Distanz zum islamistischen Terror

Unerwünschte Töne

Das sudanesische Militärregime hat Ussama bin Laden jahrelang beherbergt, doch mittlerweile wurden die islamistischen Ideologen entmachet.

Wenn darüber spekuliert wird, welches Land denn als nächstes einen Angriff im »Krieg gegen den Terror« zu erwarten habe, stehen der Irak und Solmalia, aber immer wieder auch der Sudan auf der Liste. Dort lebte Ussama bin Laden fünf Jahre lang, bis er vom Regime zur Ausreise genötigt wurde.

Mit dem Militärputsch vom 30. Juni 1989 war eine Allianz aus islamistischen Offizieren um General Omar al-Bashir und der von Hassan al-Turabi geführten Abspaltung der Muslimbruderschaft, der Nationalen Islamischen Front (NIF), an die Macht gekommen. Der Sudan wurde damit - sieht man vom traditionell fundamentalistischen Saudi-Arabien ab - zum ersten sunnitischen Staat, in dem Islamisten regierten.

Der Sudan schien den sunnitischen Islamisten nun eine neue Basis für die Machtübernahme in der islamischen Welt. Tatsächlich entfaltete die NIF Turabis zu Beginn der neunziger Jahre bedeutende internationale Aktivitäten. Khartoum entwickelte sich für einige Jahre zum internationalen Zentrum des islamistischen Konferenztourismus.

Mit dem Ausbau der African University im Süden Khartoums, an der StudentInnen afrikanischer Staaten sich in der arabischen Sprache, in islamischem Recht und islamischer Theologie ausbilden lassen konnten, wurde versucht, Turabis Interpretation des Islam unter den intellektuellen Eliten der islamischen Staaten südlich der Sahara zu verbreiten. Noch heute gibt es hier StudentInnen aus Nigeria, Kamerun, Kenia, Uganda, Mali, Niger, Tschad, Eritrea, Somalia und Äthiopien.

Das konservativ-fundamentalistische Islamverständnis exportieren sie danach in ihre Herkunftsländer, und zwar, wie das Beispiel Nigeria zeigt, durchaus mit Erfolg. Gegner der sudanesischen Regierung warfen ihr immer wieder vor, bewaffneten islamischen Fundamentalisten auch militärische Unterstützung zukommmen zu lassen.

Die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Saudi-Arabien wurden derweil immer weiter ausgebaut. 1991 kam bin Laden in den Sudan. Der islamistische Kapitalist betätigte sich im Baugeschäft; was er sonst noch tat, ist nicht eindeutig geklärt. Issam, der Sohn Hassan al-Turabis, behauptete kürzlich, bin Laden habe als normaler Bürger in Khartoum gelebt. Das einzige Zeichen seines Fanatismus sei es gewesen, dass er sich immer die Ohren zugehalten habe, wenn Musik zu hören war: »Er sagte, Musik sei haram, verboten.«

Westliche Geheimdienste dagegen behaupten, bin Laden habe im Sudan geheime Ausbildungslager für seine terroristischen Aktivitäten unterhalten. 1996 musste er das Land verlassen. Nach zwei Anschlägen auf Militäreinrichtungen der USA in Saudi-Arabien hatten beide Staaten das sudanesische Regime bedrängt, ihn auszuweisen.

Während bin Laden auf das Wohlwollen des ideologischen Flügels des Regimes um Hasan al-Turabi zählen konnte, störten seine Aktivitäten die Bemühungen der Militärs um internationale Anerkennung und gute Wirtschaftskontakte. Diese Interessengegensätze verschärften sich in den folgenden Jahren.

Turabi schien bereit, mehrheitlich nicht islamische Gebiete im Süden des Landes nach einer Volksabstimmung in die Unabhängigkeit zu entlassen, um seinen »Islamischen Staat« verwirklichen zu können. Die Militärs hingegen wollten diese Gebiete keinesfalls aufgeben, zumal dort größere Mengen Öl gefunden worden waren. Während Turabi weiterhin an einer »islamistischen Internationale« arbeitete, wollte Präsident al-Bashir das Land möglichst schnell von seinem Image als »Schurkenstaat« befreien. Nur so konnte er hoffen, internationale Investoren anzulocken.

Dieser Konflikt spitzte sich im Herbst 1999 zu. Turabi wurde seines Amtes als Parlamentspräsident enthoben und gründete eine neue Partei, den Popular National Congress (PNC). Im Februar dieses Jahres wurde er verhaftet, drei Monate später jedoch wieder freigelassen.

Seit der Absetzung Turabis haben es die Militärs um al-Bashir geschafft, sich insbesondere in Ägypten als Garanten gegen den militanten Islamismus darzustellen. Das Verhältnis der beiden Staaten ist seither spürbar besser geworden. Ägypten drängte die der beiden größten Oppositionsparteien des Sudan, die Umma-Partei und die Democratic Unionist Party (DUP), zu einer Aussöhnung mit dem Regime. Mittlerweile haben sich auch die Führer der beiden Parteien von der Oppositionsplattform NDA (National Democratic Alliance) losgesagt und sind nach Khartoum zurückgekehrt. Die Regierung sitzt damit trotz wirtschaftlicher Krise, Bürgerkrieg und einer desaströsen Menschenrechtsbilanz fester im Sattel denn je.

Zudem sucht sie nicht mehr die Konfrontation mit dem Westen, al-Bashir verurteilte die Anschläge vom 11. September. Zwar steht der Sudan weiterhin auf der vom US-Außenministerium aufgestellten Liste jener Staaten, die den Terrorismus unterstützen. Doch zu den Staaten auf dieser Liste, zu denen die USA dennoch diplomatische Beziehungen unterhalten, gehört neben Syrien nur der Sudan. Das Land hat somit einen etwas besseren Status als der Irak oder Nordkorea.

Nach den Angriffen der USA auf die Taliban war der Sudan neben dem Irak und dem Iran eines der wenigen Länder, die diesen Krieg öffentlich verurteilten und sich sowohl von bin Laden als auch von George W. Bush distanzierten. Den Anhängern Turabis ist dieser Kurs jedoch zu westlich. Am 9. Oktober demonstrierten Tausende Islamisten in Khartoum gegen die Angriffe auf Afghanistan. Der PNC verurteilte jene arabischen und islamischen Staaten, die die USA in ihrem Krieg unterstützen und »ihre Erde und ihren Himmel den Kreuzrittern und Juden ausliefern«.

Dass diese politischen Kräfte heute nicht mehr zur Regierung gehören, wurde von den USA, aber auch von den meisten arabischen Staaten, als positive Entwicklung betrachtet. Ähnlich wie das pakistanische Militärregime dürfte die sudanesische Regierung so lange geduldet werden, wie sie sich durch außen- und wirtschaftspolitisches Wohlverhalten auszeichnet. Die stille Übereinkunft dürfte darin bestehen, dass sich die USA nicht in die sudanesische Innenpolitik einmischen, dafür aber einen Verzicht des Sudan auf islamistische Exportpolitik und die Unterstützung des Terrorsimus verlangen. Wenn sich das sudanesische Regime daran hält, dürfte es vom »Krieg gegen den Terror« verschont bleiben.