Erfolgreiche Proteste von Immigranten in Barcelona

Immer auf der Hut

In Spanien kämpfen Immigranten gegen das neue Ausländergesetz. In Barcelona waren sie erfolgreich.

Noch vor einem Jahr war eine spanische Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Kazi Al Mamun in weiter Ferne. Im Frühjahr 1999 war er von Bangladesh über Russland und die Ukraine nach Barcelona gekommen. Sein Gesuch fand vor der Ausländerbehörde kein Gehör. Wie viele andere arbeitete er in der Innenstadt als fliegender Händler, immer auf der Hut vor der Polizei. Als im Januar des vergangenen Jahres eine Gruppe von etwa 300 Flüchtlingen ohne Papiere die Besetzung einer Kirche und einen Hungerstreik beschloss, um so eine Legalisierung ihres Status zu erreichen, beteiligte er sich an den Aktionen.

Al Mamun ist einer von etwa 30 000 ImmigrantInnen, die in Folge der Besetzungen eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis erhielten. Wegen Familienzusammenführungen oder bilateralen Länderabkommen können voraussichtlich noch weitere 20 000 Flüchtlinge eine solche Erlaubnis in Anspruch nehmen.

Jeder Antrag wurde zwar einzeln geprüft. Doch ohne die Kirchenbesetzungen hätte es die zahlreichen positiven Bescheide nie gegeben. »Das neue Ausländergesetz war bereits in Kraft«, betont Norma Chafoni, die Sprecherin der Organisation Papiere für alle und der KirchenbesetzerInnen. »20 000 Menschen waren von der Abschiebung bedroht. Wir waren nur 900, und dennoch schossen wir gegen die Regierung ein Tor.«

Die Idee, eine Kirche zu besetzen, entstand wenige Tage bevor das neue Ausländergesetz Ende Januar des vergangenen Jahres eingeführt werden sollte. Das Gesetz erschwert AusländerInnen ohne Papiere ihre »Legalisierung« und verweigert, wie das deutsche Vorbild, allen AusländerInnen fundamentale Grundrechte.

Zuflucht fanden die ImmigrantInnen in der Kirche Santa Maria del Pi bei Pater Vidal, der in Barcelona wegen seiner antifaschistischen Vergangenheit bekannt ist. Als sich immer mehr Flüchtlinge an der Besetzung beteiligten, öffneten zehn weitere Kirchen in der Stadt und in der Umgebung ihre Pforten. Die meisten ImmigrantInnen begannen einen Hungerstreik, der 15 Tage dauern sollte.

Die Resonanz innerhalb der Bevölkerung war enorm. »Sie brachten uns Geld, Kleider, Wasser, alles«, erzählt Al Mamun. Mehr als 48 000 Euro und 62 000 Unterschriften kamen zusammen. Nach mehrwöchigen Verhandlungen schlossen die VertreterInnen der Regierung und der ImmigrantInnen im vergangenen März ein Abkommen. Es sicherte allen, die vor dem 23. Januar 2001 einen Antrag gestellt hatten, die Ausstellung von Papieren binnen dreier Monate zu.

Die Papiere gab es erst nach und nach, erinnert sich Chafoni. »Immer zwei, Tag für Tag, um uns zu zeigen, dass wir nicht gewonnen haben. Drei Monate lang.« Am Stichtag, dem 5. Juni, bekamen sie 800 Aufenthaltserlaubnisse auf einmal, was mit einem großen Fest gefeiert wurde.

Nach Angaben von Arcadi Oliveres, dem stellvertretenden Präsidenten der Bürgerinitiative Justicia i Pau (Gerechtigkeit und Frieden), steht jetzt nur noch die Regularisierung des Status von 30 bis 40 TeilnehmerInnen der Kirchenbesetzung aus. Sie sollen angeblich Einträge in ihrem Register haben. Dabei handelt es sich vor allem um »Verstöße gegen das Abkommen von Schengen, meistens Folgen von Polizeianzeigen aus Deutschland«, erklärt Oliveres.

Das im vergangenen März geschlossene Abkommen ging jedoch über die Ausstellung von Papieren hinaus. Die Regierung Kataloniens sicherte den Flüchtlingen die Finanzierung von Schlafplätzen zu. Mangels einer Bleibe hatte ein Teil von ihnen auf der Straße gelebt, was bis heute bei vielen ImmigrantInnen immer noch so ist.

Erst am Donnerstag der vergangenen Woche veröffentlichten die Stadt- und die Provinzregierung ein Abkommen mit der Caritas und dem Roten Kreuz, in dem sie sich verpflichten, 350 Plätze in Wohnungen und Pensionen zu bezahlen. Uneingelöst ist nach Auskunft von Chafoni das Versprechen der Provinzregierung, Weiterbildungskurse anzubieten.

Im Einzelfall erhalten hingegen nun Frauen, die sexuelle Aggression erfahren haben, ein Aufenthaltsrecht. Dies war eine aus einer ganzen Anzahl von geschlechtsspezifischen Forderungen, die die »Kirche der Frauen« aufgestellt hatte. Die Frauen waren von Anfang an in der Minderheit bei den Besetzungen. Sie hatten sich daher einen eigenen Ort gesucht, nahmen jedoch an den gemischten Versammlungen teil.

Ruth Grillo aus Peru war eine der Initiatorinnen. Da sie bereits neun Jahre lang in Zürich gelebt hatte, besaß sie die Schweizer Staatsangehörigkeit. Dennoch fühlt sie sich immer noch als Migrantin. »Als es diese Kirche gab, kamen viele Frauen dazu, ImmigrantInnen und Einheimische«, erzählt sie. Der Zusammenschluss der Frauen existiert heute zwar nicht mehr, dafür waren die Interessen nach Meinung von Grillo doch zu unterschiedlich. Dennoch weiß sie, was aus den Frauen geworden ist. Die meisten von ihnen arbeiten heute in Restaurants oder im Dienstleistungssektor.

Al Mamun hat größere Schwierigkeiten mit der Arbeit. Seine Papiere besagen, dass er nur selbständig arbeiten darf. Arbeit ist für ihn nicht nur wichtig, um zu überleben. Er stammt aus einer armen Provinz Bangladeshs und möchte seiner Familie Geld schicken.

Pater Vidal sieht das Abkommen zwischen den ImmigrantInnen und der Regierung zwar als Erfolg, ist jedoch insgesamt skeptisch: »Die Mehrheit derjenigen, die sich einschlossen, besitzen heute Papiere. Nach und nach finden sie Arbeit. Aber die Situation der übrigen ist ungeklärt.«

Auch Oliveres von Justicia i Pau spricht vom »Wassertropfen innerhalb eines riesigen Ozeans«. Das Ergebnis »bleibt so lange schlecht, wie das Ausländergesetz nicht geändert wird, es keine Integrationspolitik gibt, die Provinzregierung und die Stadtregierung sich nicht darum kümmern und die öffentliche Meinung sich nicht ändert«, erklärt er.

Die Zahl der Menschen, die sich ohne Papiere in Spanien aufhalten, wird auf 200 000 geschätzt, allein in Barcelona sind es vermutlich 37 000. Dazu kommen noch einige Tausend, die sich erst gar nicht gemeldet haben. Einen zweiten Legalisierungsprozess schließt die Regierung in Madrid allerdings kategorisch aus.

Derzeit bereiten ImmigrantInnen und Unterstützungsorganisationen eine Demonstration für den Jahrestag am kommenden Wochenende vor. Chafoni ist sich bewusst, dass die Regierung eine Wiederholung der Kirchenbesetzungen verhindern möchte. Aber davon lässt sie sich nicht irritieren. »Es gibt Tausende von Formen des Kampfes«, versichert sie.