Gewerkschaften unterstützen die Regierung im Wahlkampf

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Für ein paar Zugeständnisse wollen die Gewerkschaften im Wahlkampf auf Kritik an der rot-grünen Bundesregierung verzichten.

Auf Klaus Zwickel ist Verlass. Das wusste schon Klaus Esser. Mit rund 60 Millionen Mark ließ sich der Manager vor zwei Jahren seinen Abschied aus der Vorstandsetage von Mannesmann versüßen. 28 Millionen Mark erhielt er als Abfindung, 32 Millionen als »Anerkennungsprämie« für seine »großartigen Leistungen« als Vorstandsvorsitzender des Konzerns.

»Unanständig hoch und für keinen Arbeitnehmer mehr nachvollziehbar«, schimpfte der IG Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel damals. »In der gerade begonnenen Tarifrunde sollen sich die Arbeitnehmer mit dem Inflationsausgleich begnügen. Und gleichzeitig werden einem Unternehmenschef fast 60 Millionen Mark auf einen Schlag ausgezahlt«, kritisierte Zwickel. Solche »Auswüchse des globalen Kapitalismus« seien der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, und die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hätten von der Abfindung erst aus der Zeitung erfahren.

»Das war weder ein Thema im Aufsichtsrat noch ist darüber im Aufsichtsratsausschuss für Vorstandsangelegenheiten jemals gesprochen worden«, beteuerte Zwickel im Februar des Jahres 2000. Dass er dabei flunkerte, flog erst eineinhalb Jahre später auf. Denn Zwickel war als Mitglied des zuständigen »Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten« bei Mannesmann an der Entscheidung beteiligt und stimmte nicht gegen die »Auswüchse des globalen Kapitalismus«. Die Faust des Protestes ballte er nur für die Öffentlichkeit. Wie es sich für einen deutschen Gewerkschaftsführer gehört.

Jetzt kann sich wieder ein deutscher Topmanager auf Klaus Zwickel verlassen: der Vorstandsvorsitzende der Deutschland AG, Gerhard Schröder. Monatelang hatten Zwickel und andere Gewerkschaftsfunktionäre an der rot-grünen Bundesregierung herumgenörgelt, ihre Politik als unsozial kritisiert und sogar mit einem Aufruf zur Wahlenthaltung gedroht. Und nun gab der Vorsitzende der IG Metall auf einmal zu verstehen, dass alles nicht so ernst gemeint war.

Eine Regierung unter Edmund Stoiber (CSU) würde ihm »nicht einmal im Ansatz als sinnvolle Alternative zur jetzigen Regierung erscheinen«, verkündete Zwickel Ende vergangener Woche. »Für mich ist eine SPD-geführte Regierung mit einem Kanzler Schröder trotz einiger Navigationsschwächen ein verlässlicherer Partner für die Arbeitnehmer als eine anders geführte Regierung«, warb der Sozialdemokrat für den Kanzler. Deshalb werde sich die IG Metall auch wieder im Wahlkampf engagieren.

Im Bundestagswahlkampf 1998 ließen sich die Gewerkschaften ihre Wahlkampfhilfe für die SPD noch acht Millionen Mark kosten - eine gute Investition, wie Zwickel nun glauben machen will. Der Wechsel von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder »hat sich gelohnt, allein wenn man auf die Erfolge für die Arbeitnehmer verweist«.

Solche Worte bedeuten einen erstaunlichen Wandel, denn in der April-Ausgabe der Mitgliederzeitschrift metall schlägt Zwickel andere Töne an. Die Bilanz nach vier Jahren rot-grüner Politik sei »zwiespältig«. Zwar hätten die SPD und die Grünen im Vergleich zur Regierung Kohl einige Verbesserungen erreicht, wie etwa die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, die Verbesserung des Kündigungsschutzes und den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit. Doch Zwickel schränkte ein: »Bewerten wir die Arbeit von Koalition und Regierung aber an den Maßstäben unserer Kampagne von 1998, relativiert sich das Bild.«

Die rot-grüne Regierung habe »bisher kein Reformprojekt für Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit« vorangebracht, das »wirkliche Großprojekt« der Koalition sei vielmehr das Sparen und die Konsolidierung. Zu einem deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit und zu mehr sozialer Gerechtigkeit habe dieser »Konsolidierungskurs« jedoch bisher nicht geführt. Zwickels Schlussfolgerung in metall lautete: »Jetzt ist es Zeit für eine bessere Politik.«

Dass es sie mit Schröder nicht geben wird, hat bereits Anfang Februar der Vordenker der IG Metall, Klaus Lang, in einem Papier dargelegt, das für gehörige Verärgerung bei Schröders Wahlkampfstrategen sorgte. Lang stellt darin fest, dass die »Gerechtigkeitslücke« in der rot-grünen Regierungszeit größer statt kleiner geworden sei. Außerdem sei die Basis für die Wahlkampagne der Sozialdemokraten, das Strategiepapier des SPD-Generalsekretärs Franz Müntefering, »ein auf den ersten Blick nichts sagendes, mit Leerformeln und teilweisen Unsinnsätzen operierendes Dokument ohne inhaltliche Konkretisierung und parteiliche Orientierung künftiger Politik«, konstatierte Lang in ungewohnter Deutlichkeit. Diese »beliebige und schwammige, nichts sagende und nach allen Seiten offene« Politik sei kaum mehr unterscheidbar von der konservativen und »bestenfalls geeignet, Langeweile, im schlimmsten Fall Ablehnung und Wahlenthaltung in der Arbeitnehmerschaft hervorzurufen«.

Solche Töne sind nun plötzlich nicht mehr angesagt, und das hängt offenbar mit einem Treffen zusammen, zu dem sich Zwickel, der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte und der Vorsitzende von Verdi, Frank Bsirske, mit Schröder und anderen Politikern der SPD vor zwei Wochen in einem Hannoveraner Restaurant verabredet hatten. Dabei sollen Regierungsmitglieder wegen der Kritik aus den Reihen der Gewerkschaften regelrecht aus der Haut gefahren sein und den Gewerkschaftsbossen die Leviten gelesen haben.

Aber Schröder soll auch Angebote gemacht haben. So soll es in der kommenden Legislaturperiode nicht zur Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe kommen. In der Gesundheitspolitik wolle die Regierung eine einseitige Belastung der Versicherten vermeiden, wobei es allerdings keine Zusicherung gab, das Prinzip der paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer beizubehalten, wie es die Gewerkschaften fordern. Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung über das Geheimtreffen sollen im Gegenzug Zwickel, Bsirske und Schulte dem Kanzler zugesichert haben, sich in ihrer Kritik an der Regierung bis zu den Wahlen im September zurückzuhalten, um Rot-Grün nicht zu gefährden.

Nachdem das Treffen bekannt geworden war, widersprachen die Gewerkschaften vehement der Darstellung, sie hätten ein Stillhalteabkommen mit der Regierung geschlossen. Vielmehr hätten sie dem Kanzler nur »ihre Anforderungen für die Politik der nächsten vier Jahre erläutert«. Dabei sei es vorrangig um eine Politik für mehr Arbeit und soziale Gerechtigkeit gegangen.

Unter Berufung auf Gewerkschaftskreise berichtete die Hannoversche Allgemeine Zeitung jedoch, die Gewerkschafter hätten bei dem Treffen angedeutet, am Ende der laufenden Tarifrunde müsse nur »eine Drei vor dem Komma« stehen. Das würde völlig den Wünschen Schröders entsprechen, wird der »Genosse der Bosse« doch nicht müde, wie jüngst im Spiegel zur »Mäßigung« aufzurufen und vor einem »Abschluss, der das Pflänzchen Aufschwung zertrampeln könnte«, zu warnen.

Verdi und die IG Metall dementierten umgehend. »Zahlen wurden nicht genannt«, beteuerte der Sprecher von Verdi, Harald Reutter. Bei dem Treffen sei zwar über die Tarifrunde gesprochen, nicht aber über die Höhe eines Tarifabschlusses spekuliert worden. Auch der Sprecher der IG Metall, Claus Eilrich, versicherte, zwischen den Gewerkschaften und Bundeskanzler Schröder gebe es keine Absprachen über die Tarifabschlüsse. »Das ist frei erfunden und eine bösartige Unterstellung«, sagte Eilrich. Die IG Metall kämpfe vielmehr unverändert für Lohn- und Gehaltserhöhungen von 6,5 Prozent und den Abschluss gemeinsamer Entgelttarifverträge für Arbeiter und Angestellte. »Von dieser Zielsetzung weichen wir keinen Millimeter ab«, erklärte Eilrich.

Die Beteuerungen waren notwendig. Am Karfreitag lief die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie ab. Die ersten Warnstreiks haben begonnen, und die IG Metall plant für die zweite Aprilwoche eine größere Warnstreikwelle in allen Tarifgebieten. Da macht es sich nicht besonders gut, wenn die Gewerkschaftsmitglieder erfahren, dass ihre Forderungen schon jetzt nicht mehr das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben stehen.