Wahlplakate der Grünen

Märchenstunde in Pastell

Der Wahlkampf tobt in Berlin. Es geht um Verrat, um geschlechtliche Orientierung und um die Zukunft und das Wohl der Stadt, da sind sich alle Parteien, alle großen bzw. groß gewordenen Parteien einig.

Nur eine Konkurrentin im Kampf um die Stimmen fällt in diesem brutalen Wettkampf mit leisen Tönen auf. Ihre Wahlplakate sehen aus wie in einer Kita gemalt, die Farben sind in Pastell gehalten und die Botschaft auch. So wollen die Grünen an die Regierung kommen. Doch die WählerInnen gehen nicht mehr zur Kita, sondern sind auch schon groß und erwachsen.

Ob Sibyll Klotz das weiß? Sie ist die Spitzenkandidatin ihrer Partei und muss sich mit Figuren wie Klaus Wowereit, Gregor Gysi, Frank Steffel und Günter Rexrodt messen. »Vielfalt statt Einfalt«, lautet ihr Motto. Warum eigentlich nicht gleich: Jetzt wird nicht gekleckert, sondern geklotzt? Warum nicht irgend etwas anderes Nichtssagendes? Man weiß es nicht.

Für die Berliner Grünen soll Waschtag sein am 21. Oktober. Dafür hat man die Partei in ein Waschmittel umgewandelt, ja sogar in ein »Filzwaschmittel«. Zumindest auf den Wahlplakaten. Soll eine unglaublich witzige Anspielung auf die Korruption unter dem ehemaligen CDU/SPD-Senat sein. Gegen Filz haben die Menschen ja bekanntlich was. Da bietet sich »die saubere Alternative« natürlich an. Vor allem auch wegen des »Rot-Rot-Blockers«, den das Polit-Waschmittel enthalten soll. Sauber, gegen Rot und gegen Filz - das grüne Werbebüro könnte das gleiche sein, das die Kampagnen von Jörg Haider in Österreich entwirft.

Auch auf einem anderen grünen Wahlplakat ist das Waschmittelmotiv zu sehen, darauf ist zu lesen: »Für wenig Geld vom Fleck weg«. Es geht um billiges U-Bahn-Fahren. Statt Rot-Rot-Blocker ist dem Verkehrswaschmittel ein »Plus an Verkehrs-Know-How« beigefügt. Damit hat der Humorpegel ungefähr das Niveau der Bully-Parade erreicht. Wenn es jetzt noch schlechter wird, wird es schon wieder gut.

Aber erstmal wird es nur älter. Denn so viele neue Plakate haben die Grünen nicht im Angebot. Die Partei muss sparen, schließlich hat man bei der letzten Abgeordnetenhauswahl gut ein Drittel der WählerInnen verloren. Also hängt man die Plakate der Kampagne, mit der man dieses Drittel verloren hat, einfach noch mal auf. Vielleicht verliert man ja wieder ein Drittel. Mit derart einprägsamen Botschaften kein Problem: »So schmeckt Weltstadt«. Politik zwischen Artischocke, Knoblauch, Kartoffel und Currywurst.

Völlig lustig auch das Plakat mit der Frage: »Was machen wir mit der SPD?«. Darauf ist ein klingelnder Wecker abgebildet. Aufwecken, aha! Nur dumm, dass die SPD in den Umfragen auf und davon marschiert und, wenn es so weiter geht, die Grünen nicht mal für eine Koalition braucht. Also doch gute Nacht?

Am allerschönsten ist das Plakat, das Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, in ihrem ehemaligen Wahlkreis, den sie nie gewinnen konnte, im Prenzlauer Berg plakatieren lässt. Hier erreicht die Märchenstunde ihren Höhepunkt. Birthler teilt den Menschen auf den Straßen und Plätzen mit: »Weil wir Kinder haben, brauchen wir Farbe und Lust und Mut und Zärtlichkeit.« Und Kita-Plätze, ein ferngesteuertes Spielzeugauto, ein Puky-Fahrrad und einen tragbaren My-first-Sony für die Benjamin-Blümchen-Kassetten. Berlin ist anders, behaupten die Grünen. Hoffentlich ganz anders.