Spike Lee, Regisseur

»Gangster-Rap ist eine Minstrel-Show«

Das Kino hat die rassistische Geschichte von Minstrel und Blackface verdrängt. In Spike Lees Mediensatire »Bamboozled« kehren die Bilder des »dummen Niggers« mit Macht zurück. Die postironische Minstrel-Show wird zum Quotenhit, Blackface zum Afro-Chic. Ist die Ridikülisierung rassistischer Ikonografien eine geeignete Gegenstrategie?

Ist »Bamboozled« eine Kritik daran, dass Identitäten, die auf Konzepten wie »race« beruhen, willkürlich hergestellt werden und sich deshalb auch beliebig ironisieren lassen?

»Bamboozled« handelt von der historisch falschen Darstellung bestimmter Leute. Konkret: Von der Darstellung von Afroamerikanern. Man hätte so einen Film aber auch über jede andere Gruppe von Menschen machen können. Über die verzerrende Darstellung von Frauen im Kino und im Fernsehen. Von native americans oder auch von Schwulen. Dieser Film handelt von der falschen Darstellung einer Gruppe von Menschen durch Bilder, die erniedrigen, entwürdigen, entmenschlichen und beleidigen. Und davon, wie jeder es merkt.

Wollen Sie Ihre Zuschauer verunsichern oder zum Lachen bringen?

In meinem Film gerät das Publikum wiederholt in die Situation, an bestimmten Stellen vielleicht lachen zu wollen, aber nicht zu wissen, ob man an der Stelle eigentlich lachen darf. Und manche Sachen sind einfach lustig, das muss ich zugeben. Wenn man sich die alten Filme anschaut - Performer wie Steppin Fetchin, Bert Williams oder Mantan Moreland waren große Künstler, und deswegen konnten sie auch gelegentlich die Stereotypen überwinden, die sie zu spielen hatten.

Sie beziehen den Rassismus der Minstrel-Shows nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Gegenwart.

Und auf die Zukunft. Ich glaube, dass Gangster-Rap die Form der Minstrel-Show für das 21. Jahrhundert ist. Auch damit werden die Leute »bamboozled« - für dumm verkauft. Es gibt Unmengen von weißen Vorstadtkids, die all das nachahmen wollen.

Ihr Film endet mit einer Montage historischer Blackface-Aufnahmen. Sind diese Bilder heute noch im Umlauf?

Nein. Die Leute, die darüber verfügen, tun so, als hätte es all das nicht gegeben. Wenn man den in »Bamboozled« zitierten Film mit Judy Garland und Mickey Rooney heute im Fernsehen sieht, dann fehlt diese Szene. So auch im Falle eines Filmes mit Bing Crosby.

Wie sollte mit diesem rassistischen Filmerbe umgegangen werden?

Ich finde natürlich, diese Szenen sollten in den Filmen zu sehen sein.

Sind Sie demnach der Ansicht, dass der amerikanische Liberalismus bestimmte Fragen eher tabuisiert als gelöst hat?

Eine der guten Seiten bei der Produktion dieses Filmes war, dass wir, die Crew, die Schauspieler und ich, Sachen sehen mussten, die wir nie zuvor gesehen hatten. Wir haben dabei viel gelernt. Ich habe noch nie in meinem Leben gesehen, wie Judy Garland Blackface auflegt. Ich habe auch Bugs Bunny noch nie in Blackface gesehen. Diesen Cartoon wollten wir auch im Film zeigen, aber Warner Bros. haben uns das nicht gestattet.

Dass Warner diese Ausschnitte aussortiert hat, könnte aber doch darauf hindeuten, dass sich seit der Bürgerrechtsbewegung etwas in der Öffentlichkeit verändert hat.

Die Frage ist meiner Meinung nach viel eher: Wer will diese Bilder nicht mehr sehen? Dieser Clip existiert ja, und er ist Teil der Warner-Bros-Geschichte. Warner ist dieser Clip peinlich, und deshalb wollen sie ihn einfach unter den Teppich kehren. Man kann sich nicht aussuchen, was man bereit ist, den Zuschauern an menschlicher Barbarei zu zeigen. Man kann nicht Bilder vom Holocaust zeigen, ohne zu zeigen, was in Amerika passiert ist. Es ist doch eine Illusion zu glauben, in den Vereinigten Staaten im Jahre 2001 hätte sich so viel verändert. Fragen Sie doch mal die schwarzen Wähler in Florida, die man davon abgehalten hat zu wählen. Allerdings habe ich nie gesagt, es gebe in den USA keinen Fortschritt. Aber schauen Sie sich doch mal die schwarzen Charaktere in Filmen wie »The Green Mile« oder »Family Man« an. Diese Filme wurden in der Gegenwart gedreht. Und im amerikanischen Fernsehen ist es noch viel schlimmer. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, den Zuschauern diese Ausschnitte immer wieder zu zeigen. Meine Schlussmontage mit alten Minstrel- und Blackface-Aufnahmen zeigt sehr hasserfüllte Bilder. Das sind vier Minuten aus der hundertjährigen Geschichte des Kinos. Man hätte ohne Weiteres einen Zweistundenfilm aus diesen Aufnahmen machen können.

In Ihrem Film tritt eine äußerst dubiose PR-Expertin auf, die den Rassismus der fiktiven Minstrel-Show verteidigt. Warum trägt ausgerechnet sie einen jüdischen Namen?

Weil es eben auch Juden gibt, die in der Presse arbeiten. Ich finde es unglaublich, dass es ein ungeschriebenes Gesetzt gibt, man dürfe nur hunderprozentig gute und perfekte jüdische Charaktere entwerfen. Diese Zwangsjacke ziehe ich mir nicht an. Ich glaube, dass man das machen kann - solange es kein Stereotyp ist.

Das war nicht meine Frage, und vor dem Hintergrund Ihrer Äußerungen zum Holocaust finde ich das nicht sonderlich überzeugend. Die Rolle dieser manipulativen, jüdischen PR-Expertin beruht auf einem Stereotyp. Und das geschieht in einem Film, der ansonsten auf sehr kluge Weise das Verhältnis von Stereotypen und Unterhaltungsindustrie kritisiert.

Ich finde es sehr lustig, dass wir Schwarzen sofort kritisiert werden, wenn wir darüber reden, wie wir unterdrückt wurden. An jedem Tag, den ich in den Vereinigten Staaten lebe, höre ich dagegen vom Holocaust. Täglich wird mir vom Holocaust erzählt, und ich glaube nicht, dass das schlecht ist. Aber ob Sie es glauben oder nicht, es gibt auch andere unterdrückte Gruppen in diesem Land und in dieser Welt. Schwarze waren 400 Jahre lang Sklaven. Überlegen Sie sich doch mal, welch einem Denken diese Bilder entsprungen sind, die man in meinem Film sieht: nicht nur die Filmausschnitte, sondern auch die Spielzeugsammlung, die man in den Endcredits sieht. Diese Bilder sprechen uns jede Menschlichkeit ab. Dennoch sind sie Teil von Tausenden Filmen und TV-Shows.

Unter anderem parodieren Sie die Tommy-Hilfiger-Werbung als »Timmy-Hillnigger-Kampagne«. Trifft Sie der Vorwurf, das sei scheinheilig, weil Sie für Nike arbeiten und ein Meister der Vermarktung sind.

Ich glaube, wenn ich Werbung mache, steht das nicht im direkten Widerspruch zu meiner Arbeit als Filmemacher.

Kann man eine Trennlinie ziehen zwischen der Anerkennung der afroamerikanischen Kultur einerseits und ihrer Ausbeutung andererseits?

Das ist auch die Frage, die der Film stellt: Was ist schwarze Kultur? Und wer definiert, was schwarze Kultur ist? Ich hoffe, dass die Leute bei der Casting-Szene im Theater, in der verschiedene Facetten afroamerikanischer Kultur zu sehen sind, darüber nachdenken. Der Unterschied könnte an einer Figur wie dem fiktiven weißen Fernsehproduzenten Dunwitty klar werden. Seine »Anerkennung« der afroamerikanischen Kultur ist von egoistischen und finanziellen Motiven gesteuert. Die Leute lachen über das Statement von Dunnwitty, wenn er sagt: »I know black people better than you do.« Aber das ist genau, was mir Quentin Tarantino einmal gesagt hat. Was ja wohl heißen sollte: Schwarze mögen seine Filme lieber als meine. Ich habe gelacht, aber er meinte das ernst.