G 8-Gipfel in Kanada

Aktion Sorgenkind

Auf dem G 8-Gipfel in Kanada bekundeten die westlichen Regierungschefs ihre Verbundenheit mit Afrika. Finanzielle Hilfe aber wird an strenge Bedingungen geknüpft.
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Gib Afrika einen prominenten Platz auf der Agenda. Zeige etwas Mitgefühl. Versprich ein Engagement in der Zukunft, immer in der Zukunft einzulösen.« Salih Booker, Geschäftsführer der US-amerikanischen NGO Africa Action, zeigte sich enttäuscht von den zum »Ritual« gewordenen Versprechungen der führenden Staatsmänner. Während der Konferenz der Staatschefs der sieben reichsten Industrienationen und Russlands im kanadischen Kananaskis in der vergangenen Woche durften für einen Tag auch vier Afrikaner am Tisch Platz nehmen und noch einmal ihre Ideen zur wirtschaftlichen und politischen Entwicklung ihres bankrotten Kontinents darlegen. Am Ende wurden die vorbereiteten Erklärungen verlesen, dürftige Afrika-Aktionspläne verabschiedet, und Finanzhilfen, die schon in der Vergangenheit versprochen worden waren, noch einmal versprochen.

Als großer Gewinner des G 8-Gipfels verließ kein afrikanischer Staatschef, sondern der russische Präsident Wladimir Putin den Gipfel. Russland erhielt nicht nur 20 Milliarden US-Dollar zur Verschrottung seiner Atomwaffen, sondern gilt nun auch als vollwertiges Mitglied der illustren Runde. Bundeskanzler Gerhard Schröder trat Putin sogar die Ausrichtung des G 8-Treffens 2006 ab, wahrscheinlich, weil sich in den Weiten Russlands ein abgelegenes Plätzchen wie Kananaskis leichter finden lässt als im kleinen Deutschland. Denn in dieser Hinsicht war der Gipfel ein voller Erfolg, von Demonstranten wie noch vor einem Jahr im italienischen Genua war in dem kleinen abgeriegelten Kurort nichts zu sehen. Auch in den Städten Calgary und Ottawa, in denen sich die Globalisierungskritiker umständehalber treffen wollten, versammelten sich nur ein paar Tausend Protestierende. Einziges Opfer des Gipfels war in diesem Jahr ein Bär, der von den Sicherheitskräften erschossen wurde, als er sich an einem Proviantbeutel vergreifen wollte.

Immerhin, das hatten die Staatschefs von Algerien, Nigeria, Senegal und Südafrika nicht nötig. Sie wurden in Kananaskis zum Abendessen eingeladen. Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo äußerte sich zufrieden mit dem Empfang: »Ich möchte den Führern der G 8 und den Repräsentanten der Europäischen Union dafür danken, die heutige Veranstaltung ermöglicht zu haben, die eindeutig einen neuen Anfang markiert, der auf gegenseitigem Respekt und Berechenbarkeit gründet, im Geiste einer genuinen Partnerschaft.« Später bezeichnete er im Namen der angereisten Afrikaner den verabschiedeten Afrika-Aktionsplan als »ein gutes Arrangement«, fügte aber hinzu, das »nichts Menschliches als perfekt betrachtet werden kann«.

Als nicht ganz perfekt dürften ihm die Hilfszusagen der G 8-Staaten erscheinen. Das Entschuldungsprogramm für die afrikanischen Staaten wird um eine Milliarde US-Dollar aufgestockt, nachdem selbst die Weltbank zugegeben hat, dass die bisherige Entschuldung längst nicht ausreichend war und wegen der fallenden Exporterlöse afrikanischer Staaten in den letzten Jahren keinerlei positive Wirkung gezeigt hat. Außerdem sollen sechs Milliarden Dollar, also die Hälfte der Erhöhung der Entwicklungshilfe, die beim UN-Entwicklungsgipfel im April zugesagt worden war, nach Afrika fließen. Allerdings ist die betreffende Formulierung so verfasst, das die G 8-Staaten jeweils selbst entscheiden können, wohin sie ihr Geld schicken. Die USA ließen wie Japan durchblicken, dass ihnen Lateinamerika beziehungsweise der asiatisch-pazifische Raum wichtiger ist als Afrika.

Ohnehin sind alle Zusagen davon abhängig gemacht worden, dass die afrikanischen Staaten sich gefällig verhalten. »Wir helfen Afrika, sich selbst zu helfen«, nannte der Gastgeber und kanadische Präsident Jean Chrétien diese Strategie. Tatsächlich legen auch die afrikanischen Staatschefs Wert darauf, dass die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (Nepad) eine afrikanische Initiative war. Doch inzwischen ist die Idee nicht mehr ganz neu. Bereits 1996 wurde sie von Südafrikas Präsident Thabo Mbeki als »Afrikanische Renaissance« umrissen, später mit dem Omega-Plan von Senegals Präsident Abdoulaye Wade verschmolzen und als Neue Afrikanische Initiative beim G 8-Gipfel im vergangenen Jahr vorgestellt. Eigentlich sollte in Kananaskis Geld fließen, doch nun scheint es, dass die Initiative, wie so viele vorher, ein Stück Papier bleiben wird.

Kern der Nepad ist die Idee, dass die teilnehmenden Staaten demokratische Prinzipien einhalten, Menschenrechte achten, Konflikte selbständig lösen, ihre Haushalte ausgleichen und Programme zur Armutsbekämpfung durchführen. In einem »Peer Group Review« genannten Mechanismus sollen sie sich dabei gegenseitig überwachen. Im Gegenzug ist vorgesehen, dass die reichen Staaten die Entwicklungshilfe erhöhen, Schulden reduzieren, ihre Importbarrieren lockern und schließlich soll privates Investment für wirtschaftliches Wachstum sorgen. Flankiert von pathetischen Sätzen über Afrikas Stolz und potenziellem Reichtum, entspricht die Nepad weitgehend den von der Weltbank entworfenen Prinzipien der »guten Regierungsführung«.

Doch wie der Plan finanziert werden soll, bleibt ungeklärt. Jährlich fehlen den afrikanischen Staaten, so der Nepad-Entwurf, 64 Milliarden Dollar. Mittelfristig soll dieses fehlende Geld durch eine Verbesserung der Steuererhebung in Afrika selbst und von den reichen Staaten aufgebracht werden. Wenn dann die anvisierten jährlichen sieben Prozent Wirtschaftswachstum erreicht sind, sollen genügend private Investitionen aus dem Westen folgen.

Der wirtschaftspolitische Teil des Programms entspricht der Politik des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki. In Südafrika wurden trotz der Lasten der Apartheid in den letzten Jahren Sparhaushalte durchgesetzt, die Preissteigerung bekämpft und staatliche Unternehmen privatisiert. Dennoch haben sich zum Unmut der südafrikanischen Gewerkschaften kaum ausländische Investoren engagiert, ein Großteil der Bevölkerung verarmt weiter, und unter dem Druck von Währungsspekulationen verfiel die einheimische Währung mit der Folge verteuerter Importwaren.

Deshalb ist die Marktgläubigkeit der Nepad-Architekten auch in Afrika längst in die Kritik geraten. Beim African Social Forum, das in Mali gleichzeitig mit dem G 8-Treffen stattfand, kritisierten die teilnehmenden Delegierten von 200 afrikanischen NGO, dass die »Handelsliberalisierung die ungleichen Austauschstrukturen von Importen und Exporten unangetastet lässt«. Der ugandische Politikwissenschaftler Yash Tandon kritisierte die Nepad bereits auf einem Akademikertreffen in Kenia im April: »Obwohl das Dokument verspricht, sich am Menschen zu orientieren, wurden die Menschen nicht konsultiert. Die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen erfuhren von der Nepad erst durch ihre nördlichen Kollegen.«

Für die G 8-Teilnehmer boten die angereisten »afrikanischen Sorgenkinder«, wie sie ein Kommentator der »Tagesthemen« bezeichnete, die Gelegenheit, ihr väterliches Mitgefühl zur Schau zu stellen. Zur Rettung der in den letzten Jahren in die Krise geratenen Bühne der Macht, die die Konferenzen der G 8 darstellen, kommen die afrikanischen Bittsteller offenbar gerade recht. Auf die Frage, wie die anwesenden Afrikaner das G 8-Treffen empfanden, antwortete der Gastgeber Chrétien: »Sie waren erfreut und dankbar.«