Biografien über Heinz Rühmann

Gehirnerweicht, aber nicht unoriginell

Drei Biografien widmen sich der Karriere von Heinz Rühmann, dem Prototyp des opportunistischen Künstlers.

Lebte er noch, könnte Heinz Rühmann im kommenden März seinen 100. Geburtstag feiern. Auch das diesjährige Weihnachtsfest wird nicht ohne Rühmann-Filme im Fernsehen auskommen, als ob 100 Jahre Rühmann nicht genug wären. Drei Biografien sind jüngst über den deutschen Schauspieler und Regisseur Heinz Rühmann erschienen, alle beschäftigen sich mit dem Phänomen des vermutlich populärsten deutschen Schauspielers der letzten 70 Jahre, des Mannes, der von Adolf Hitler und Walter Ulbricht gemocht wurde, der sich auf Anraten von Hermann Göring 1938 von seiner jüdischen Ehefrau scheiden ließ und nach 1945 zur gesamtdeutschen Identifikationsfigur wurde.

»Zum Lachen und zum Weinen, so schön«, hat Joseph Goebbels über ihn geurteilt, und wenn dieser Anspruch in der Begründung zur »Goldenen Kamera« fürs Lebenswerk (1994) oder für den »Bambi« (zuletzt 1984, elf Mal zuvor) zitiert worden wäre, es wäre vermutlich niemandem aufgefallen. Klüger scheint da schon das Urteil Klaus Manns über Rühmanns filmisches Werk: »Völlig gehirnerweicht, dabei nicht ganz unoriginell.«

Drei Biografien also. Der FAZ-Redakteur Franz Josef Görtz und Hans Sarkowicz vom Hessischen Rundfunk haben gemeinsam »Heinz Rühmann 1902-1994. Der Schauspieler und sein Jahrhundert« vorgelegt, womit sie Rühmanns Funktion als Jahrhundertdeutscher, darin vermutlich lediglich mit Max Schmeling vergleichbar, schon im Titel betonen. Der Hamburger Journalist Fred Sellin legt mit »Ich brech' die Herzen ... Das Leben des Heinz Rühmann« das rundeste und am elegantesten erzählte Buch vor. Und von dem Berliner Fernsehkritiker Torsten Körner, der schon über Rühmann promovierte, gibt es »Ein guter Freund. Heinz Rühmann-Biografie«, das gewiss am besten recherchierte und analytisch stärkste Werk.

Alle sind klassisch chronologisch gegliedert, erzählen also das Leben des Heinrich Wilhelm Rühmann, von seiner Geburt in Essen, dem Umzug der Eltern nach Wanne und zurück nach Essen und dem Selbstmord des Vaters, der als Gastronom gearbeitet hatte und oft seinen Sohn nachts geweckt und auf auf den Kneipentisch gestellt hatte, damit er etwas vortrug. Alle Bücher zeichnen die Schauspielerkarriere des Heinz Rühmann nach, seine Bühnenengagements, seinen ersten Filmerfolg mit »Die Drei von der Tankstelle« (1930) und seinen Aufstieg zum bestbezahlten Schauspieler Deutschlands. Alle drei Biografien erzählen auch die Geschichte von Rühmanns früher Heirat im Jahr 1924 mit Maria Bernheim.

Sie war älter als er, sie war Schauspielerin, und sie war die Tochter jüdischer Eltern. Ihr Vater schrieb manchmal Theaterkritiken für die Frankfurter Zeitung und war unter anderem für die bayerische SPD als Rechtsanwalt tätig. Maria Bernheim gab Rühmann zuliebe ihre Karriere auf und unterstützte ihn in jeder Hinsicht. In seiner Autobiografie schreibt Rühmann verkürzend nur, sie habe ihm »schauspielerisch viel geholfen«. An anderer Stelle notiert er, sie sei zu gescheit für eine Schauspielerin, und an wieder anderer Stelle heißt es, sie sei »quasi Privatregisseurin« gewesen.

Anders als Rühmann nahm Bernheim das Erstarken der Nazipartei und des Antisemitismus ernst. Rühmann machte sich darüber keine Sorgen, er war nur an seiner Karriere interessiert. »Ich war Schauspieler, sonst nichts. Ich war erfolgreich«, heißt es in der Autobiografie.

Die Ehe war schon vor der Machtergreifung der Nazis zerrüttet, sodass die Scheidung wahrscheinlich auch unter anderen politischen Umständen erfolgt wäre - da sind sich alle drei Biografen einig. Aber schon bei der Gewichtung der Scheidung, die 1938 vollzogen wurde, unterscheiden sich die Bücher deutlich. Görtz und Sarkowicz kolportieren, Rühmann habe 1934 darüber nachgedacht, gemeinsam mit seiner Frau auszuwandern, und zu dem Umstand, dass die Scheidung recht spät erfolgte, führen sie aus, es sei für Heinz Rühmann schließlich »ungewiss (gewesen), was danach mit Maria Rühmann geschehen würde«. Damit deuten sie an, Rühmann habe sich vom Zeitpunkt der Machtergreifung bis zur Scheidung überwiegend um das Wohl seiner von den Nazis als »Volljüdin« bezeichneten Ehefrau gekümmert.

Da sind die beiden anderen Biografen ein wenig kritischer. Sellin etwa zitiert Goebbels' Tagebücher aus dem Jahr 1936: »Heinz Rühmann klagt sein Eheleid mit einer Jüdin. Ich werde ihm helfen. Er verdient es, denn er ist ein ganz großer Schauspieler.« Unmittelbar nach der Scheidung heiratete Maria Bernheim einen »neutralen Ausländer« (Göring), einen Schweden. Bei der Vermittlung des Scheinehemanns soll Rühmann geholfen haben. Was auf den ersten Blick als reine Mitmenschlichkeit erscheint, wird bei Körner durchaus kritisch gesehen. »Ganz sicher hat Rühmann alles getan, um seine Frau zu schützen«, schreibt er resümierend. »Aber ließ sich ihre persönliche Entfremdung ganz ohne Politik denken?« Körner erinnert auch daran, dass es nach 1939 zu einer Hinwendung Rühmanns zur Familie Goebbels kommt: Oft verbringt er seine Abende in ihrem Haus, und er dreht auch einen Farbfilm mit den Kindern. In seiner Autobiografie verschweigt Rühmann sein freundschaftliches Verhältnis zur Familie Goebbels.

Einer künstlerischen Unterstützung des Nationalsozialismus verweigert er sich. Nur bei Körner findet sich die Geschichte, dass Rühmann in einem Film der Filmgesellschaft Gloria, der unter dem Titel »Ich war ein kleiner Pg.« angekündigt wurde, mitspielen sollte. Drehbuchautor sollte Axel Eggebrecht werden, ein ehemaliger Redakteur der Weltbühne, der von den Nazis zweimal verhaftet wurde. Sein Drehbuch, das die Geschichte eines Mannes erzählte, der zunächst widerwillig in die NSDAP eintritt und dann ein begeisterter Anhänger wird, wurde mehrmals abgelehnt. Die Produzenten erwarteten, wie Eggebrecht sich beschwerte, Rühmann »als SA-Charley-Tante«.

Nicht zuletzt scheiterte das Filmprojekt auch an Rühmann selbst, der lieber als unpolitischer Humorist erscheinen wollte, oder wie in »Mein Schulfreund« den kleinen Widerständler gab. Doch auch dieser Film, der auf einem Buch von Johannes Mario Simmel basierte, kam ohne eine Glättung der Geschichte nicht aus. In Simmels Werk spielt ein jüdischer Junge eine wichtige Rolle, der im Film völlig fehlt. Torsten Körner ist auch der einzige Biograf, der eine Situation Ende der fünfziger Jahre schildert: Zusammen mit dem Produzenten Artur Brauner, einem Überlebenden des Holocaust, fuhr Rühmann nach Prag, um sich Schauplätze für den Schwejk-Film anzusehen. Brauner wollte auf dem Weg kurz Halt machen, um sich die Gedenkstätte des früheren KZ Theresienstadt anzuschauen. Er fragte Rühmann, ob er mitkommen wolle, doch der blieb lieber im Auto sitzen.

Ausführlich schildern alle drei Biografen die Bemühungen der jungen bzw. enstehenden DDR, Heinz Rühmann als Berater zu gewinnen. Im Mai 1945 wurde er - gemeinsam mit dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch und dem Architekten Hans Scharoun - zum Mitarbeiter des neuen Magistrats ernannt. Walter Ulbricht begründete das so: »Er hat in keinem politischen Film für die Nazis mitgewirkt. Er hat Genossen bei der illegalen Arbeit gegen das Hitlerregime geholfen. Er ist sowjetfreundlich gesinnt.« Nähere Hinweise auf Rühmanns angebliche Hilfe bei der illegalen Arbeit gab Ulbricht nicht.

Fred Sellin zitiert aus einem Lebenslauf, den Rühmann bei den Behörden der SBZ einreichte: »Durch meine eigene kleine Produktionsgruppe, die in politischer und antifaschistischer Richtung einwandfrei war und von mir nach diesen Gesichtspunkten ausgesuchtes Menschenmaterial enthielt (...), war es mir möglich, konsequent eine rein unpolitische und menschliche Haltung in meinen Filmen zu bewahren und nie einen im geringsten tendenziös gehaltenen Film sowohl als Regisseur wie als Schauspieler herzustellen. Meine gesamte Filmproduktion stellt für oben Gesagtes das einwandfreieste Zeugnis aus.« Derselbe Rühmann, der gerade noch über antifaschistisches »Menschenmaterial« geschrieben hatte, freute sich im Mai 1945 schon, dass »jetzt die Kunst befreit sein wird von allen Schikanen und Fesseln, unter denen sie bis vor wenigen Tagen litt«.

Bei den US-Behörden kursierte - offenkundig nicht schlecht begründet - diese Einschätzung: Rühmann ist »ein unverkennbarer Opportunist«. In den Westzonen hatte er folgerichtig zunächst Auftrittsverbot. Bereits 1946 ergab sich aber die Möglichkeit einer Entnazifizierung. Der Prüfungsausschuss kam zu dem Urteil: »Der Fall Rühmann zeigt keine politischen Besonderheiten.« Sofort zog Rühmann nach München. Er wurde mit grandiosem Erfolg das, was schon die Nazis schätzten: ein unpolitischer Künstler.

Franz Josef Görtz/Hans Sarkowicz: Heinz Rühmann 1902-1994. Der Schauspieler und sein Jahrhundert. C.H. Beck, München 2001, 434 S., DM 44, Euro 22,50

Torsten Körner: Ein guter Freund. Heinz Rühmann Biographie. Mit einem Vorwort von Michael Verhoeven. Berlin: Aufbau-Verlag 2001. 479 S. DM 49,90, Euro 25,51

Fred Sellin: Ich brech' die Herzen ... Das Leben des Heinz Rühmann. Rowohlt, Reinbek 2001, 415 S., DM 38,92, Euro 19,90