Krise in Argentinien

Per Dekret gegen die Panik

Der ehemalige argentinische Präsident Carlos Menem zeigte sich zufrieden. Am vergangenen Freitag lud ihn der amtierende Präsident Fernando de la Rúa zu Gesprächen über das kommende Haushaltsjahr ein. Nicht genug, dass Menem Mitte November nach 167 Tagen Hausarrest in seiner Luxusvilla von allen Vorwürfen wegen des illegalen Waffenhandels während seiner Amtszeit (Jungle World, 20/01) freigesprochen wurde. Jetzt fungiert er auch noch als Schlüsselfigur in den Verhandlungen zwischen der Regierung und der peronistischen Opposition.

Denn eine politische Einigung und weitere Einsparungen hat der IWF zur Bedingung gemacht, um die dringend benötigten Finanzhilfen weiter nach Argentinien zu überweisen. Eine Kredittranche vom Dezember im Wert von 1,2 Milliarden Dollar und alle ihr folgenden bleiben bis zu einem »substanziellen« parteiübergreifenden Konsens gesperrt.

Seit den Wahlen im Oktober aber besitzt die peronistische Partido Justicialista (PJ) im Senat und im Parlament die Mehrheit. Außerdem stellt sie seit kurzem mit dem Senatspräsidenten Ramón Puerta den Vizepräsidenten. Wenn de la Rùa auf einer seiner zahlreichen Auslandsreisen ist, wird er im eigenen Land von Puerta vertreten und im Falle eines vorzeitigen Rücktritts auch von ihm ersetzt.

Die Zustimmung zur Politik des Präsidenten ist nach zwei Regierungsjahren wegen seiner rigiden Sparmaßnahmen in Umfragen auf weniger als zehn Prozent gesunken. Mit Restriktionen wie der per Dekret verfügten Limitierung von Bargeldauszahlungen in der vergangenen Woche macht sich de la Rúa auch bei der Mittelschicht immer unbeliebter. Um mit »denjenigen fertig zu werden, die Panik heraufbeschwören und die Banken stürmen«, beschloss der Präsident, dass monatlich nicht mehr als 1 000 Dollar pro Konto ausgezahlt werden dürfen.

Zahlreiche Argentinier hatten zuvor aus Angst vor einer Zahlungsunfähigkeit des Staates ihre Konten geplündert. Informationen der argentinischen Tageszeitung La Nación zufolge beliefen sich deshalb Anfang Dezember die Devisenreserven auf 14,7 Milliarden Dollar. Im Februar waren es noch 33,8 Milliarden.

Die Einschränkung des Bargeldverkehrs hat das Land zwar vor den ersten Bankencrashs bewahrt, bescherte aber dem Einzelhandel in der Vorweihnachtszeit Verluste bis 70 Prozent. Auch viele der informell Beschäftigten Argentiniens, Schätzungen gehen von 40 Prozent aus, die größtenteils in bar bezahlt werden, warten nun vergeblich auf ihr Geld. Am vergangenen Donnerstag folgten nach Gewerkschaftsangaben fast alle Beschäftigten einem Aufruf zum siebten Generalstreik während de la Rúas Amtszeit.

Auch in der Regierung kriselt es weiter. Am Freitag nahm der stellvertrende Wirtschaftsminister Daniel Marx seinen Hut, nachdem er sich mit Wirtschaftsminister Domingo Cavallo überworfen hatte. Zuvor bekräftigte er, dass Argentinien die fälligen Zinsen von 700 Millionen Dollar »auf den letzten Drücker« aus der privaten Rentenversicherung zahlen werde. Die Versicherungen wurden zuvor gezwungen, ihr Festgeld in Staatsanleihen umzutauschen.

Marx galt als Gegner der von de la Rúa nicht mehr ausgeschlossenen vollständigen Dollarisierung der argentinischen Wirtschaft. Ob diese Maßnahme die Rezession aufhalten könnte, ist sehr fraglich. Lediglich in Dollar verschuldeten Unternehmen würde so Sicherheit geboten. Bei einer Abwertung der Landeswährung würden sie gleich in Konkurs gehen.