, berichtete die BBC, habe einer der NTW-Gründer, Oleg Dobrodojew, geschrieben, dass der Sender in vorangegangenen Deals mit dem Kreml sich selbst diskreditiert habe; nun beschwere er sich, weil ein weiterer Deal gescheitert sei.

Dobrodojew beschuldige den nach Spanien geflüchteten ehemaligen NTW-Chef, den Magnaten Wladimir Gussinsky, eines finsteren Plans: Er habe dem Kreml eine günstigere Berichterstattung über den Tschetschenienkrieg angeboten und als Gegenleistung bessere Konditionen bei der Rückzahlung von Schulden des Pleitesenders an Staatsunternehmen verlangt. In einem Kommentar in der Moscow Times wurde Gussinski sogar der »aktiven Beteiligung an Russlands Informationsracket« beschuldigt.

Der ehemalige Generaldirektor Jewgenij Kisseljow hat mittlerweile angekündigt, beim Privatsender TB-6 »einen neuen NTW-Kanal« aufzubauen. Als schlechten Scherz begriff das niemand.