José Murillos Erinnerungen an den Spanischen Bürgerkrieg

Der Iron Man des Antifaschismus

Zuerst kämpften die Guerilleros im spanischen Bürgerkrieg, dann gegen die Franco-Diktatur. Heute ist die Bürokratie in der Demokratie der Feind.

Spanier, der Krieg ist zu Ende! Alle, an deren Händen kein Blut klebt, sollen jetzt in ihre Dörfer zurückkehren, wo sie Arbeit und ein Zuhause finden werden.«

An dieses Versprechen erinnert sich José Murillo noch sehr gut. Er war damals 15, als General Francos Stimme im Radio das Ende des spanischen Bürgerkriegs verkündete. Damals war er einfach nur erleichtert. »Für ein Kind kann es nur eine gute Nachricht sein, wenn ein Krieg zu Ende geht«, sagt er.

Dass das Ende der Guerra Civil für ihn und tausende Republikaner, Anarchisten, Sozialisten und Kommunisten den Beginn eines neuen Krieges markierte, sollte er Monate später erfahren. »Das Leben ging weiter, und ich entdeckte, auf welche Weise der Krieg beendet worden war. So wie es allen Männern klar wurde, die, anstatt die Waffen abzugeben, in die Berge flüchteten, um zu überleben. Schlagartig wurde uns klar, dass das Kriegsende ein Verrat war.«

Murillo ist einer von den heute noch lebenden und namentlich bekannten 46 ehemaligen Guerilleros, die die Niederlage der Zweiten Republik (1931 bis 1939) nicht akzeptierten, in der faschistischen Franco-Diktatur als Republikaner gebrandmarkt wurden und ohne Perspektive in der autoritären Nachkriegsgesellschaft waren. Über Spanien verteilt, hielten sie sich in den Bergen versteckt, um gegen Franco zu kämpfen. Für manche war es politisch das einzig Richtige, die meisten hatten, wie Murillo, keine Wahl.

In der Vereinigung Archiv Krieg und Exil (Age) versammeln sich die Überlebenden und rekonstruieren akribisch die Geschichte der Maquis. Es ist die Geschichte von eisernen Antifaschisten und bisweilen auch die Legende von Unermüdlichen: Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten oder Republikanern, die die Niederlage der Zweiten Republik nicht akzeptierten. Mit dem Begriff Maquis, dem Namen für die südfranzösischen Widerstandsbewegungen Maquisards entlehnt, umgingen sie die während der Franco-Zeit verbotene Bezeichnung Guerilleros.

Franco diffamierte die Widerstandsgruppen als Banditen und kriminalisierte sie. In der spanischen Geschichtsschreibung figurierten seither die Maquis als Verbrecher oder bestenfalls als »Probleme der öffentlichen Ordung«. Noch im Jahre 1969 schrieb Antonio Diaz Carmona ein Buch über »zeitgenössisches Banditentum«, in dem er den »Bandoleros« eine politische Ausrichtung lediglich in ihren Anfängen bescheinigt. Im Weiteren aber seien sie gewöhnliche Straßenräuber gewesen.

Erst im Mai 2001 wurde im Parlament ein von der Vereinigten Linken (IU) eingebrachtes Gesetz verabschiedet, das die Bezeichnung »Bandolero« in den polizeilichen Führungszeugnissen abschaffte. 24 Jahre nach den ersten freien Wahlen 1977 erhielten die Widerstandskämpfer ideelle Anerkennung.

Seither streiten sie um die Anrechnung der Guerilla-Zeit auf die Höhe der Pensionen. Sie wollen den gleichen Status wie die Kämpfer der Republik erreichen, die bis 1939 das demokratische Spanien gegen die Faschisten verteidigten und heute eine Pension erhalten.

Im vergangenen November lehnte die rechte Regierungspartei Partido Popular (PP, Volkspartei) jedoch eine Gesetzesvorlage im Kongress ab, die angemessene Pensionen für die Guerilleros garantieren sollte.

Der 78jährige Murillo arbeitet heute in der Union der ehemaligen Kämpfer im Krieg Spaniens (Unex), einer Organisation, die eine Vereinigung republikanischer Kriegsveteranen ist, die ihre Pensionsansprüche gegenüber dem Staat geltend machen wollen. Dabei arbeiten Unex und Age eng zusammen.

Die Unex befindet sich in der Calle Mayor in der Madrider Innenstadt, unweit der Plaza Mayor, dem Zentrum des historischen und katholischen Madrids, wo sich Franco mit militärisch-faschistischer Strenge als Führer von Gottes Gnaden inszenierte.

Dunkle Räume, muffelndes Linoleum und hölzerne Trennwände in den Büros - hier, wo die Opfer und die Widerständigen um ihr Recht streiten, residierten einst die Herrscher. Die Unex wurde 1964 mit dem Ziel gegründet, die Spaltung der spanischen Gesellschaft in Republikaner und Nationalisten zu überwinden. »Spanien ist immer noch zweigeteilt. Was diesen Punkt angeht, haben wir wenig bewirkt«, sagt Murillo.

Das Büro, in dem ich mit Murillo zum Gespräch verabredet bin, ist ein Treffpunkt für einige hochbetagte Veteranen und ehemalige Guerilleros. Wir sitzen an seinem Arbeitsplatz, im Nebenzimmer bespricht Alberto mit Manuel ein Filmprojekt über die Guerilleros in Asturien. Es geht ganz unhektisch, gelassen und gut gelaunt zu. Murillo hat viel zu erzählen, aber keine Eile. Auf einem Tisch liegt ein Stapel gerahmter vergilbter Fotos, auf denen junge Männer mit leichten Waffen zu sehen sind. In den Regalen an den Wänden und auf den Tischen ist allerhand Dokumaterial zu sehen, Plakate, Zeitungsausschnitte, Bücher.

Die spanische Öffentlichkeit will noch immer nichts von den Maquis wissen oder hält sie für eine Legende. Damit sie nicht völlig der Vergessenheit anheim fallen, betreiben die ehemaligen Guerilleros ein wenig Aufklärungsarbeit. So fand im Dezember des vergangenen Jahres das 1. Internationale Treffen der Untergrundkämpfer der Sierra Morena in El Viso in der Nähe von Cordoba statt. Ein- bis zweimal im Jahr finden ähnliche Tagungen statt, bei denen die Bücher und Erinnerungsprojekte vorgestellt werden.

Das Telefon klingelt, und die Witwe eines verstorbenen Mitstreiters ist dran. Murillo half ihr, zwei Männer aufzutreiben, die gegenüber einem Notar bezeugen konnten, dass ihr Ehemann kämpfender Republikaner war. Die 83jährige Frau hofft, dass ihr nun eine Pension zugesprochen wird.

Murillo erzählt, wie eines Tages im Jahre 1939 vier Falangisten in ihre Stube marschierten. »Jetzt sind wir an der Reihe, und ihr habt den Mund zu halten«, drohten sie dem Vater. Wenige Wochen danach enteigneten sie die Familie Murillo. Sie fand Unterschlupf im Haus einer Freundin, aber Vater und Sohn verließen kurz darauf das Dorf, um aus dem Blickfeld der Faschisten zu gelangen. Als sie im Nachbardorf, wo sie inzwischen Arbeit gefunden hatten, 1941 von der Falange entdeckt wurden, sahen sie keine Alternative zur Flucht.

»Meinen Sohn werden sie nicht ermorden. Wenn es sein muss, wird er an der Seite seines Vaters sterben, sein Leben verteidigend«, beschloss der Vater. Murillo kommt ins Stocken. Die anfängliche Routine, mit der er republikanische Parolen und Loblieder auf die Guerilleros rezitierte, ist verbraucht. Er weint.

Ohne eine genaue Vorstellung von ihrem Ziel zu haben, machten sie sich damals auf den Weg in die Berge der Sierra Morena im Südwesten Spaniens, um die Guerilleros zu suchen.

Burgos, 1. April 1939: Nachdem wenige Tage zuvor die letzte Bastion der republikanischen Kräfte in Madrid bezwungen worden war, erklärte der Klerikalfaschist Franco den Krieg offiziell für beendet. Schon im Februar hatten Frankreich und Großbritannien den neu gegründeten Staat anerkannt.

Während und nach dem Krieg, der von 1936 bis 1939 dauerte und zwischen 400 000 und 625 000 Tote forderte, wurde in den von den frankistischen Truppen besetzten Gebieten jeder greifbare Republikaner verhaftet oder hingerichtet. Der Sieg der Faschisten löste eine Emigrationswelle aus. 1939 waren 450 000 Spanier im Exil, 430 000 davon allein in Frankreich, wo der größte Teil in französische Lager kam und später an Spanien ausgeliefert wurde.

Das brutale Vorgehen gegen die Opposition wurde zum staatstragenden Element der folgenden, 39 Jahre andauernden Diktatur. Bereits kurz nach dem Staatsstreich hatte Franco gegenüber der Chicago Daily Tribune im Juli 1936 keinen Zweifel an seinen eliminatorischen Absichten und seiner Bereitschaft gelassen, jeden zweiten Spanier zu ermorden, wenn es die nationale Sache erfordere.

Während des Franco-Regimes wurden etwa 200 000 Republikaner exekutiert, mehr als 400 000 landeten in den Gefängnissen, wie es der Historiker Paul Preston errechnete.

Die Phase von 1939 bis 1943 war geprägt von spontaner Flucht in die Berge und dem Kampf ums nackte Überleben. In den Dörfern waren die Republikaner schutzlos der Falange und der Guardia Civil ausgeliefert, im Gebirge aber konnten sie sich verteidigen. Trotzdem hatten sie bei den Gefechten mit der Guardia Civil, die nach dem Gesetz zur Erschießung auf der Flucht berechtigt war, tausende von Opfern und Verhafteten zu beklagen.

Eine weitere Variante, um der Repression zu entgehen, praktizierten die »Maulwürfe«, die sich in Ställen, Scheunen oder Verschlägen versteckten. Saturnino de Lucas Gilsanz ist einer von ihnen. Ab 1936 hielt er sich in einem Erdloch im Keller seines Elternhauses versteckt und traute sich erst 1970 wieder heraus. Die spanische Justiz steckte ihn anschließend für fünf Jahre ins Gefängnis. Die Brüder Juan und Manuel Hidalgo España hielten sich 28 Jahre lang nur 20 Meter voneinander entfernt versteckt. Sie sahen sich während dieser Zeit kein einziges Mal.

In den Gebirgen der Extremadura, Andalusiens, Galiziens, Leons, Kantabriens, Katalaniens, Aragons und Levantes bildeten sich hunderte verstreute, aus jeweils etwa acht Personen bestehende Guerillagruppen. Schlecht bewaffnet und ohne jegliche Infrastruktur, organisierten sie ihr Überleben. In den erbärmlichen Lagern aus Ästen und Decken erschwerten Hunger und Krankheiten das Überleben. Im Winter stopften sie sich Baumwollballen in die Kleidung, um sich gegen die klirrende Kälte zu schützen. Die Repression der Guardia Civil beantworteten sie in dieser chaotischen Phase oft mit ebensolcher Gewalt; frankistische Pfarrer, bekannte Faschisten und Bourgeoise waren Ziele von Anschlägen und Überfällen.

Die nach Südfrankreich geflüchteten spanischen Republikaner gaben dem bewaffneten Kampf gegen Franco wichtige Impulse und waren ebenfalls bedeutend im Widerstand gegen Nazideutschland und gegen das Vichy-Regime. Die größte Aktion ereignete sich im Oktober 1944 in den Pyrenäen, als 6 000 bis 7 000 Kämpfer eine Invasion in Spanien versuchten. Sie konzentrierte sich im Valle de Aran mit 3 000 Bewaffneten. Innerhalb weniger Tage zog das spanische Militär 40 000 Soldaten in der Region zusammen, sodass die Antifrankisten sich wieder zurückziehen mussten.

1943 erklärte die im Exil in Frankreich operierende Kommunistische Partei Spaniens (PCE) den Guerillakampf auf spanischem Territorium zu ihrer vorrangigen Strategie. Sie entsandte ihre Kader zu den versprengten Guerillagruppen, um eine politische und militärische Struktur aufzubauen. In den Dörfern entstand ein breites Netzwerk von Verbindungsleuten, die Informationen, Waffen und Lebensnotwendiges beschafften. Murillo wurde zum Kommandanten ernannt und führte eine Gruppe von acht Mann.

Die Organisierung der Guerilla durch die PCE seit 1943 wandelte deren Charakter. Nicht mehr Vergeltung, sondern organisierte Aktionen und die Politisierung der Bevölkerung standen auf dem Programm. Sie gingen auf die Bauern zu, erklärten ihre Ziele. Eine Reihe illegaler Zeitungen entstand, mit Namen wie El Guerrillero, Lucha oder Combate. Murillo berichtet, wie er monatelang eine Schreibmaschine durch die felsige Landschaft schleppte.

Die Organisationen, von denen die Guerillagruppe von Levante und Aragon (Agla) hinsichtlich des Organisationsgrads und der Mitgliederzahl die bedeutendste war, zerstörten strategische Eisenbahnlinien und die Stromversorgung. Sie verstanden sich als Teil des europäischen antifaschistischen Widerstandes und sabotierten Betriebe, die kriegswichtiges Material an Deutschland lieferten.

Nach 1945 rechneten einige fest damit, dass die Alliierten auch in Spanien intervenieren würden, was für sie eine logische Konsequenz und eine moralische Verpflichtung der demokratischen Mächte war. Dass dies nicht passierte, war eine bittere Enttäuschung und trug nicht zuletzt zur Stabilisierung des Franco-Regimes bei.

1943 bis 1952 war die Hochphase der Maquis. Insgesamt gab es etwa 7000 Guerilleros, zumeist Männer. Die Gruppe der Enlaces war zahlenmäßig größer. Allein die registrierten Verhaftungen lagen bei knapp 20 000. Oft waren es diese Enlaces, die der gnadenlosen Guardia Civil ausgeliefert waren.

»Bevor ich in die Berge ging, war ich weder Sozialist noch Kommunist«, betont Murillo heute. Dann brachte ihm Eugénio Collado Rodríguez, »Capitan Corruco«, bei, ein Guerrillero zu sein und die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten. Noch heute ist Murillo, der den Kriegsnamen »Comandante Rios« erhielt, Mitglied der PCE.

Er spricht von klassenloser Gesellschaft und dem Ende der Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. Trotz der Erinnerungen an die verlorenen Freunde, die eigenen Verwundungen und die Ermordung des Vaters bekommt er leuchtende Augen, wenn er von den Zielen der Guerilla erzählt.

Er macht nicht den Eindruck eines gebrochenen Mannes. 1949 wurde er verwundet, sein Versteck wurde verraten, er kam ins Gefängnis, wurde zweimal zum Tode verurteilt und kam 1963 nach knapp 15 Jahren Haft frei. Seither lebt er mit seiner Frau in Madrid, hat Kinder und Enkelkinder.

Er ist ein gewitzter und humorvoller Gesprächspartner, der das Leiden von damals und das Leben heute voneinander trennt. Er lässt Anekdoten über seinen sechsjährigen Enkel einfließen, der ihn über den »kleinen Krieg« ausfragt.

Über die Schlussphase der organisierten Phase der Guerilla gibt es heute unterschiedliche Ansichten. Fest steht, dass die Führung der PCE vom Exil in Frankreich aus 1948 den Rückzug anordnete. Grund dafür war ein Umschwenken ihrer Strategie. Priorität hatte nunmehr, klandestine Arbeiterkommissionen in den Betrieben zu bilden und die legalen Institutionen des Nationalsyndikalismus zu unterwandern. Allerdings kam die Rückzugsorder bei vielen Guerillagruppen nicht an. Kritiker der PCE-Politik fragen heute, warum keine Evakuierung eingeleitet wurde.

Murillo, der erst nach 1949 von den Genossen im Gefängnis vom Abbruch des Kampfes erfuhr, erklärt dies mit der mangelnden organisatorischen Struktur; er hatte oft über Wochen hinweg keine Order von der Leitung erhalten können. Dennoch schaffte es die große Mehrheit Anfang der Fünfziger, sich nach Frankreich abzusetzen, wo sie bis zum Tode Francos 1975 bzw. bis zum Einsetzen der Transition und der Einführung der demokratischen Verfassung 1978 im Exil lebte.

Das Jahr 1952 markiert das Ende der organisierten Guerilla. Danach blieben verstreute Gruppen weiterhin in den Bergen. Geld beschafften sie sich mit Überfällen, die politischen Aktionen bestanden aus Anschlägen auf lokale Persönlichkeiten des Regimes.

Die beiden letzten Guerilleros waren José Castro Veiga »El Piloto«, der 1965 von der Guardia Civil ermordet wurde, und Ramón Rodríguez Varela »Curuxas«, der 1967 an einem Herzinfarkt am Straßenrand starb. Sie waren 26 bzw. 31 Jahre lang im klandestinen Widerstand gewesen.

Murillo »Comandante Rios«, dessen Leben eng mit der traurigen Geschichte der Maquis verwoben ist, bereut nichts. Wenn er heute Bilanz zieht, dann war ihre Weigerung, die Niederlage anzuerkennen, und die Bereitschaft, für ihre Sache zu sterben, ein Sieg über den Frankismus.

Unten am Portal des schmucken Gebäudes in der Calle Mayor Nummer sechs, in dem Murillos Büro untergebracht ist, kommt der Portier auf uns zu. Murillo grüßt freundlich. »Hier habe ich einen deutschen Journalisten bei mir. Ja, ein Deutscher. Aber keiner von denen, du weißt schon.«