Die PDS nach dem 11. September

Die kühne Avantgarde

Neu ist die Liebe der PDS zum Vaterland wahrlich nicht, aber zum ersten Mal in den elf Jahren ihres Bestehens erfüllt sie in der deutschen Linken - also unter denen, die sich mal scheinbar wertneutral, mal gefühlig selbst so bezeichnen - so etwas wie eine Avantgarde-Funktion. Davon hatten die Parteistrategen immer geträumt, und dass es ausgerechnet die seit dem Ende der DDR immer wieder aufflammende Debatte um die Heimatliebe sein würde, die sie nun vorangehen lässt beim langen Marsch der Linken heim ins Reich, dürfte sie gefreut haben.

Selbstverständlich hätte die Presse den neuesten Thesen dieser Partei vor dem 11. September 2001 keine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, sondern allenfalls eine Glosse. Spätestens 1998 hat die Solidarität des Neuen Deutschland mit Martin Walser jede ernsthafte Kritik zur Makulatur werden lassen.

Nach dem Massaker in den USA ist jedoch die Debatte ums Verhältnis zur Nation wieder ins Zentrum des Interesses gerückt. Die kurz danach einsetzende Distanzierung vom einstmals engsten Partner, wie sie die deutsche Außenpolitik betreibt, ist schließlich eine alte Forderung der deutschen Linken, die ohnehin schon im siebten Antiimp-Himmel schwebte, nachdem die Suizidbomber es dem großen Teufel mal gezeigt hatten.

Die PDS reüssiert nun nicht trotz, sondern wegen ihres Antikriegskurses auch als Regierungspartei. An ihrem Beispiel lässt sich deutlich nachweisen, dass sich nicht die Linke der Neuen Mitte anpasste, sondern umgekehrt, die Neue Mitte sich bei der Linken bediente, bis beide sich zur Ununterscheidbarkeit angeglichen hatten.

Gerade der linke Vorwurf an die rot-grüne Regierung, sich allzu bedingungslos an die Seite der USA zu stellen, verschaffte dieser die Handlungsspielräume, sich zur Friedensmacht aufzuspielen. Kritik an dieser ebenso bedingungs- wie bewusstlosen Unterstützung deutscher Interessen ist selbstverständlich unerwünscht, weil sie ungute Erinnerungen an die Zeit vor dem 11. September wachruft, als man noch nicht so zu können meinte, wie man heute zu können glaubt.

Der schon legendäre antisemitische Bekenntnisdrang auf Indymedia nach dem 11. September war keineswegs eine vorübergehende Erscheinung, sondern ist in die corporate identity des Unternehmens integriert worden, er gehört zum guten Ton. Allerdings beschränkt sich der grassierende Wahn nicht nur aufs Internet. Wo deutsche Linke sich zusammenrotten, fasst man auch schon mal den Mut, es den »Judenknechten« und »Zionistenschweinen« zu zeigen: So auf Demonstrationen in Düsseldorf, Dortmund, Freiburg und unlängst anlässlich des alljährlichen Totentanzes an der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin, wo Leute mit pro-israelischen Transparenten beschimpft bzw. von den Veranstaltern ausgeschlossen wurden.

Ein Transparent mit der Aufschrift »Lang lebe Israel« durfte in Düsseldorf nicht mitgeführt werden, weil es sich bei dieser Aussage, so der Anmelder von der PDS, um Parteinahme für eine der Kriegsparteien handle. Dass er damit argumentiert wie bin Laden heute oder Saddam Hussein 1991, fällt schon gar nicht mehr auf, weil man genau das in jeder Zeitung lesen kann: Die Ursache für die Situation im Nahen Osten sei in Israel zu finden.

Die deutsche Opferpose, mit der »vor Kühnheit zitternd« (Walser) das Bekenntnis zur Heimat oder gegen Israel und die USA abgelegt wird, gehört dabei zum Handwerk. Die Tabubrecher wähnen sich immer als unterdrückte Minderheit, was ein Grund ist für die Einfühlung der Deutschen in andere »ethnische Minderheiten«, zumal wenn diese sich als verfolgende Unschuld geben.

Mit anderen Worten: Was der politischen Klasse die Walser-Rede war, ist der deutschen Linken der 11. September.