Drohungen gegen Aserbaidschan

Mullahs in Öl

Mit militärischen Drohungen will sich das iranische Regime einen größeren Anteil an den Energievorräten im Kaspischen Meer sichern.

Die Drohung war kaum verhüllt. Die Regierung Aserbaidschans »sollte das Land so regieren, dass das iranische Volk nicht die Rückkehr zum Iran verlangt«, forderte Mohsen Rasai Ende Juli. Schließlich habe das Land ursprünglich zum Persischen Reich gehört und sei erst 1828 endgültig Russland zugeordnet worden. Rasai, der zu den islamistischen Revolutionären der ersten Stunde gehörte und Oberkommandierender der paramilitärischen Revolutionswächter (Pasdaran) war, ist derzeit Sekretär des Schlichtungsrates, der Ali Khamenei, den religiösen Führer des Iran, berät.

Mit seiner nationalistischen Attacke kommentierte Rasai einen Konflikt, der von einem Vertreter des US-Außenministeriums als »Bedrohung, die das Potenzial für einen sehr ernsten Zwischenfall« habe, eingestuft wurde. Am 23. Juli hatte ein iranisches Kriegsschiff die Geophysic III, ein von der aserbaidschanischen Regierung vom britischen Ölkonzern BP geleastes Forschungsschiff, zum Rückzug aus den Gewässern gezwungen (Jungle World, 32/01), auf die sowohl der Iran als auch Aserbaidschan Anspruch erheben. Am folgenden Tag vertrieb ein iranisches Kampfflugzeug ein weiteres aserbaidschanisches Schiff, und in den Tagen danach sollen nach aserbaidschanischen Angaben iranische Militärjets noch zweimal in den Luftraum Aserbaidschans eingedrungen sein.

BP wollte geologische Untersuchungen und Bohrungen für ein Projekt durchführen, dessen Wert auf neun Milliarden Dollar geschätzt wird. Dass dieses Projekt vom Iran mit militärischen Drohungen gestoppt wurde, hätte zum Krieg führen können, wenn Aserbaidschan ebenfalls seine Flotte und Luftwaffe mobilisiert hätte. Die Regierung Aserbaidschans begnügte sich jedoch mit einer Protestnote, die am 24. Juli übergeben wurde. Am selben Tag erklärte der britische Botschafter in Teheran, dass in Zukunft kein britisches Unternehmen mehr in den umstrittenen Gewässern operieren werde.

Teheran vertritt den Standpunkt, die zwei Schiffe hätten sich in iranischen Gewässern aufgehalten, Marine und Luftwaffe mussten, so eine Erklärung des Außenministeriums, die »legitimen Rechte und Interessen« des Iran verteidigen. Tatsächlich ist die Aufteilung des Kaspischen Meeres rechtlich umstritten. Fünf Milliarden Barrel Öl und gewaltige Erdgasvorkommen werden unter dem Meeresgrund vermutet, der Streit um sie ist Teil der Konkurrenz um die Energievorräte Mittelasiens und des Kaukasus, die sich in den kommenden Jahren zum bedeutendsten geo-ökonomischen Konflikt entwickeln könnte.

Iran beruft sich auf bilaterale Verträge mit der Sowjetunion und fordert, dass alle fünf Anrainer-Staaten - Aserbaidschan, Kasachstan, Iran, Russland und Turkmenistan - jeweils 20 Prozent des Meeresgebiets bekommen. Aserbaidschan will sich bei der Aufteilung an der Länge der Küstenlinie orientieren, dem Iran würden dann nur 13 Prozent zustehen. Auch andere Anrainer-Staaten streiten um die Grenzlinien, im Oktober soll in Eschgabad, der Hauptstadt von Turkmenistan, weiter verhandelt werden.

Der aserbaidschanische Präsident Heidar Alijew beabsichtigt, im August Teheran zu besuchen. Er kann jedoch nicht mit einer konzilianten Haltung der iranischen Machthaber rechnen, die offenbar auf ihren Forderungen bestehen wollen. Die iranische Position wurde von der Parlamentsabgeordneten Elahe Koulaie formuliert, die Aserbaidschan vorwarf, den Einfluss der USA und der Nato in der Region stärken zu wollen. Alle islamistischen Fraktionen teilen Khameneis Position, der auswärtige Mächte, vor allem die USA, vom Kaspischen Meer fern halten will.

Hinter die Regierung Aserbaidschans haben sich die Türkei und die USA gestellt, die bei ernsten militärischen Übergriffen des Iran wahrscheinlich intervenieren würden. Das iranische Regime setzt auf die Unterstützung Armeniens, Griechenlands und vor allem Russlands - eine Bündnispolitik, die nicht ganz mit der islamistischen Ideologie übereinstimmt. In Aserbaidschan unterstützt der Iran islamistische Gruppen, doch auch das christlich-orthodoxe Armenien erhält politische, militärische und finanzielle Hilfe. Ob jedoch das Nato-Mitglied Griechenland und die schwache armenische Regierung bei einer Eskalation des Konflikts den Iran unterstützen können und wollen, ist fraglich. Mit Russland allerdings gibt es bedeutende gemeinsame Interessen.

In der iranischen Außenpolitik treten die panislamischen Parolen immer mehr in den Hintergrund. Stattdessen versprechen sich die Mullahs von einer nationalistischen Mobilisierung größere Erfolge bei der Bevölkerung, die von der Entwicklung der Islamischen Republik enttäuscht ist. Die militärische Machtentfaltung ist zugleich eine Warnung an Oppositionelle im Inneren. Vor allem aber ist die iranische Staatsklasse weniger vom Segen Gottes als von hohen Öleinnahmen abhängig. Die Selbstprivilegierung und der Machterhalt basieren auf der Kontrolle der Ölproduktion, und die Staatsklasse ist ständig bestrebt, diese Ölrente durch die Erschließung weiterer Ölquellen oder durch die Erhöhung des Ölpreises zu steigern.

Ab September will die Opec nach iranischen Angaben den Ölhahn ein wenig zudrehen. Täglich soll eine Million Barrel weniger verkauft werden. Ziel der Opec ist es, den Ölpreis nicht unter 22 Dollar pro Barrel fallen zu lassen. Mitte Juli lag er knapp über diesem Niveau, zu wenig nach Ansicht der Mullahs. Die elf Opec-Staaten kontrollieren 40 Prozent der gesamten Rohölproduktion, die meisten von ihnen sind abhängig von der Ölrente. Sie sind nicht zuletzt deshalb auf hohe Ölpreise angewiesen, weil sie nur so ihre hohen Rüstungsausgaben finanzieren können.

Während die Öldollars schnell wieder in den Westen - oder im Falle Irans nach Russland - gelangen, treffen die Ölpreissteigerungen besonders die ärmsten Länder, die auf Ölimporte angewiesen sind. Heute verbrauchen die so genannten Entwicklungsländer etwa 40 Prozent des Öls, in den siebziger Jahren waren es noch 26 Prozent. Hatte sich das islamistische Regime im Iran anfangs in seiner Propaganda noch als antiimperialistische Führungsmacht zu profilieren versucht, verkündet Außenminister Kamal Kharazi heute eine offen nationalistische Politik: »Iran ist entschlossen, seine Interessen im Kaspischen Meer zu vertreten.«