Angela Merkels Aussagen zur CDU-Parteispendenaffäre

Brutal aussitzen

Vor dem Untersuchungsausschuss zur CDU-Parteispendenaffäre verkündete Angela Merkel das Ende der Aufklärung.

Immer wenn es mit der CDU gerade mal ein wenig aufwärts gehe, komme so »ein kleiner Hieb von hinten aus den bayerischen Wäldern« und werfe die Partei wieder zurück. Das sagte die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel, nachdem der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, die Diskussion um den Kanzlerkandidaten der Union neu entfacht und Wolfgang Schäuble als möglichen Kandidaten bezeichnet hatte. Gegenüber den Querschüssen aus der Schwesterpartei ist der Auslöser für die Krise der CDU, die Parteispendenaffäre, inzwischen ein vergleichsweise geringes Problem für Angela Merkel. Ganz hinter sich gelassen hat sie diese Problem aber noch nicht.

Am vergangenen Donnerstag war Merkel zu ihrer zweiten Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags geladen. Sie übte sich in dem, was ihr Ziehvater, der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl, am besten beherrschte: im Aussitzen. Merkel erklärte vor dem Ausschuss, dass die CDU weder gegen Helmut Kohl noch gegen den ehemaligen Finanzbevollmächtigten der CDU, Horst Weyrauch, der als Schlüsselfigur der Spendenaffäre gilt, auf Auskunftserteilung klagen werde. Sie sehe keine weiteren Aufklärungschancen, Weyrauch habe der CDU schon vor mehr als einem Jahr alles gesagt, was er wisse. »Ich sehe persönlich nicht, dass man da noch was machen könnte«, sagte Merkel. »Es ist sehr deutlich geworden, dass die CDU alles getan hat, um aufzuklären, was aufzuklären ist«.

Die Zeiten der »brutalstmöglichen« Aufklärung, wie sie der hessische Ministerpräsident Roland Koch einst versprochen hat, sind längst vorbei. Wenn es sie denn jemals gab. Helmut Kohl hat bereits auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre vor knapp zwei Jahren erklärt, dass er die Namen der Spender nicht nennen werde, weil er ihnen sein Ehrenwort gegeben habe. Längst wird bezweifelt, dass es diese Spender überhaupt gegeben hat. In dem Sumpf, bestehend aus dem Panzerdeal mit Saudi-Arabien 1991, dem Verkauf der Leuna-Raffinerie 1992, den CDU-Schwarzkonten und verschwundenen Akten im Kanzleramt nach der Bundestagswahl 1998, scheint alles möglich, aber nichts wirklich aufklärbar.

Bei der Ausschusssitzung in der vergangenen Woche stand insbesondere die Überweisung von einer Million Mark durch Ex-CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep an die CDU auf der Tagesordnung. Das in diesem Frühjahr überwiesene Geld stammte nach Unterlagen, die dem Ausschuss vorliegen, von Konten der Norfolk-Stiftung. Die Stiftung gilt als ehemaliges Schweizer Schwarzgelddepot der Christdemokraten und wurde angeblich 1992 aufgelöst. Kiep hat bisher behauptet, nichts über die Herkunft der Million zu wissen, und Weyrauch hatte mit Blick auf ein gegen ihn laufendes Strafverfahren vor dem Untersuchungsausschuss die Aussage verweigert. Würde die CDU ihn verklagen, dann könnte er sich nicht mehr auf dieses Recht berufen. Allerdings könnte auch für die CDU Unangenehmes zutage treten.

Merkel wollte sich auf Nachfrage nicht darauf festlegen, ob die Norfolk-Stiftung nun der CDU zuzurechnen sei oder nicht. Sie verwies darauf, dass Bundestagspräsident Wolfgang Thierse diese Frage prüfe. Nach Auskunft der Bundestagsverwaltung weiß Thierse ebenso wenig, woher das Geld auf dem Konto stamme, weshalb bisher keine Strafe verhängt worden sei. Merkel hat die Million von Kiep bis zur Klärung des Sachverhalts auf einem gesonderten Konto geparkt.

Am Rande der Sitzung wurde außerdem bestätigt, dass die Leuna-Akten der Schweizer Staatsanwaltschaft von den deutschen Ermittlern als wertlos angesehen werden. Die umfangreichen Unterlagen fanden erst im Sommer ihren Weg aus der Schweiz nach Deutschland, weil sich deutsche Ermittler beharrlich geweigert hatten, sich dafür zu interessieren. Nun hieß es, die Karlsruher Bundesanwaltschaft habe in den Akten bisher keinen Ansatzpunkt dafür gefunden, dass beim Verkauf der ostdeutschen Leuna-Raffinerie und des Minol-Tankstellennetzes an den französischen Mineralölkonzern Elf Aquitaine Schmiergelder an die Bundesregierung oder die CDU geflossen seien.

Dies verwundert jedoch, da der Schweizer Generalstaatsanwalt Bernard Bertossa mehrmals darauf hingewiesen hat, dass sich in den Akten wichtige Hinweise auf Korruptionsdelikte fänden. »Wenn die deutschen Staatsanwälte diese Akten gelesen haben, wissen sie, welche Fragen sie welchen Personen stellen müssen«, behauptete Bertossa. Die Lesarten in der Schweiz und in Deutschland scheinen äußerst unterschiedlich zu sein.

Schon bisher hat die deutsche Justiz nicht den Eindruck erweckt, an einer Aufklärung sonderlich interessiert zu sein. So klagte der frühere Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier, der sich inzwischen versetzen ließ und gegenwärtig Familienrichter ist, vor dem Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags Ende Oktober über eine massive Behinderung seiner früheren Ermittlungen. Er warf dem Münchener Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer vor, 1998 einen Haftbefehl gegen den früheren Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Holger Pfahls (CSU), verzögert zu haben.

Pfahls wird im Zusammenhang mit dem Verkauf von 36 Fuchs-Spürpanzern an Saudi-Arabien 1991 Bestechlichkeit vorgeworfen. »Ohne Not« sei Pfahls' Anwalt von dem Haftbefehl gegen seinen Mandanten unterrichtet worden. Froschauer habe im April 1999 den Haftbefehl zwei Tage lang verzögert, eine Frist, die Pfahls nutzte, um sich nach Taiwan abzusetzen. Dort hat sich seine Spur verloren. Maier behauptete, auch bei seinen Ermittlungen gegen Walther Leisler Kiep und gegen den

in die Leuna-Affäre verwickelten Geschäftsmann Dieter Holzer behindert worden zu sein. SPD, Grüne und die FDP fordern nun Ermittlungen gegen Froschauer, die CSU-Landesregierung lehnt dies ab. Auch die CSU scheint von der Affäre weit mehr betroffen zu sein, als dies momentan in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Für Angela Merkel ging es am vergangenen Donnerstag vor allem darum, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Jedes Wiederaufkochen der Angelegenheit könnte die Chancen für die CDU bei der Bundestagswahl weiter verschlechtern. »Merkel hat deutlich gemacht, dass sie aussitzt wie Kohl und nicht aufklärt«, fasste der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Frank Hofmann, das Ergbnis der Befragung zusammen.

Und noch ein Ergebnis kann man festhalten: Die Frage, wer sich für was erkenntlich zeigte, wird der Untersuchungsausschuß nicht mehr beantworten. Mit Merkel ist einer der letzten prominenten Zeugen gehört worden. Im Dezember soll noch einmal Helmut Kohl vor den Ausschuss, Anfang nächsten Jahres will die CDU dann ihrerseits damit beginnen, die Finanzen der SPD zu prüfen.