Versorgungskrise in Nordkorea

Sieg ohne Strom

In Nordkorea sind trotz der Hilfe der Uno die Energieversorgung, das Verkehrs- und das Gesundheitswesen kollabiert.

Die Medien in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK), allen voran das Zentralorgan der Arbeiterpartei Koreas, Rodong Sinmun, betonen dieser Tage, dass die »Völker der Welt dem 21. Jahrhundert unter der weisen Anleitung des geliebten Führers Kim Jong Il als dem Jahrhundert des Sieges der sozialistischen Ideen« entgegenmarschieren. Doch trotz dieser Prophezeiung steht dem überwiegenden Teil der nordkoreanischen Bevölkerung eine düstere Zukunft bevor.

Naturkatastrophen wie die von den asiatischen Medien als »Jahrtausenddürre« bezeichnete Trockenperiode im letzten Frühjahr, vor allem aber staatliche Misswirtschaft und exzessiver Raubbau an der Natur führten dazu, dass die Volksrepublik seit Mitte der neunziger Jahre fast vollständig von ausländischer Hilfe abhängig ist. Im Rahmen des Welternährungsprogramms der Uno wurden seit 1995 ungefähr zwei Millionen Tonnen Getreide geliefert, es ist eine der umfangreichsten Rettungsaktionen in der Geschichte der UN-Organisation.

Doch ungeachtet dieser seit Jahren währenden Hilfe grassiert der Hunger im Lande. Eine Unicef-Studie ergab 1998, dass zwei Drittel der untersuchten Kinder zwischen sechs Monaten und sieben Jahren chronisch unterernährt waren. Humanitäre Organisationen, die in der Volksrepublik tätig sind, rechnen mit zwei Millionen Hungertoten. Über 100 000 Menschen sind aus Nordkorea in die Volksrepublik China geflohen. Kenner der Region rechnen mit weiteren 350 000 Hungerflüchtlingen. Diese schrecklichen Tatsachen lassen den Schluss zu, dass die Hilfslieferungen ihre Adressaten nicht erreichen. Ein großer Teil wird wohl an die über eine Million Angehörigen der Volksarmee umgeleitet. Des Weiteren existieren Berichte, dass auch heute noch Lebensmittel für den Fall einer neuen Auseinandersetzung mit dem Süden gehortet werden.

Neben der Ernährungssituation macht dem überwiegenden Teil der nordkoreanischen Bevölkerung vor allem der fast vollständige Zusammenbruch der Energieversorgung sowie des Verkehrs- und des Gesundheitswesens zu schaffen.

Es gibt keine Medikamente, nicht einmal schmerzstillende Mittel, keine Antibiotika, Verbände, OP- und Laboreinrichtungen. Nach übereinstimmenden Berichten hält dieser Zustand schon seit über zehn Jahren an. Hinzu kommt, dass es in den Krankenhäusern - wie fast überall im Lande - nur selten fließendes Wasser gibt. Das Sanitärsystem existiert faktisch nicht mehr.

Norbert Vollertsen, der fast zwei Jahre für Kap Anamur in Nordkorea tätig war, berichtet, dass der Staat schon seit Jahren die Krankenhäuser verfallen lässt. Anstatt den Einrichtungen Brennstoffe zu liefern, verkaufen die nordkoreanischen Behörden Kohle an die Hilfsorganisationen, die dann ihrerseits die von ihnen betreuten Krankenhäuser damit versorgen.

Die medizinischen Einrichtungen sind verwahrlost, wie eine Notiz von Vollertsen illustriert: »Krankenhaus Nr. 2 in Haeju: In den Zimmern ist es unerträglich heiß und stickig. Es fällt schwer zu atmen. In den mit Patienten überfüllten Räumen: Enge, Schmutz und Gestank überall. Die Patienten liegen erschöpft zwischen all dem Elend auf verunreinigten Betten, schutzlos der Hitze, den Fliegen und Moskitos ausgeliefert. Es gibt keinen Ventilator, kein Moskitonetz, kaum Bettlaken, keine Seife. Vor dem Krankenhaus steht der örtliche 'Krankenwagen': ein mit Stroh bestreuter Ochsenkarren.«

Zudem ist das medizinische Personal nicht vollständig einsetzbar, denn Ärzte und Krankenschwestern sind ständig unterwegs, um Nahrungsmittel für die Patienten und sich selbst zu organisieren. In den Wintermonaten kommt der Betrieb völlig zum Erliegen.

Natürlich ist die nordkoreanische Regierung nicht daran interessiert, dass Berichte über diese Zustände an die Öffentlichkeit gelangen. Das durfte auch Vollertsen erfahren. Nachdem er Einzelheiten über die Situation an die westliche Presse weitergegeben hatte, wurde er im Dezember letzten Jahres wegen »Schädigung des Ansehens des sozialistischen Korea« und »Einmischung in die inneren Angelegenheiten« des Landes verwiesen.

Insgesamt bedeutet das Leben im so genannten Paradies der Arbeiterklasse für den Großteil der Bevölkerung eine endlose Aneinanderreihung von Qualen und Entbehrungen: »Stromsperre mit beginnender Dunkelheit nachmittags um vier. Die Menschen hasten auf der Suche nach Brennholz, Nahrung und wärmender Kleidung durch die stockfinsteren Straßen. Im strömenden Regen sind auffallend viele Kinder unterwegs, schutzlos der nassen Kälte ausgeliefert, beladen mit schweren Lasten«, so Vollertsens Beobachtungen im November des vergangenen Jahres in Haeju.

Eines der Hauptprobleme Nordkoreas ist der fast vollständige Zusammenbruch des Transportsystems. Benötigt man im Sommer mit der Eisenbahn für 150 Kilometer bis zu 24 Stunden, ist im Winter gar kein Fortkommen mehr möglich. Auch in der Hauptstadt stehen Busse, Straßenbahnen und selbst die legendäre U-Bahn regelmäßig still. Außerhalb von Pjöngjang existiert schon seit vielen Jahren kein öffentlicher Nahverkehr mehr.

Ob im Winter bei minus 30 Grad oder bei drückender Sommerhitze - täglich sind Hunderttausende meist zu Fuß unterwegs, um Nahrung, Holz und Kleinigkeiten für den täglichen Bedarf zu ergattern. Der staatlich kontrollierte Handel ist schon seit langem zusammengebrochen. Selbst in der Hauptstadt sind die Geschäfte gähnend leer. In der Provinz florieren derweil die Schwarzmärkte.

Auch die Industrieproduktion ist seit über zehn Jahren im Niedergang. Allein in der Hauptstadt Pjöngjang sollen zwei Drittel der Betriebe stillgelegt worden sein. Ein Grund dafür ist das Fehlen von Brennstoffen und Strom.

Sollte es in der nächsten Zeit nicht zu grundlegenden Veränderungen - auch in den Beziehungen zu Südkorea - kommen, sieht das Land einem weiteren Hungerwinter entgegen.