Interview mit dem jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic

»Wir haben die USA gewarnt«

Dass Sie im Gefängnis von Scheveningen sitzen und auf Ihren Prozess warten, ist vor allem auf die weltweite Empörung über das vermeintliche Massaker von Racak im Januar 1999 zurückzuführen. Damals wurden 44 tote Kosovo-Albaner in der Nähe Racaks gefunden, was wohl wesentlich zur Entscheidung der Nato für den Krieg gegen Jugoslawien beitrug. Außerdem dürfte die damalige Chefanklägerin Louise Arbour kurz nach Racak entschieden haben, Anklage gegen Sie zu erheben. Was ist in Racak Ihrer Meinung nach passiert?

Ich habe keinen Zweifel daran, dass es sich um eine normale Aktion der serbischen Polizei handelte. Das war damals während jener Phase des Konfliktes überhaupt nichts Ungewöhnliches. Ein Massaker an Zivilisten hat es nicht gegeben und schon gar nicht mit meiner Duldung oder mit meinem Wissen. Ich habe überhaupt während des gesamten Kosovo-Konflikts die Streitkräfte und die Polizei in meinen Befehlen immer wieder darauf aufmerksam gemacht, die Genfer Konvention zu beachten. Das habe ich schon mehrmals betont.

Warum hatten dann gerade die Vorgänge in Racak eine derartige Wirkung auf die Weltöffentlichkeit und solche Folgen für Sie und Jugoslawien?

Weil es in Racak eine offenbar sehr effektive Kooperation zwischen den UCK-Terroristen und dem damaligen OSZE-Missionschef im Kosovo, William Walker, gegeben hat. Die UCK und Walker haben diesen Fall konstruiert und im Nachhinein dafür gesorgt, dass es wie ein Massaker aussieht.

Derzeit wird Ussama bin Laden verdächtigt, die Attentate auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington geplant zu haben. Gleichzeitig tauchen immer wieder Gerüchte über Aktivitäten Ussama bin Ladens auf dem Balkan auf. Was wissen Sie darüber?

Wir wissen schon seit 1994, dass Ussama bin Laden und andere moslemische Fundamentalisten in Albanien aktiv waren. Wir hatten schon damals Informationen darüber, dass bin Laden einige Male in Albanien war.

Wie eng sind Ihrer Einschätzung nach die Kontakte zwischen der Gruppe um bin Laden und der UCK?

Ussama bin Laden hat schon sehr früh mit separatistischen Gruppen im Kosovo zusammengearbeitet, aus denen später die UCK hervorging. Die gleichen Gruppen haben für bin Laden den Drogenschmuggel in der Balkan-Region organisiert. Das war uns alles schon lange bekannt.

Damals waren ja Ihre Beziehungen zu den USA noch nicht so schlecht. Haben Sie die US-Regierung über die Aktivitäten bin Ladens auf dem Balkan informiert?

Wir wussten ja, dass die Amerikaner bin Laden früher einmal als Verbündeten hatten. Als wir dann die vorhin erwähnten Informationen gesammelt hatten, haben wir die US-Regierung mehrfach gewarnt und uns vor allem darüber beschwert, dass sie nichts gegen bin Laden und seine Aktivitäten in der Balkan-Region unternommen haben. Aber von den Amerikanern kam leider überhaupt keine Reaktion.

Anmerkung: Mit Slobodan Milosevic ein Interview zu führen, ist derzeit nicht ganz einfach. Zwar möchte Milosevic mit der Presse sprechen, doch das Tribunal verweigert jeden Kontakt zwischen seinem wohl prominentesten Häftling und Journalisten. Die Antworten ließ uns Milosevic daher über einen seiner Anwälte zukommen.

Dieses Interview und mehr zum Thema finden Sie auch unter www.storiestexte.20m.com