Should He Stay Or ...?

Israel bricht die Beziehungen zu Arafat ab.

So hatte sich der neue Unterhändler der USA für den Nahen Osten, der ehemalige General Anthony Zinni, seine Mission nicht vorgestellt. Seit seiner Ankunft in Israel Ende November kamen über 100 Israelis und Palästinenser ums Leben. Die israelische Regierung erklärte nach dem jüngsten großen Terroranschlag, sie betrachte den Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde, Yassir Arafat, als »nicht mehr relevant« und breche alle Kontakte zur PA ab. Im Anschluss wurde die bereits nach den Anschlägen von Haifa und Jerusalem begonnene militärische Offensive gegen PA-Einrichtungen und andere palästinensische Organisationen fortgesetzt. Arafat steht seitdem faktisch unter Hausrarrest in Ramallah.

Hatte es bislang aus den USA geheißen, Zinni und sein Co-Unterhändler William Burns würden so lange in der Region bleiben, bis ein Waffenstillstand zwischen Israelis und Palästinensern erreicht sei, flog Zinni nach den jüngsten Ereignissen zu Konsultationen mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak und dem Außenminister Achmed Maher nach Kairo, um dann nach Washington zurückzukehren.

Derweil gingen in Israel die Diskussionen darüber, was überhaupt passiert war, erst so richtig los. Es wurde gefragt, was eigentlich die Beschlüsse des israelischen Sicherheitskabinetts zu bedeuten haben und welche Konsequenzen sie nach sich ziehen. »Was Israel betrifft, hat der Vorsitzende Arafat sich selbst irrelevant gemacht, und deswegen werden keinerlei Kontakte mit ihm aufrechterhalten«, so das offizielle Statement Israels. Diese Formulierung sei direkt gegen Außenminister Shimon Peres gerichtet, schrieb Herb Keinon in der Jerusalem Post. Premier Ariel Sharon habe sich mit seiner Ansicht, Arafat sei Israels bin Laden, durchgesetzt. Nunmehr könne Peres nicht mehr Arafats Duldung und Unterstützung des palästinensischen Terrors ignorieren und den PA-Vorsitzenden weiter als Verhandlungspartner betrachten.

Bestätigt wurde Sharons Auffassung der Dinge ausgerechnet von Peres' sozialdemokratischem Parteifreund, dem Verteidigungsminister Benyamin Ben-Eliezer. Er sagte der Tageszeitung Ha'aretz, hinter dem Anschlag vom Mittwoch hätten zwei Hamas-Aktivisten aus Nablus gestanden. Sie hätten zu den von Israel gesuchten 33 Top-Terroristen gehört, deren Verhaftung man von Arafat verlangt habe; dies sei aber nur zu einem kleinen Teil tatsächlich geschehen. Bei dem Attentat war ein israelischer Bus auf dem Weg zur Siedlung Emmanuel durch eine Bombe am Straßenrand gestoppt worden. Anschließend wurden die Passagiere sowie hinzukommende Rettungskräfte von den umliegenden Hügeln aus mit Maschinengewehren beschossen. Zehn Israelis kamen dabei ums Leben, über 30 wurden verletzt.

Doch die weiteren Äußerungen Ben-Eliezers verdeutlichen auch das Unbehagen vieler israelischer Kommentatoren und linksliberaler Politiker an der derzeitigen Politik der Regierung. Ben-Eliezers Vorstellung, man könne auch einfach mit anderen Leuten aus der PA anstelle Arafats verhandeln und so eine Beruhigung der Lage erreichen, klingt jedenfalls reichlich naiv. Andere linksliberale Politiker haben bereits seit Tagen darauf hingewiesen, dass es anstelle Arafats keinen palästinensischen Politiker geben wird, der auch nur annähernd dessen Autorität besitzt und dazu noch den israelischen Erwartungen stärker gerecht wird. So sagte der frühere Außenminister Shlomo Ben-Ami von der Arbeitspartei, die Entscheidung der Regierung, Arafat für irrelevant zu erklären, drücke »eine gewisse Frustration« aus und sei »ein wichtiger, vielleicht wertvoller Wunsch. Aber man kann nicht einfach die Wirklichkeit wegwünschen.«

Auch Peres machte deutlich, dass er mit den jüngsten Beschlüssen nicht einverstanden ist. Er sagte der Zeitung Yediot Achronot, dass er Sharon gefragt habe: »Angenommen, Arafat verschwindet, was wird dann passieren? Wenn wir Arafat rausschmeißen, bekommen wir Probleme mit der arabischen Welt, und Ägypten und Jordanien werden ihre Beziehungen zu uns einschränken.« Einige der Militärschläge gegen palästinensische Einrichtungen hätten ihn »erschaudern« lassen, so Peres weiter. Seinen Verbleib in der Regierung begründete der frühere Premier mit dem klassischen sozialdemokratischen Argument: um Schlimmeres zu verhindern.

Aber auch der rechte Flügel der Regierung ist unzufrieden. Sicherheitsminister Uzi Landau vom Likud sagte Le Monde, man müsse ein noch schärferes Vorgehen gegen Arafat in Erwägung ziehen und ihn möglicherweise nach Tunis ausweisen. Die zwei Minister des rechten Parteienbündnisses National Union/Yisrael Beitanu drohten mit Rücktritt, sollten die Maßnahmen nicht verschärft werden. Auch Yesha, der Rat der Siedler in der Westbank und im Gazastreifen, forderte die Vertreibung Arafats und die Zerschlagung der PA. Zudem solle die israelische Armee alle seit den Osloer Abkommen geräumten palästinensischen Gebiete wieder besetzen.

Auch unter den Palästinensern wurde diskutiert. Angesichts der Tatsache, dass Israels Armee Arafats Hauptquartier in Ramallah, einen großen Teil der PA-Einrichtungen, Gebäude der Fatah und der Force 17-Miliz, TV- und Radiosendestationen der »Stimme Palästinas« mit Kampfbombern und Bulldozern zerstörte, ohne dass es entscheidende Reaktionen aus arabischen oder europäischen Ländern gab, geriet selbst ein Hardliner wie Marwan Barghouti ins Grübeln. Der Chef der Tanzim-Milizen und Generalsekretär der Westbank-Sektion der Fatah sagte der Jerusalem Post, eine »vorübergehende Unterbrechung militärischer Operationen« sei »notwendig«. Barghouti, der seit längerem untergetaucht ist und deswegen den israelischen Einheiten, die letzte Woche zeitweilig sein Wohnhaus besetzten, nicht in die Hände fiel, erklärte weiter, »unter den gegebenen Umständen« sei es »im Interesse der palästinensischen Sache und des Überlebens der PA, alle militärischen Aktivitäten zu stoppen«.