Einsätze der Bundeswehr

Weihnachten in Djibouti

»The Germans to the Front«, lautete vor 100 Jahren der Schlachtruf. Im Jahr 1900 durften deutsche Truppen sich schon einmal an einer »internationalen Friedenstruppe« im fernen Asien beteiligen. Auch damals ging es gegen religiöse Fanatiker und Barbaren: die Boxer, einen religiösen Geheimbund, der die Kriegskunst pflegte und sich vorgenommen hatte, alle »fremden Teufel« aus China hinauszuwerfen. Als sie zuerst ein paar Missionare und den deutschen Gesandten um die Ecke gebracht hatten und schließlich in Peking das Diplomatenviertel belagerten, schickte der deutsche Kaiser seine Truppen nach China. Sein Auftrag lautete: »Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht.« Die Soldaten hielten sich an die Order. In einem Rache- und Sühnefeldzug wurde der Boxeraufstand blutig niedergeschlagen. Worum es dabei auch ging, notierte General Moltke in sein Tagebuch: »Wir wollen Geld verdienen, Eisenbahnen bauen, Bergwerke in Betrieb setzen, europäische Kultur bringen. Das heißt in einem Wort ausgedrückt, Geld verdienen.«

101 Jahre später: Die blutige Zerschlagung des Taliban-Regimes in Afghanistan haben andere erledigt. Doch beim Eisenbahnbauen und Kulturbringen wollen die Deutschen wieder dabei sein. Allerdings ist ohne die militärische Komponente in Afghanistan nichts zu haben. Also müssen deutsche Soldaten zum Hindukusch. Bis die USA jedoch nach langem deutschen Drängen endlich auch Bundeswehrsoldaten zum Anti-Terror-Kampf einluden, war rund um Kabul und Kandahar schon alles gelaufen. So warten die deutschen Sonderkommandos nun auf einem Stützpunkt in Djibouti auf den Marschbefehl fürs nächste Einsatzgebiet, im Irak, in Somalia oder woanders.

Doch glücklicherweise soll jetzt eine UN-Friedenstruppe in Kabul installiert werden. Und wie das bei den Deutschen halt so ist, zum Platz an der Sonne wollen sie gleich auch noch das Kommando. Doch kaum war die Meldung über deutsche Ansprüche auf das UN-Kommando in Kabul über den Ticker gelaufen, kam auch schon das Dementi. Die Deutschen sind nämlich gar nicht in der Lage, die Hauptrolle in Kabul zu spielen. Mit den Engagements in Georgien, Mazedonien, Bosnien und im Kosovo sowie mit dem Antiterroreinsatz in Oklahoma und Djibouti ist das Potenzial der Bundeswehr praktisch ausgeschöpft.

Deshalb wird es in Afghanistan wohl am Ende doch wieder nur eine deutsche Hilfstruppe unter englischem Kommando geben. Denn die Afghanen sind von der Stationierung von noch mehr ausländischen Streitkräften gar nicht so begeistert. 1 000 UN-Soldaten wollen sie höchstens ins Land lassen. Deutschland, England und die anderen potenziellen Friedenstruppenstifter pochen auf mindestens 8 000 Mann. Wie das Bundesverteidigungsministerium am Wochenende mitteilte, wird Deutschland davon höchstens 1 500 Soldaten stellen können - das sei »die absolute Obergrenze«.

Die Armee und die Gesellschaft werden schon seit einem Jahrzehnt darauf vorbereitet, dass die Zeiten der grundgesetzlich vorgeschriebenen militärischen Zurückhaltung vorbei sind. Schon Anfang der neunziger Jahre wurde in den neuen Bundeswehrrichtlinien die Marschroute abgesteckt. Die Armee dient nicht mehr vorrangig der Landesverteidigung, sondern soll deutsche Interessen und den Zugriff auf Rohstoffe in aller Welt sichern. Die Politik hat es indes nicht geschafft, die Bundeswehr auch logistisch und waffentechnisch auf Einsätze in der ganzen Welt vorzubereiten. Übrigens: Auch vor 100 Jahren wollte das Deutsche Reich bei der Aufteilung der Welt mitmischen und war dazu militärisch gar nicht in der Lage. Kaiser Wilhelm II. startete deshalb sein berühmtes Flottenprogramm und ließ Kanonenboote bauen. Verteidigungsminister Rudolf Scharping hat in der vergangenen Woche erst einmal 73 Airbusse bestellt.