Ussama bin Laden und die UCK

Training an der Front

Auf der Suche nach dem Netzwerk von Ussama bin Laden werden die USA auch auf die UCK stoßen.

Ben Works, der Direktor des US-amerikanischen Instituts für strategische Studien, glaubt schon einen Kurswechsel bei Präsident George W. Bush bemerkt zu haben: »Bush hat die bekanntesten Lobbyisten für die UCK in seiner Umgebung wie etwa Bob Dole kaltgestellt.« Ob der ziemlich erfolglose ehemalige Präsidentschaftskandidat und Senator Dole tatsächlich die Gunst George W. Bushs verloren hat, ist allerdings schwer zu überprüfen.

Ziemlich sicher aber ist, wer demnächst bei der US-Regierung in Ungnade fallen könnte: »Wenn sich die Hinweise auf enge Verbindungen zwischen der UCK und dem al-Quaida-Netzwerk von Ussama bin Laden weiter verdichten, wird Bush die UCK auflösen«, sagt Works im Gespräch mit der Jungle World. Seit den Terror-Attentaten in New York und Washington versuchen die USA, mögliche Sympathisanten bin Ladens in aller Welt auszuforschen. Während der Konstruktion einer »weltweiten Allianz gegen den Terror« werden wohl besonders alte Allianzen auf dem Balkan in Frage gestellt werden müssen.

Ausgerechnet die ehemaligen Verbündeten gegen Slobodan Milosevic stellen sich nun als jene heraus, die zwar mithilfe der USA das ehemalige Jugoslawien bekämpft, andererseits aber mit den fundamentalistischen Terrorzellen um bin Laden paktiert haben. Eigentlich ein klassisch amerikanisches Schicksal, dass sich die engsten Verbündeten nach dem Abflauen eines Konfliktes beinahe immer als potenzielle Gefahr für die eigenen Interessen herausstellen.

So schätzt etwa der amerikanische Think-Tank Stratfor, dass die UCK im Laufe der Jahre rund 100 Millionen US-Dollar von bin Laden erhalten habe. »Es wäre aber falsch, anzunehmen, dass die UCK ein Kreditnehmer des ziemlich reichen Ussama bin Laden sei. Vielmehr hat die UCK gewisse Dienste für bin Laden verrichtet«, sagt Ben Works. Dazu gehörte etwa die Distribution diverser Drogen aus dem Hause bin Laden in Europa. Nach Schätzungen der französischen Beobachtungsstelle für den europäischen Drogenhandel beträgt der Wert der Drogen, die von der UCK nach Europa geliefert wurden, rund zwei Milliarden US-Dollar.

Auch für die Ausbildung seiner Krieger in Europa dürfte bin Laden Schulgeld bezahlt haben. »Im albanischen Tropoje haben sich UCK-Kämpfer und Kämpfer der al-Quaida-Organisation bin Ladens ein Trainingslager geteilt«, sagt Victor Gobarev von Stratfor. Inzwischen gibt es nach Informationen, die Jungle World vorliegen, intensive diplomatische Bemühungen europäischer Regierungen, die Amtskollegen in Tirana dazu zu bewegen, das Lager in Tropoje zu schließen.

Das aber könnte schwierig werden. Tropoje liegt im Norden Albaniens und somit im Hoheitsgebiet des ehemaligen Präsidenten Sali Berisha. Wenn das Ausbildungslager in Tropoje tatsächlich als Basis fundamentalistischer Milizen bin Ladens dient, dann erhalten die Kämpfer dort garantiert ein exzellentes Training. Nach Angaben der mazedonischen Regierung, die ebenfalls ihr Problem mit radikalen UCK-Kämpfern hat, waren in Tropoje Offiziere der britischen Spezialeinheit SAS als Ausbilder beschäftigt.

Freilich hat den USA der Pakt zwischen der UCK und al-Quaida auch genützt - zumindest eine kurze Zeit lang. »Wir haben keine Aufzeichnungen über einen terroristischen Akt, der den Islamisten zuzuschreiben wäre, seitdem die Unterstützung der Nato für die UCK begann. Das kann Zufall sein, aber wir glauben eher, dass die Fundamentalisten stillgehalten haben, während die USA und die Nato die muslimischen albanischen Kämpfer der UCK in ihrem Krieg für die Unabhängigkeit von Jugoslawien unterstützten«, heißt es in einer Analyse des Emergency Response & Reserarch Institute in Chicago.

Selbst in Mazedonien sollen die Terror-Aktivisten aus dem Umfeld bin Ladens aktiv sein. So berichteten mazedonische Medien nach den Terroranschlägen in New York und Washington immer wieder über die Anwesenheit enger Vertrauter bin Ladens in Mazedonien. Schon seit dem Beginn der Kosovo-Krise pendelt Fatah Ali Hasanin zwischen Mazedonien und dem Kosovo hin und her und hatte sogar das zweifelhafte Vergnügen, den ehemaligen UCK-Anführer Hashim Thaci mehrmals zu treffen.

Hasanin gilt in Geheimdienstkreisen als Finanzchef des al-Quaida-Netzwerks in Südosteuropa und hatte nach Angaben aus mazedonischen Regierungskreisen auch einen wesentlichen Anteil am erfolgreichen Aufbau der mazedonischen Variante der UCK. Bevor die Krise im Kosovo ausbrach, unterhielt er deshalb eine Hilfsorganisation in Wien, die offiziell zwar Muslimen auf dem Balkan helfen sollte, in Wirklichkeit aber nicht Muslime, sondern Terroristen unterstützte.

Doch das Phänomen einer zweifelhaften Partnerschaft zwischen lokalen Politdesperados und wesentlich gefährlicheren extremistischen Gruppen aus dem arabischen Raum ist so neu nicht. Schon während des Krieges in Bosnien spielten islamistische Extremisten eine wichtige Rolle. Diese Tatsache rückt nun Bosnien ins Interesse der amerikanischen Ermittler. »Schon zwei Tage nach den Terrorattacken in den USA, ist Janet Boyd, die stellvertretende Außenministerin der USA nach Sarajevo gekommen, um hier die Ermittlungen zu koordinieren«, sagt Amer Kapitanovic, der Sprecher des bosnischen Außenministeriums, der Jungle World.

Noch immer laboriert Bosnien an einer Altlast aus den Zeiten des Krieges. »Der ehemalige Präsident Alija Izetbegovic hat damals Tausende islamistischer Kämpfer aus dem arabischen Raum nach Bosnien geholt, um sich gegen die Serben verteidigen zu können. Nach dem Krieg hat er ihnen dann die bosnische Staatsbürgerschaft angeboten und sie wurde auch von einigen angenommen. Jetzt leben sie noch immer hier«, so Kapitanovic.

Rund 400 dieser ehemaligen Kämpfer befinden sich nach wie vor in Bosnien, und die Behörden durchforsten auf amerikanische Aufforderung derzeit intensiv ihre Personaldaten. »Leider gibt es Grund zur Annahme, dass einige von ihnen wirklich Verbindungen zu terroristischen Zellen haben«, sagt Kapitanovic. Verhaftungen seien also in den nächsten Wochen durchaus wahrscheinlich.

Zumindest in einer Hinsicht eint der Kampf gegen den Terrorismus das gespaltene Land. Die Republika Srpska und die moslemisch-kroatische Föderation arbeiten bei der Jagd nach möglichen Terroristen eng zusammen. Denn noch immer gilt, was Geroge W. Bush nach den verheerenden Attentaten der Welt aufgezwungen hat. »In diesem Moment sind wir alle Amerikaner«, umschreibt es Amer Kapitanovic.

Dass die USA aber offenbar einige Warnungen übersehen haben, weil sie sie übersehen wollten, zeigen die Erinnerungen Slobodan Milosevics: Er habe die USA schon Mitte der neunziger Jahre vor den Aktivitäten bin Ladens auf dem Balkan gewarnt, behauptet er (siehe Interview auf der nächsten Seite). Doch offenbar galt den USA Ussama bin Laden als das geringere Übel.

Wenn nun die USA tatsächlich einen Militärschlag gegen Afghanistan beginnen sollten, wird sich nach Meinung politischer Beobachter besonders auf dem Balkan die Gefährdung amerikanischer Einrichtungen extrem erhöhen. »Sfor-Soldaten in Bosnien, Kfor-Soldaten im Kosovo und amerikanische Militärbasen werden dann in der Attentatsplanung einiger Extremisten ganz oben stehen«, warnt Victor Gobarev von Stratfor. Immerhin herrscht an Vollstreckern des Willens Ussama bin Ladens auf dem Balkan kein Mangel.