Maßnahmen zur Terrorbekämpfung

Schily packt's

Es ist mal wieder Herbst in Deutschland. Doch diesmal ist alles anders als 1977: Der Feind kommt von außen, deutsche Terroristen gibt es nicht mehr, zumindest keine linken, und auch keinen Sympathisantensumpf, den man trocken legen müsste. Nur die Zustimmung zu den »Antiterrormaßnahmen« dürfte in der Bevölkerung vor 24 Jahren ähnlich groß gewesen sein wie heute. Nach einer Emnid-Umfrage befürworten zwei Drittel der Deutschen den Einsatz der Bundeswehr zur Terrorbekämpfung im Inland, drei Viertel wollen den Datenschutz einschränken und 84 Prozent sind dafür, die Befugnisse verdeckter Ermittler zu erweitern.

In den siebziger Jahren gab es immerhin eine nicht unerhebliche Zahl deutscher Staatsbürger, die von der Terrorhysterie direkt in Mitleidenschaft gezogen wurden. Schließlich standen Langhaarige unter Generalverdacht und eine Fahrt im buntbemalten VW-Bus konnte durchaus lebensgefährlich werden, wenn man in eine der zahllosen Kontrollen mit nervösen Polizisten geriet. Doch wer damals lange Haare hatte und klapprige VW-Busse fuhr, ist heute bei den Grünen, und die sind Regierungspartei. Und als solche können sie den »berechtigten Ruf nach mehr Sicherheit«, wie es beim grünen Länderrat am vergangenen Samstag in Berlin hieß, nicht länger ignorieren. Also sind jetzt auch die Grünen nicht mehr dagegen, sondern dafür: für die Rasterfahndung, für eine effiziente Zusammenarbeit der Geheimdienste, für eine bessere Ausstattung der Polizei.

Der oberste Dienstherr in Sachen Innerer Sicherheit ist ebenfalls jemand, der die Einschränkungen der Grund-, Freiheits- und Anwaltsrechte von 1977 als »Terroristenanwalt« am eigenen Leibe erfahren durfte: Otto Schily. Was die Läuterung und Heimkehr in die Schutz- und Trutzgemeinschaft der Demokraten anging, war er den Grünen immer einen Schritt voraus, deshalb hat er es ja auch bis zum Minister für Innere Sicherheit gebracht.

Schily hat nun, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, das zweite Anti-Terror-Paket binnen vier Wochen geschnürt. Unter anderem hat er eine Idee seines bayerischen Kollegen Günther Beckstein hineingepackt. Wer in Zukunft ein Visum für die Einreise nach Deutschland beantragt, dem sollen Fingerabdrücke abgenommen werden, um sie dann in einer Zentralkartei zu speichern, der Tourist wird zum potenziellen Attentäter.

Außerdem soll der Abschiebeschutz weiter ausgehöhlt werden, der Bundesgrenzschutz (BGS) darf bald noch mehr kontrollieren und die Kronzeugenregelung soll wieder eingeführt werden und zwar uneingeschränkt für alle Straftaten.

Vor allem dies offenbart, dass es nicht wirklich darum geht, Terroristen zu bekämpfen. Die allgemeine Hysterie soll dazu benutzt werden, die Grund- und Freiheitsrechte weiter einzuschränken. Auch Finanzminister Hans Eichel ist auf den Zug aufgesprungen. Er will das Bankgeheimnis durch eine zentrale Kontendatei aushebeln. Der Polizeistaat soll ausgebaut und Deutschland vor Immigranten und Flüchtlingen, so gut es geht, abgeschottet werden. Und natürlich sollen diese Maßnahmen der verunsicherten Bevölkerung vorgaukeln, es gebe tatsächlich einen Schutz vor Terroristen, die derart koordiniert und skrupellos vorgehen wie die Massenmörder von New York und Washington.

Der Wähler schluckt das Placebo gern, schließlich sind die Leidtragenden der Gesetzesverschärfungen vorerst vor allem die anderen: die ohne deutschen Pass. Dass diese Menschen besonders gern von der Polizei und dem BGS kontrolliert werden, stört niemanden. So sind die Deutschen mit sich und ihrem Innenminister zufrieden. Emnid zufolge finden 66 Prozent, Schily tue das Richtige im Kampf gegen den Terrorismus. Also dürfte das dritte Paket nicht lange auf sich warten lassen.