Vorbereitung auf die Maifestspiele

McDonald's präsentiert

Linke und Polizisten rüsten sich für die Maifestspiele.

Einen Rekord hat der 1. Mai 2002 schon jetzt gebrochen: Noch nie wurden so viele politische Veranstaltungen angekündigt wie in diesem Jahr, fast 50 zählt die Berliner Polizei. Trotzdem ist der Tag der Arbeit des vergangenen Jahres mit einem Aufgebot von 9 000 Polizeibeamten, den schwersten Straßenschlachten seit langem und der Neuheit, mutmaßliche Steinewerfer mit Fahndungsplakaten und im Internet zu suchen, kaum zu toppen. Eigentlich. Wäre da nicht der Nahost-Konflikt, der die Stimmung auflädt.

Auf der linken Seite sind es in diesem Jahr allein drei Veranstaltungen, die sich das Kreuzberger Revier streitig machen und beim revolutionären Potenzial die Qual der Wahl steigern. Wer sich nicht entscheiden kann, braucht eine gute Kondition. Denn da wäre zunächst die von stalinistischen, maoistischen und nationalrevolutionären Gruppen bestimmte Demo des »Revolutionären 1. Mai-Bündnisses«, die ab 13 Uhr von der Oranienstraße über Neukölln zum Görlitzer Bahnhof geht. Unter den Aufrufern sind die »Revolutionären Kommunisten Berlin«, die vor drei Wochen an einem Angriff auf eine proisraelische Veranstaltung der Zeitschrift Bahamas in Neukölln beteiligt waren.

Am Zielort angekommen, bietet sich um 16 Uhr ein nahtloser Übergang zur Demo der Kritiker des gescheiterten »Denk Mai Neu«-Personenbündnisses an, die von der Ruine des am 1. Mai 1987 abgefackelten Bolle-Marktes durch Kreuzberg verläuft und am Heinrichplatz enden soll. Mit dabei ist die antiimperialistische »gruppe mücadele«, die in ihren Parolen für die Freilassung des Anführers der zur Fatah gehörenden Tanzim-Miliz, Marwan Barghouti, und »aller revolutionären palästinensischen Gefangenen« plädiert.

Fern vom Kiez will um 18 Uhr die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) vom Rosa-Luxemburg-Platz zum Auswärtigen Amt ziehen. Die Sicherheitsbehörden haben am Wochenende allerdings den Teil der Demo, der durch Mitte gehen soll, verboten. Die Polizei wittert hier besondere Gefahr für Recht und Ordnung; die AAB-Demonstration wird als die »größte und potenziell gewaltsame« eingeschätzt.

Wer immer noch nicht genug hat, kann um 22 Uhr schließlich an der »einzig wahren Mai-Demo« der KPD/RZ teilnehmen. Sie startet an der Feuerwache in der Wiener Straße, wenn nichts dazwischen kommt.

Ein Grund für die Verlegung der AAB-Demo waren die Bemühungen des 16-Uhr-Bündnisses um eine Beteiligung der palästinensischen Gemeinde. Linken, die mit israelischen Fahnen auf die Demo kommen wollten, wurden Prügel angedroht. Allzu viel Probleme mit solchen Freunden des palästinensischen »Widerstandes« scheint man aber innerhalb der in dieser Frage gespaltenen AAB nicht zu haben. Eine Antwort auf die Frage, was passiert, wenn sich ein Palästinenserblock auf der Demo formiert, gibt es nicht. Dafür eine Erklärung, dass »der körperliche Einsatz für 'saubere Demobilder' absolut nicht in Frage kommt« und das gelte »sowohl für Antideutsche als auch Antiimp-Positionen«.

Gegen ein mögliches Verbot der 18-Uhr-Demo regt sich breiter Widerstand. Die Humanistische Union, die im letzten Jahr maßgeblich dazu beitrug, dass die Demo stattfinden konnte, hat eine Kundgebung zwischen 14 und 18 Uhr auf dem Rosa-Luxemburg-Platz angemeldet. Und die PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt forderte »in rot-roter Verbundenheit« Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in einem Brief auf, der Route zuzustimmen, denn »schließlich wollen wir ja beide nicht, dass ich eine Demonstration für das Versammlungsrecht am 1. Mai durch den Bezirk Mitte anmelden muss«. Körting hatte bisher erklärt, er wolle keine Aufzüge verbieten, aber dafür sorgen, dass es zu möglichst wenig Konfliktpotenzial komme.

Deshalb will er wohl auch nicht verraten, wo die NPD am Vormittag des 1. Mai marschieren will. In jedem Fall bleibt für Linke keine Zeit, sich bei einem ausgiebigen Frühstück auf die Strapazen des Tages vorzubereiten. An »strategisch wichtigen Punkten« haben verschiedene Gruppen bereits Gegenveranstaltungen angemeldet. Der Aufruf der Berliner Initiative Europa ohne Rassismus, dem geplanten NPD-Aufmarsch entgegenzutreten, wird zum ersten Mal auch vom Regierenden Bürgermeister unterstützt.

Die NPD hatte ursprünglich eine Route zwischen dem Ostbahnhof und dem Alexanderplatz angekündigt, die aber vom Innensenator abgelehnt wird. Ob die Neonazis nun wie im letzten Jahr durch eines der östlichen Plattenbauviertel marschieren, ist noch ungewiss. Es sei auch eine »Überraschung« möglich, so die Sicherheitsbehörden. Außer in Berlin hat die NPD ihre Kameraden unter anderem auch in Frankfurt am Main, Dresden und Nürnberg mobilisiert.

Fest steht, dass auch an diesem 1. Mai wieder viele Polizisten in der Stadt unterwegs sein werden, allerdings bei einem so abwechslungsreichen Gesamtprogramm wie nie. Neben der noch unabsehbaren Zahl von Polizeibeamten, die sich um die »Konfliktpotenziale« kümmern sollen, werden 60 Polizisten des Deeskalationskonzepts »Aha« - von ihren prügelnden Kollegen auch schon mal als »Warmduscher« verspottet - vor Ort sein, um mit den Demonstranten Gespräche zu führen. Wer sich austauschen möchte, erkennt seine Gesprächspartner an einem schwarzen Basecap, das die Aufschrift »Polizei« trägt. »Aha« steht übrigens für »Aufmerksamkeit - Hilfe - Appell« und wird in diesem Jahr unter anderem von McDonald's, TV Berlin und den Berliner Bäderbetrieben präsentiert.

Schon vor dem großen Tag tingeln Beamte durch Schulen, um auf »erlebnisorientierte Jugendliche« positiv einzuwirken. Am 1. Mai selbst bietet die Polizei als Alternativprogramm zum Randalemachen unter anderem eine »Straßensportmeile« in der Kreuzberger Bergmannstraße an, ein Fußballturnier im Katzbachstadion und das große »Anbaden mit der Polizei« ab 10 Uhr im Prinzenbad.

Für Journalisten gibt es wieder das Medienzentrum der Polizei. Dazu heißt es: »Per Fernsehübertragung werden wir die Ereignisse um das Demonstrationsgeschehen im Medienzentrum darstellen. Einen Shuttleservice bieten wir ihnen an, um sich in Begleitung einer erfahrenen Beamtin/eines erfahrenen Beamten in die von ihnen gewünschten Einsatzräume zu begeben.«

Die Polizeigewerkschaft im Beamtenbund stellte vor einigen Wochen ein eigenes Konzept vor. Danach sollen bereits zwei Tage vor der Walpurgisnacht die Zugangsstraßen nach Berlin abgesperrt und alle Autos gründlich durchsucht werden. Die Gewerkschaft forderte zudem ein Verbot »aller autonomen Demonstrationen am 30. April und am 1. Mai in Berlin«. Und von allen anderen Organisationen wird »im Interesse des Gemeinwohls« und »aus Solidarität mit den Polizeibeamten« erwartet, dass sie auf ihr Demonstrationsrecht verzichten, damit »militanten Chaoten nicht Gelegenheit gegeben wird, aus einer an sich friedlich angelegten Versammlung heraus schwerwiegende Straftaten zu begehen«.

Ob damit auch die Demo der Kollegen von der konkurrierenden Gewerkschaft der Polizei gemeint ist? Sie wollen nämlich am Vormittag des 1. Mai am Brandenburger Tor gegen den Sparkurs des rot-roten Senats demonstrieren.