Rätsel um Umbenennung der PKK

Im Namen des Volkes

Klassenanalytisch war der Name »Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)« von Anfang an Unfug. Denn ein nennenswertes Industrieproletariat gab es in Türkisch-Kurdistan nie. 1978, bei der Gründung der PKK nicht, und heute, angesichts der seit Jahren fortschreitenden Deindustrialisierung der Türkei sowie der Wirtschaftskrise, die seit einem Jahr das Land erschüttert, erst recht nicht.

Dafür fand sich im Gründungsjahr der PKK in der Zeitung Günaydin folgendes Inserat: »Dorf zu verkaufen - Haraptar, 25 Kilometer von Urfa entfernt, 2 650 Hektar Land, 34 Häuser, 310 Menschen, 1 250 Schafe, 140 Rinder.« Was damals keine Seltenheit war, suchte man heute vergeblich. Denn das Kurdistan, für dessen Unabhängigkeit die PKK einst kämpfte, ist inzwischen in weiten Teilen ein mit Landminen bestücktes Brachland, dessen Ödnis von festungsartigen Armeeposten durchschnitten wird. Die Zerstörung der Dörfer durch Sicherheitskräfte sowie die Attacken der PKK auf staatsloyale Kurden haben die auch in anderen Regionen zu beobachtende ökonomisch bedingte Abwanderung in die Städte forciert.

Wenn auch unbeabsichtigt, hat die PKK auf diese Weise eine brutale Modernisierung bewirkt. Eine Modernisierung freilich, die die feudale Agrarproduktion durch eine Mafiaökonomie in Kurdistan und einen informellen Sektor in den Slums der Städte ersetzte. Am ehesten kam dieser Prozess kurdischen Frauen zugute. Immerhin bot die Guerilla für deren große Mehrheit erstmals eine andere Aussicht, als im Alter von 14 Jahren verheiratet zu werden.

Seit Mitte der neunziger Jahre aber musste die PKK Niederlagen einstecken. Durch die Entvölkerung verlor sie ihre Operationsbasis, durch die Offensiven der Armee und der mit ihr alliierten irakisch-kurdischen Milizen büßte sie ihren Rückzugsraum im Nordirak ein, schließlich entzog ihr Syrien die Unterstützung.

Nach diesen Misserfolgen, die im Herbst 1998 in der Ausweisung Abdullah Öcalans aus Damaskus gipfelten, hat sich die PKK nicht dumm verhalten. Ihr Pech ist, dass die USA die Stabilität der Türkei wahren wollen. Deshalb schlug ihre Strategie der Arafatisierung fehl. Ohne Friedensnobelpreis und internationale Anerkennung sitzt der PKK-Chef auf der Gefängnisinsel Imrali und ist von der Todesstrafe bedroht. Seine Organisation findet sich, gemeinsam mit al-Qaida und der kolumbianischen Farc, auf der US-amerikanischen - nicht der europäischen - Liste terroristischer Organisationen.

Andererseits ist auch der prognostizierte Zerfall der PKK ausgeblieben. Zwar haben sich einige Kader enttäuscht von Öcalans neuer Linie abgewandt. Ihre Massenbasis hat sie aber bei der Stange halten können, was das diesjährige Newrozfest demonstrierte. Dass dabei Sicherheitskräfte erstmals seit einigen Jahren wieder extrem gewaltsam vorgingen und zwei Menschen töteten, zeigt, dass auch die Gegenseite die PKK nicht als toten Hund betrachtet.

Ein möglicher US-amerikanischer Krieg gegen den Irak, der zu einem kurdischen Staat im Norden des Landes führen könnte, verunsichert Ankara ebenso wie die gesteigerte Einmischung der der kurdischen Sache näher stehenden EU in Nahost. Eine PKK, die auf Gewalt, Revolution und Eigenstaatlichkeit verzichtet, könnte so doch noch eine internationale Aufwertung erfahren. Daher die türkische Doppelstrategie: zum einen verstärkte Repression, zum anderen einige Reformen.

Zeitgleich meldeten türkische Medien unter Berufung auf Geheimdienste, die PKK habe sich in »Freiheitspartei der Völker« umbenannt und sich ein neues Programm gegeben. Tatsächlich hatte die Partei Anfang Februar so etwas angekündigt. Am Wochenende aber dementierte sie diese Nachricht. Vielleicht greift die PKK die Idee ja dennoch auf. »Freiheitspartei der Völker« passt, klingt zeitgemäß und würde den historischen Fehler korrigieren.