Spike Lees »Bamboozled«

Black Is, Black Ain't

Lässt sich die rassistische Ikonografie der Minstrel-Shows mit postmoderner Ironie dekonstruieren? Spike Lees Mediensatire »Bamboozled« demonstriert, warum das nicht funktioniert.

Am 3. März 1915 erlebte ein Film seine Uraufführung, der den Übergang des Kinos von der Jahrmarktsattraktion zu einem technisch und erzählerisch eigenständigen Medium markiert: D. W. Griffith' »The Birth of a Nation«. Bereits einen Monat zuvor hatte die gerade ihren sechsten Geburtstag feiernde Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) ihren Protest gegen den Film angekündigt. »Birth of a Nation« basiert auf Thomas Dixons Roman und Theaterstück »The Clansman«, einer Hommage an den Klu-Klux-Klan, deren offener Rassismus selbst für die damaligen Verhältnisse in den Südstaaten überdeutlich daherkam. Von Griffith werden Schwarze ausschließlich als dämonische Vergewaltiger oder dämlich grinsende Diener dargestellt, und die Ankunft der ersten Afrikaner in den späteren USA wird als Beginn allen Unheils gebrandmarkt, ohne dass die Sklaverei auch nur erwähnt wird.

Heftige Proteste löste Griffith' hochgradig sexualisierter Aufruf zum Rassenhass auch deshalb aus, weil Afroamerikaner von kohleschwarz geschminkten Weißen gespielt wurden. Sieht man den Film heute, wirkt das ungeheuer lächerlich, und so wirkte er auch auf damalige afroamerikanische Kinogänger. Mehrfach jedoch konnten NAACP-Aktivisten seine Aufführung verhindern, gelegentlich flogen Eier gegen die Leinwand, mehrere Schnittfassungen entstanden. Andere Mitglieder der Organisation haderten genau mit dieser Militanz, weil sie sich auch als Teil einer demokratischen Anti-Zensur-Bewegung verstanden. Doch der Kampf um das eigene Bild war noch komplizierter. Derartige »blackface«-Darstellungen, die erst ein halbes Jahrhundert nach den Protesten gegen die Fernsehserie »Amos'n'Andy« von den amerikanischen Leinwänden verschwanden, wurden nämlich nicht nur von weißen Schauspieler übernommen. Auch afroamerikanische Artisten und vor allem Komiker waren in jenen Jahren des frühen Kinos gezwungen, sich das Gesicht zu schwärzen, um die rassistischen Stereotypen, wie sie sich in den Minstrel- und Vaudeville-Shows des 19. Jahrhunderts entwickelt hatten, zu legitimieren.

Die Mitwirkung von Afroamerikanern an den diskriminierenden Veranstaltungen wurde in der schwarzen Öffentlichkeit heftig diskutiert. Der heute vergessene afroamerikanische Filmkritiker Lester A. Walton formulierte bereits 1909 als einer der Pioniere einer semiotischen Medienkritik seine Einwände, und James Baldwin erinnert sich, wie selbst ein Sidney Poitier noch im naiv-versöhnlichen »Flucht in Ketten« 1958 von Zuschauern in Harlem ausgebuht wurde.

Wenn in der hiesigen Presse zu lesen ist, Spike Lee fasse mit »Bamboozled« (deutsch: für dumm verkauft) »mutig« oder gar »zum ersten Mal« ein »kontroverses« und »wichtiges« Thema an, dann ist das im besten Fall Ignoranz. Er weiß eine lange Tradition hinter sich, weil die Geschichte des Rassismus nicht ohne die Geschichte des Widerstands seiner Opfer zu erzählen ist.

Als Spike Lees Produktionsfirma 40 acres and a mule - deren Namen an das gebrochene Versprechen der US-Regierung erinnert, befreiten Sklaven 40 Morgen Land und ein Maultier zur Verfügung zu stellen - vor dem Filmstart im letzten Herbst Fotos für die Werbekampagne bei der New York Times einreichte, wurde der Diskurs um »race«, political correctness, Medienpolitik und Zensur um einige Komplexitätsgrade bereichert.

Die New York Times, nicht gerade die Speerspitze liberaler Politik in den Vereinigten Staaten, lehnte den Abdruck von Fotos ab, auf denen schwarze Schauspieler mit blackface und in Minstrel-Posen zu sehen waren. Die Bilder seien rassistisch, eine so »beleidigende« Anzeige werde man nicht drucken. Dass das Correctness-Argument gegen progressive Künstler verwendet wird, ist nicht neu. Vor allem in der New Yorker Stadtverwaltung kam es immer wieder zu einem derartigen Kurzschluss von konservativer Zensurabsicht und progressiver Rhetorik, der meistens jedoch Angehörige sexueller Minderheiten betraf.

Angelehnt an medienkrititische Filme wie Mel Brooks' »Frühling für Hitler« oder Sidney Lumets »Network« lässt Lee in »Bamboozled«, der in Deutschland unter dem nichtssagenden Titel »It's Showtime« läuft, einen seiner schlimmsten Albträume wahr werden: die »New Millennium Minstrel Show«. Geschickt verbindet »Bamboozled« die Frage nach dem Umgang mit dem rassistischen Filmerbe mit der Auseinandersetzung um die Definition und Vereinnahmung afroamerikanischer Kultur - zwischen den Polen Gangster-Rap und Kanak Chic. Für nur acht Millionen Dollar auf digitalem Video gedreht, weil kein Studio das Projekt als Film finanzieren wollte, erzählt »Bamboozled« zwei ineinander verschränkte Geschichten.

Wie leider so oft bei Spike Lees seltsam unwuchtigen Filmen der neunziger Jahre ist der Plot schnell erzählt. Eine Geschichte handelt vom affektierten afroamerikanischen Drehbuchautor Pierre Delacroix (Damon Wayans), der von einem Tarantino verehrenden weißen Produzenten mit Vorliebe für das »N-word« (großartig als ekliger Black-culture-Aficionado: Michael Rapaport) dazu genötigt wird, einmal »tief in seiner schwarzen Seele« nach Ideen zu graben, statt sich mit erfolglosen Mittelklasse-Themen aufzuhalten, die doch eh niemanden interessierten. Außerdem wisse er am besten, was schwarze Kultur sei.

Delacroix, Harvard-Absolvent und Sohn eines abgehalfterten Entertainers, der sein Dasein mit dem Erzählen von sexistischen Witzen in schwarzen Clubs fristet, entwickelt zunächst widerwillig, dann zunehmend begeistert, eine moderne Minstrel-Show, die alle Grenzen des »Geschmacks« und der Korrektheit überschreitet. Anders als von Delacroix erwartet - aber für den »Bamboozled«-Zuschauer ziemlich absehbar -, entwickelt sie sich zum nostalgischen Quotenhit und löst landesweit Stürme der Begeisterung aus. Blackface wird zum vermeintlich post-rassistischen Modetrend der Saison - und irgendwann sieht man ein komplett geschwärztes Studiopublikum in einem ekstatischen Akt der Selbstethnifizierung »Nigger!« ausrufen. Das ist tatsächlich unerhört unheimlich, dagegen wirken selbst die demonstrierenden NAACP-Kritiker nurmehr lächerlich.

Parallel dazu erzählt Lee von den beiden obdachlosen Straßenkünstlern Manray (Savion Glover) und Womack (Tommy Davidson), die unter den Namen Mantan und Sleep'n'Eat zu den Stars der Show aufsteigen. In der Geschichte der beiden mit ihren Rollen hadernden Darsteller zeichnet Lee noch einmal die Selbstzweifel der historischen Minstrel-Künstler wie Steppin Fetchin, Mantan Moreland oder Bert Williams nach. Wütend über den Erfolg der Show, entführen die Mau Maus, eine vom Rapper Big Black Afrika (Mos Def) angeführte schwarznationalistische Posse, den steppenden Mantan und die Katastrophe nimmt ihren Lauf.

Eine gute Story sieht anders aus. Dennoch ist »Bamboozled« wahrscheinlich der beste und politischste Spike-Lee-Film seit »Do The Right Thing«. Lee fragt nach der Definitionsmacht über ethnische »Identität« und deren Spuren in Bildern, die scheinbar zu frei verfügbaren Zeichen geworden sind, weil sie schon immer vor allem eins waren: Inszenierungen, die allerdings auf einer historisch-traumatischen Realität beruhen.

Über weite Strecken gelingt es ihm dabei, seine Kritik postmoderner Ironie überaus komisch und detailbesessen zu entfalten, wenn er auch nicht immer wirklich die Kontrolle über die von ihm aufgescheuchten Dämonen wahren kann und auch gelegentlich brachial kalauert.

»It's Showtime«; USA 2000. Buch und Regie: Spike Lee. Start: 10.Mai