Verhandlungen und Gefechte in Mazedonien

Terroristen werden Polizisten

Sprache ist verräterisch. Seitdem bewaffnete Sezessionisten im Februar damit begannen, die albanische Frage auch in Mazedonien auf die Tagesordnung zu bomben, merkt man das in fast jedem Artikel über die Nationale Befreiungsarmee UCK. So folgte dem raschen Rückzug der »isolierten Terroristen« und »Extremisten« aus den Zeitungsspalten schon bald der rasante Aufstieg einer neuen Bewegung. Spätestens seit Joseph Fischers Besuch in Skopje Ende März ist von »albanischen Freiheitskämpfern« und »Rebellen« die Rede, wenn es um die UCK geht.

Parallel zur sprachlichen Aufwertung der großalbanischen Ethnokrieger verläuft die gewaltsame Transformation des mazedonischen Staates. Einfache Regierungsvertreter werden inzwischen zu »Slawo-Mazedoniern« oder »Slawo-Nationalisten« (Spiegel) degradiert. Der republikanische Bürgerbegriff, der seit der Lösung von Jugoslawien im Jahr 1992 das Selbstverständnis des Landes prägte, weicht einem ethnischen. Nicht umsonst steht die Beförderung des Albanischen zur zweiten Staatssprache ganz oben auf dem Forderungskatalog der Nationalisten. Und ihre bewaffneten ebenso wie ihre parlamentarischen Vertreter fordern die Erhebung der albanischen Minderheit in den verfassungsmäßigen Status eines zweiten »Staatsvolkes«. Außerdem sollen Gesetze künftig nur noch Rechtskraft erhalten, wenn die Hälfte der albanischen Parlamentsabgeordneten einverstanden ist.

Was bei den von der EU und den USA diktierten Verhandlungen unter dem Euphemismus »konsensuale Demokratie« firmiert, ist in Wirklichkeit ein Frontalangriff auf die staatliche Souveränität Mazedoniens. Die Reaktionen der Balkanprotektoratsmächte auf Kritik aus Skopje legen nahe, dass es Brüssel, Berlin und Washington genau darum auch geht. Ende Juli etwa sagten Javier Solana, der außenpolitische Koordinator der EU, und Nato-Generalsekretär George Robertson einen geplanten Besuch in Mazedonien einfach ab. Und zwar nur, weil Ministerpräsident Ljubco Georgievski erklärt hatte, die UCK agiere »mit der logistischen Unterstützung der so genannten westlichen Demokratien«.

Als Vorwurf mag man die Äußerung schon gar nicht mehr bezeichnen, eher handelt es sich um eine nüchterne Beschreibung der Kräfteverhältnisse bei der Zerschlagung der mazedonischen Demokratie. Denn auch wenn die albanischen Sezessionisten mit ihrer Forderung nach einer Föderalisierung des Landes entlang ethnischer Trennlinien bislang nicht durchgekommen sind, bescherten ihnen die Verhandlungsführer am Wochenende die ersten quasistaatlichen Würden. Die Stärkung der albanischen Minderheit in den Reihen der mazedonischen Polizei dürfte der erste Schritt zur Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols sein.

Die Ankündigung der EU, den Aufstieg der Sezessionisten in der Polizeihierarchie von Dutzenden ausländischen Experten absichern zu lassen, kann daher nur als Drohung verstanden werden. Mittelfristig bedeutet das nicht weniger als die Ablösung des bisherigen Souveräns durch die internationale Protekoratsbürokratie. An die Substanz des bürgerlichen Staates geht jedoch vor allem die Aufwertung der UCK-Kämpfer. Wie im Kosovo dürften ganze Brigaden der Untergrundarmee in die regulären Polizeikräfte übernommen werden, führende Kader könnten schon bald an der Spitze staatlicher Hundertschaften stehen.

Wer dann die bereits heute von der UCK beherrschten Gebiete Mazedoniens kontrolliert, wird einem wohl wieder die Wortwahl in den Zeitungsspalten verraten. Eine erfolgreiche Integration der Sezessionisten in den mazedonischen Polizeiapparat vorausgesetzt, dürfte es an wohlfeilen Formulierungen nicht mangeln. Nur ein Wort wird man vergeblich suchen: »Staatsterroristen«.